Andreas Dunte
Leipzig. Leipzig gilt als Boomtown in Sachsen. Jetzt hat die Messestadt eine weitere Besonderheit vorzuweisen: Hier steigt die Zahl deutscher Arbeitnehmer. In allen anderen Regionen in Sachsen und in ganz Ostdeutschland ist das nicht der Fall.
„Nur Leipzig profitiert in Sachsen noch von einem Beschäftigungsanstieg der deutschen Staatsbürger“, teilt die Landesarbeitsagentur in Chemnitz auf Nachfrage mit. Im Jahresvergleich seien in der Messestadt über 1400 zusätzliche Arbeitsverhältnisse mit Deutschen entstanden.
In Sachsens Landeshauptstadt ist die Zunahme ausländischen Beschäftigten zu verdanken
Das entspricht einem Beschäftigungsanstieg von 0,5 Prozent. Leipzig sei damit nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Ostdeutschland eine Ausnahme.
In Dresden stagniert die Zahl deutscher Beschäftigter. Alle anderen Regionen Sachsens verzeichnen einen Rückgang. Am stärksten ist dieser in Mittelsachsen und dem Erzgebirgskreis (jeweils minus 2,1 Prozent).
Dass Dresden dennoch insgesamt knapp 3000 Beschäftigte mehr als vor einem Jahr hat, liegt am Anstieg der ausländischen Arbeitskräfte. Leipzig verzeichnet ein Plus von insgesamt 5000 zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Jobs – 2600 gehen auf das Konto ausländischer Beschäftigter. Die Zahlen sind jeweils von Ende 2023, verglichen mit dem Vorjahr.
Nur Leipzig profitiert in Sachsen noch von einem Beschäftigungsanstieg der deutschen Staatsbürger.
Klaus-Peter Hansen – Chef der Landesarbeitsagentur
Insgesamt ist in Sachsen ein demografisch bedingter Rückgang der deutschen Beschäftigten zu beobachten, sagt Klaus-Peter Hansen, Chef der Landesarbeitsagentur. Viele Arbeitnehmer scheiden aufgrund des Renteneintritts aus dem Berufsleben aus.
Gleichzeitig steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer kontinuierlich an und kompensiert diesen Rückgang. „Dies bedeutet, dass keine Arbeitsplätze von einheimischen Arbeitnehmern verdrängt werden. Vielmehr sorgt die Migration dafür, dass frei werdende Stellen, die durch den demografischen Wandel entstehen, neu besetzt werden können“, sagt Hansen.
Jeder zwölfte Beschäftigte in Sachsen ist Ausländer
Von den 1,65 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Sachsen haben 135.360 Menschen einen ausländischen Pass. Damit ist jeder zwölfte Beschäftigte in Sachsen ein Ausländer. Wobei der größte Anteil mit rund 72.000 aus der EU kommt, gefolgt von Staatsangehörigen aus Drittstaaten mit 63.000.
Die meisten von ihnen arbeiten im verarbeitenden Gewerbe, im Handel sowie im Heim- und Sozialwesen.
„So viele ausländische Menschen haben in Sachsen noch nie zuvor gearbeitet“, heißt es bei der Landesarbeitsagentur. Verglichen mit westdeutschen Bundesländern gäbe es hier aber noch viel Luft nach oben. Bundesweit liegt der Ausländeranteil an der Gesamtbeschäftigung bei 15,5 Prozent.
BMW hat Mitarbeiter aus fast 90 Nationen
Auf dem Land ist die Erwerbsmigration viel geringer. Hingegen ziehen Städte wie Leipzig viele Unternehmen an, was zu mehr Arbeitsplätzen führt, so Agenturchef Hansen. „In Leipzig gibt es eine gelebte Willkommenskultur, die die Integration und Beschäftigung von Ausländern ermöglicht“, sagt der Arbeitsmarktexperte. Bei BMW vor den Toren der Stadt arbeiten Beschäftigte aus fast 90 Nationen. Ähnlich sieht es bei Porsche, Siemens, DHL oder Amazon aus.
Seit 2013 sind in der Messestadt 61.200 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse entstanden. Dadurch werde Leipzig auch für Einpendler immer attraktiver.
Daten der Landesarbeitsagentur untermauern das: So pendeln aktuell 73.791 Leipziger zur Arbeit in einen anderen Kreis. Die Zahl der Einpendler, die also von außerhalb nach Leipzig zur Arbeit fahren, ist mit 104.889 Beschäftigten allerdings weit größer.
Überalterung: Sachsen im Mittelfeld
Hansen verweist auf eine Prognose: Während Leipzig und Dresden mit Zugewinnen rechnen könnten, verlieren bis 2032 einige Kreise in Sachsen mehr als jeden zehnten Einwohner im erwerbsfähigen Alter. Besonders betroffen sind das Erzgebirge, das Vogtland und Görlitz. Hinzu kommt, dass immer noch viele Sachsen zur Arbeit in westdeutsche Bundesländer pendeln, meist wegen der höheren Verdienste dort.
Überalterung ist aber keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal von Sachsen. Die stärksten Bevölkerungsrückgänge haben Sachsen-Anhalt, das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen vor sich. Sachsen liegt im Mittelfeld – noch dahinter sind Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.