Es wäre schön, wenn es keine Ironie wäre. Doch der Geschäftsführer der Elektro-Fröde Dienstleistungs-GmbH aus Wehlen, Michael Brune, kann es nur mit Augenzwinkern sagen: "Ab morgen klingeln bei uns bestimmt die Telefone heiß." Brune hat sich gerade mit Kollegen die neuen Großplakate auf dem Pirnaer Sonnenstein angeschaut. Auf ihnen ist die komplette Belegschaft der Handwerksfirma zu sehen. Daneben prangt die Bitte: Komm in unser Team! Die 28 Mitarbeiter können den Arbeitsaufwand allein nicht mehr bewältigen. "Wir würden gern fünf zusätzliche Mitarbeiter einstellen", sagt Brune.
Aufträge gäbe es genug. Die könne der Betrieb aber nicht mehr annehmen, weil auf herkömmlichem Wege keine Mitarbeiter mehr zu finden sind. Deshalb bildet das Unternehmen selbst aus und beteiligt sich an einer bundesweiten Werbekampagne, die online und auf Papier läuft. Brune glaubt zwar nicht daran, dass sich nun Dutzende Bewerber melden. "Aber wir wollen alles versuchen", sagt er. Werbung gehöre da zum Handwerk.
Aufträge, die nicht angenommen werden können, dämpfen die Konjunktur. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat bei ihren Mitgliedern den Fachkräftemangel deshalb als größtes Betriebsrisiko ausgemacht. Das bereitet auch Handwerksfirmen zunehmend Sorge. "Bei uns ist das Betriebsrisiko Nummer eins aber weiterhin eine schlechte Zahlungsmoral", sagt Gunter Arnold, der Chef der Kreishandwerkerschaft Südsachsen, zu der zahlreiche Handwerksinnungen aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehören. Komme das Geld nicht wie verabredet, könne das ein Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. Aber auch die geforderte Bürokratie nehme immer mehr zu. "Das belastet die Handwerksbetriebe", sagt die Geschäftsführerin der hiesigen Handwerkerschaft, Antje Reichel. Ganz verrückt werde es, wenn beispielsweise steuerliche Änderungen sogar rückwirkend gelten. "Da sind Aufträge teilweise schon abgerechnet", sagt Arnold.
Dass sich die Lage bei den Handwerkern etwas anders darstellt als in Industriebetrieben, erklärt Arnold so: Wenn Handwerksbetriebe nicht die nötigen Kapazitäten haben, nehmen sie keine weiteren Aufträge an. Industriebetriebe planen aber viel langfristiger, über mehrere Jahre. Maschinen, die Millionen Euro gekostet haben, müssen sich amortisieren. Da geht es um ein viel größeres Auftragsvolumen, um eine Auslastung im Drei-Schicht-Betrieb. Wer dafür nicht genügend Mitarbeiter findet, bekomme Schwierigkeiten.
Im Ringen um die besten Mitarbeiter hat sich die hiesige Elektro-Innung kürzlich auf der Messe Karriere-Start in Dresden präsentiert. "Das werden wir im nächsten Jahr aber nicht mehr tun. Dort finden wir nicht die Leute, die wir suchen", sagt Reichel. Effektiver sei Werbung direkt vor Ort, etwa beim Tag der Ausbildung am 1. September oder bei der Aktion "Schau rein!", die vom 11. bis 16. März im Landkreis läuft. Oder mit der aktuellen Kampagne im einheitlichen Design in regionalen Publikationen und auf Online-Portalen.
Die vier Großplakate der Firma Fröde – drei in Pirna und eines in Lohmen – wurden von der Krankenkasse IKK classic, dem Versicherer Signal Iduna und dem MEWA-Textil-Management unterstützt. Die drei Unternehmen bezeichnen sich als handwerksnah. "Geht es dem Handwerk gut, profitieren auch wir", sagt IKK-Regionalgeschäftsführer Bernd Amann.
Eines der Großplakate ist an einer Bushaltestelle angebracht. Das war zwar eher ein Zufall. Doch ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr liegt auch den Handwerkern sehr am Herzen. Eine gute Erreichbarkeit des Betriebs spiele bei Jugendlichen durchaus eine Rolle, wenn sie sich für eine Ausbildung entscheiden.
Michael Brune ist froh, dass er drei Lehrlinge ab dem kommenden Ausbildungsjahr gewinnen konnte. In den Bewerbungsgesprächen erklärte er auch, dass man nicht jeden Morgen nach Wehlen an den Stammsitz der Firma kommen muss, sondern die meisten Arbeitsfahrten in Pirna beginnen. Ob die drei Lehrlinge tatsächlich anfangen, sei aber erst am ersten Ausbildungstag im August klar. "Da haben wir schon alles Mögliche erlebt", bestätigt Kreishandwerker-Chef Gunter Arnold. Das erschwere natürlich die Planung. Arnold rät Jugendlichen, das Handwerk bei der Berufswahl ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Es habe goldenen Boden. "Weil es eine sichere Zukunft hat", sagt er.
Von Gunnar Klehm
Foto: Norbert Millauer