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„Der Brähmig ist kein Auslaufmodell“

Erstmals spricht der Ex-Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig über seine größte Niederlage und sagt, was er vorhat.

Lesedauer: 5 Minuten

Jeder Mensch hat seinen Lieblingsplatz. Der von Klaus Brähmig liegt hinter seiner Doppelhaushälfte in Papstdorf in der Sächsischen Schweiz. Spektakulär ist sie nicht, die Gartenlaube aus einfachem Holz mit einem Kruzifix an der Giebelseite. Erst wenn man sich umdreht und am Doppelhaus entlang in die Landschaft blickt, wird die Wahl des langjährigen Bundestagsabgeordneten verständlich. "Herrgottswinkel" nennt er diese Ecke, von der er direkt auf die schroffen Felsen des Papststeins schaut. Erhaben und einzigartig ist dieser Blick.

Früher, erzählt Brähmig seinen Gästen, empfing er hier Vertreter des Berliner Politikbetriebs, führte Gespräche, spann Netzwerke. Heute hat der 61-Jährige mehr Zeit, sich allein hierher zurückzuziehen. Seine fast 30-jährige Bundestagskarriere endete im September 2017 mit der Abwahl.

Ob und wie es für ihn als Politiker weitergehen soll, dazu hat sich Brähmig seitdem nicht geäußert. Aber Signale gesendet, die Raum für Spekulationen boten. Zum Gespräch mit den Redakteuren Domokos Szabó und Gunnar Klehm sitzt er nicht im Herrgottswinkel, sondern im Wohnzimmer, unter vielen Büchern und historischen Bildern.

Herr Brähmig, in den vergangenen zwei Monaten haben Sie laut Ihrer Facebook-Seite an 30 öffentlichen Veranstaltungen teilgenommen. Ist das Ihre Abschiedstour oder bereiten Sie die Rückkehr auf die politische Bühne vor?

Auf Facebook sehen Sie nur einen Bruchteil von dem, was ich mache. Seit meiner Abwahl als Bundestagsabgeordneter im September 2017 habe ich etwa 500 Termine gehabt, die ich entweder selbst organisiert, an denen ich mitgewirkt habe oder zu denen ich eingeladen war. Es gibt doch viele Leute, die meinen: Der Brähmig ist kein Auslaufmodell. Es ist auch niemand auf die andere Straßenseite gegangen, weil ich nicht mehr Abgeordneter bin, was auch hätte passieren können. Aber das ist nicht eingetreten.

Also muss man noch mal mit Ihnen rechnen?

Schauen wir mal. Ich habe keine Funktion mehr und ich brauche auch keine. Jetzt mache ich erst mal noch ein paar schöne Projekte unabhängig von politischen Dingen, wie etwa im Museum Pirna.

Sie schreiben jetzt immer vom Team K.B. Wer gehört dazu?

Alle, mit denen ich gemeinsam etwas mache. Das sind zu viele, um sie hier aufzuzählen.

Haben Sie Ihre Niederlage bei der Bundestagswahl überwunden?

Das war ja damals nicht in meiner Vorstellungskraft. Ich wüsste nicht, wer mir das hätte so prophezeien können. Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass die Wahl meiner Person heute – in nicht mehr so aufgeheizten Gegebenheiten – anders ausgehen würde.

Damals waren Sie der Auffassung, dass die Medien mit Schuld an Ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag sind. Sehen Sie das inzwischen differenzierter?

Nein. Dabei bleibe ich, dass meine Initiativen nicht so dargestellt wurden, wie es hätte sein sollen. Da nenne ich nur das Beispiel Breitband. Seit zehn Jahren bin ich da dran und habe viele Initiativen auf den Weg gebracht. In Pirna haben wir den ersten Breitband-Gipfel gehabt. Und was ist darüber geschrieben worden? Da habe ich einfach kein Gehör gefunden.

Gibt es auch eigene Fehler, die Sie gemacht haben oder etwas, das Sie heute anders machen würden?

Meine Arbeit habe ich damals gemacht wie immer, mit vielen Terminen und dem Ohr an der Masse. In Heidenau war ich in der Drogenmühle und habe mit Pegida-Leuten diskutiert. Im Tourismus habe ich jedes einzelne Problem aufgegriffen. Was ich anders hätte machen sollen, ist, meine Kritik an der Flüchtlings- oder Griechenland-Politik dezidierter zu äußern. Heute würde ich auch nie in eine Podiumsveranstaltung gehen, bei der ein Vertreter der AfD mit dabei ist, weil ich ja gar nicht weiß, ob diese Person nächste Woche überhaupt noch in dieser Partei ist. Den Effekt, dass Frauke Petry damals auch Bundesvorsitzende der AfD und damit medial ständig präsent war, haben wir unterschätzt. Das war für mich eine neue Situation. Da hätte man im Nachhinein eine andere Wahlkampfunterstützung organisieren müssen. Man darf auch nicht außer acht lassen, dass man ja damals als CDU Mitglieder ausschließen wollte und ganze Ortsverbände regelrecht aus der CDU herausgejagt hat. Stattdessen hätte man sich auf inhaltliche Diskussionen einlassen sollen.

