Leipzig. Innerhalb eines Jahres ist in Leipzig die Arbeitslosigkeit um 13 Prozent gestiegen. Was sagt diese Zahl? War nicht lange Zeit noch von einem Engpass bei den Fachkräften, von unbesetzten offenen Stellen die Rede? Und wieso steigt zugleich die Beschäftigung in der Region? Die Agentur für Arbeit Leipzig hat Antworten.
Die konjunkturelle Abkühlung und die wirtschaftliche Unsicherheit bekommen auch die Firmen in und um Leipzig zu spüren, sagt Agentursprecher Frederic Schulze. „Das führt dazu, dass Unternehmen zurückhaltender bei Neueinstellungen sind. Bereits seit Mitte 2022 beobachten wir einen kontinuierlichen Rückgang der gemeldeten offenen Stellen.“
In Leipzig: Arbeitslosigkeit trifft vor allem Jüngere
Ende Februar waren 28.762 Menschen arbeitslos gemeldet, 13 Prozent mehr als vor einem Jahr. Besonders betroffen vom Anstieg der Arbeitslosigkeit seien jüngere Arbeitnehmer unter 25 Jahren (die Arbeitslosigkeit stieg hier um 10,3 Prozent) und ältere Arbeitskräfte über 50 Jahre (plus 11,4 Prozent).
Beim Blick auf die Ursachen zeigt sich, dass besonders energieintensive Branchen betroffen sind. Ebenso Unternehmen, deren Geschäft stark von Exporten oder Rohstoffpreisen abhängt.
Agenturchef Ricardo Donat rechnet in diesen Bereichen weiterhin mit einem Produktionsrückgang, der auch zu einem Abbau von Arbeitskräften führen kann. Einzelne Unternehmen aus dem Fahrzeugbau beziehungsweise der Zuliefererbranche hätten für dieses Jahr angekündigt, Arbeitsplätze abzubauen.
„Branchen wie die Automobilindustrie stehen vor erheblichen Transformationsprozessen durch Elektromobilität und Digitalisierung“, heißt es. „Dies führt zu Unsicherheiten und Anpassung in Unternehmen.“
Firmen wollen Entlassungen vermeiden
Allerdings versuchen viele Firmen ihre Belegschaft zu halten, melden Kurzarbeit an, statt zu entlassen. So gibt es etwa in der Metallverarbeitung und der Automobilzulieferindustrie vermehrt Anzeigen zu Kurzarbeit.
Auch fragen die Firmen weniger neue Kräfte nach. Besonders in der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) gibt es einen merklichen Rückgang bei den gemeldeten offenen Stellen.
Die konjunkturelle Situation bereitet zwar metallverarbeitenden Firmen, Gießereien sowie Automobilzulieferer besondere Probleme. Mittlerweile sind laut Arbeitsagentur aber auch untypische Branchen wie Callcenter oder der Online-Handel von Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau betroffen.
Hier Entlassungen, dort Neueinstellungen
Homogen verläuft die Entwicklung aber keineswegs. In Teilen der Automobilproduktion wurden in den vergangenen Monaten zusätzlich Beschäftigte eingestellt, teils über Personaldienstleister oder durch Fachkräftewechsel zwischen Unternehmen. Zudem engagieren sich einige Unternehmen verstärkt in Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen, um den Fachkräftebedarf langfristig zu sichern.
Anders als etwa in Zwickau, wo Volkswagen die Produktion drastisch reduzieren will und befristete Jobs nicht verlängert, hat BMW im Leipziger Werk die Fertigung erheblich erweitert. Allein im vergangenen Jahr stellten die Münchner in der Messestadt 900 neue Kräfte fest ein.
Während einige Branchen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten kämpfen, sehen wir in anderen Bereichen weiterhin Chancen für Beschäftigungswachstum und Qualifizierung. – Ricardo Donat, Chef Arbeitsagentur Leipzig
In vielen Branchen bleibt der Fachkräftebedarf hoch. „Arbeitgeber signalisieren zunehmend Bereitschaft, fachliche Defizite durch Qualifizierungen auszugleichen, beklagen aber gleichzeitig Schwierigkeiten bei der Besetzung der Stellen aufgrund fehlender Motivation, hoher Gehaltsvorstellungen oder mangelnder Schichtbereitschaft“, heißt es bei der Arbeitsagentur. Vor dem Hintergrund des Generationswechsels gestalte sich in vielen Unternehmen die Nachbesetzung offener Stellen zunehmend schwierig.
Mehr Beschäftigung durch Neuansiedlungen in Leipzig
Trotz des Anstiegs der Arbeitslosigkeit wächst in Leipzig zugleich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter – eine bundesweit unübliche Entwicklung. „Dies ist unter anderem auf den Zuzug von Fachkräften und die positive Standortentwicklung zurückzuführen“, heißt es bei der Arbeitsagentur. Gleichzeitig gebe es Neuansiedlungen, auch von Zeitarbeitsunternehmen.
Agenturchef Donat: „Der Leipziger Arbeitsmarkt steht vor Herausforderungen, bleibt aber zugleich dynamisch und weiter aufnahmefähig. Während einige Branchen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten kämpfen, sehen wir in anderen Bereichen weiterhin Chancen für Beschäftigungswachstum und Qualifizierung.“
Zudem hänge viel von der weiteren Marktentwicklung ab. Beispiel Autoindustrie: Neben dem Stellenabbau in einigen Bereichen entstehen in anderen durch technologische Innovationen auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten, heißt es.
Innerhalb eines Jahres ist die Zahl freier Stellen auf 6500 zurückgegangen. Gesucht wird vorwiegend im Baugewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen, im Handel, bei Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und im Verarbeitenden Gewerbe.