Was Brähmig nicht sagt: Auch sein eigener Kreisverband stand nicht geschlossen hinter ihm. Bei der Nominierung – auf seinen Wunsch bereits ein Jahr vor der Bundestagswahl – forderten ihn drei Mitbewerber heraus.

Ist das Ergebnis von 2017 politisch aufgearbeitet? Hat die CDU die Talsohle durchschritten?

Ob die Talsohle durchschritten ist, weiß ich nicht. Ich beobachte ja nur noch.

Unterstützen Sie Ihre Partei nicht?

Wissen Sie, ich werde als Gesprächspartner angefragt von der SPD, den Grünen oder den Freien Wählern. Ich gehe sogar zu den Linken, wenn meine Expertise zum Tourismus gefragt ist. Von wem ich keine Anfrage bekomme, ist die CDU. Das macht mir aber auch keine schlaflosen Nächte.

Braucht die CDU im Landkreis einen Neuanfang? Sehen Sie Visionen, wie etwa Probleme mit dem relativ niedrigen Lohnniveau gelöst oder der Zusammenhalt wieder gefördert wird?

Im Landkreis hatten wir mal 20 Prozent Arbeitslosigkeit. Da liegen wir jetzt weit, weit drunter. Ich gebe zu, dass ich mal gegen den Mindestlohn war. Aber wie er jetzt von der Großen Koalition in Berlin umgesetzt wurde, bin ich von der Kritik abgerückt. Aber dass die Region hier jetzt als Aufmarschgebiet für jegliche Geistesblitze genutzt wird, von Höcke, Poggenburg und anderen, das ist für mich schon sehr bedenklich. Dieses Treiben unter dem Deckmantel der Demokratie darf man nicht so sang- und klanglos hinnehmen. In Glashütte wird jede Woche in die Schweiz transportiert, wie die politische Lage ist, weil dort massenhaft Anfragen aus der ganzen Welt kommen, ob die Uhren von irgendwelchen Nazis zusammengebaut werden. Trotzdem laufen hier immer noch welche wie Schlafwandler durch die Region. Da waren wir schon mal viel weiter.

Eine Wand in Brähmigs Haus ist eine Art Ikonostase – es hängen dort Porträts von Anton Graff und Adrian Zingg. Sie gelten als Mit-Erfinder des Begriffs "Sächsische Schweiz". Seit 1994 war Brähmig Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, setzte als Bundestagsabgeordneter viel in Bewegung, um den Fremdenverkehr in der Region zu fördern. Bis es Ende 2018 zum Eklat kam.

Sie sind vom Vorsitz im Tourismusverband Sächsische Schweiz zurückgetreten. Was sagen Sie denen, die Sie gern weiter an der Spitze gesehen hätten?

Bisher wollte mich keiner als Vorsitzenden zurückhaben. Aber ich bin nicht zurückgetreten, weil ich keinen Spaß mehr an der Aufgabe gehabt habe. Ich hatte auch einen Plan für die nächsten drei Jahre mit Schwerpunkten vorgelegt. Auf den jetzigen Rekordzahlen darf sich der Tourismus nicht ausruhen. Es stehen uns große Aufgaben bevor etwa bei der einheitlichen Gästekarte, im verstärkten internationalen Engagement, bei saisonverlängernden Maßnahmen oder anstehenden Betriebsübergängen.

Aber das war doch gar nicht umstritten. Zum Eklat kam es doch erst, als es um die Wahl des Vorsitzenden ging …

Kritik kann ich ja vertragen. Aber wenn man quasi an den Pranger gestellt wird und unsachliche Vorwürfe bekommt, das gehört sich nicht. Es wurden Anträge gestellt, die satzungswidrig waren, weil Fristen nicht eingehalten wurden. Als Vorsitzender wollte ich das nicht mittragen. Dass mir der Rücktritt nach den vielen Jahren nicht leicht gefallen ist, können Sie sich vorstellen. Aber hier ist ein Vertrauensverhältnis ramponiert worden und ich will immer aufrechten Ganges Räume betreten und so auch wieder verlassen.

Wovon leben Sie jetzt?

Das ist ja kein Geheimnis, das kann jeder nachlesen. 18 Monate lang habe ich ein Übergangsgeld von 9 000 Euro bekommen. Ab Mai erhalte ich eine Pension von etwa 5 900 Euro, die natürlich versteuert wird. Also ich habe mich nicht zu beklagen.

 

Es fragten Domokos Szabó und Gunnar Klehm.

Foto: Daniel Schäfer

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