Leipzig. Der Flughafen Leipzig/Halle will vom rasanten Wachstum der chinesischen Online-Händler Temu und Shein profitieren – und Frachtflüge aus und nach Asien deutlich ausbauen. So kündigte es der Vorstandsvorsitzende der Mitteldeutschen Flughafen AG, Götz Ahmelmann, an. Einen ersten Erfolg kann der Airport-Chef bereits vorweisen: Seit Januar gibt es zwei wöchentliche Frachtflüge aus China – mit an Bord: Waren von Online-Händlern wie Temu.
Doch das soll erst der Anfang sein, betont Ahmelmann. „Wir streben ein deutliches, zweistelliges Wachstum an.“ Wird der Flughafen Leipzig/Halle, immerhin Deutschlands zweitgrößter Frachtairport, also zur Drehscheibe für Waren aus China? Und das in Zeiten, in denen die Anbieter gerade europaweit in der Kritik stehen?
Welches Unternehmen hinter den Frachtflügen steckt
Das Unternehmen, das hinter den Flügen steckt, hat jedenfalls große Pläne. Shaoke Logistics heißt die Firma, die sich als Anbieter für Komplettlösungen rund um den E-Commerce, also Online-Handel, versteht. Shaoke organisiert den Warentransport aus China in Länder weltweit, unterstützt bei der Abwicklung von Zollvorschriften – kurzum: Das Unternehmen deckt alle wichtigen Schritte der Lieferkette ab.
Für Handelsplattformen wie Temu und Shein hat das Vorteile: Sie können Geld sparen, da sie sich um all das nicht selbst kümmern müssen. Die Handelsplattformen bieten Waren wie Kleidung, Technik und Spielzeuge meist spottbillig an – die Auswahl ist groß, die Verkaufsmethoden sind bisweilen umstritten. Eingeführt werden die Produkte direkt mit dem Flugzeug.
Tägliche Flüge nach Leipzig/Halle sind geplant
Bisher kommen die Maschinen immer montags und freitags nach Leipzig/Halle, die Route führt vom chinesischen Urumqi über Taschkent nach Sachsen. Geladen haben die Boeing 767 rund 50 Tonnen Fracht, darunter eben Produkte, die Kundinnen und Kunden bei Temu, Shein und Co. bekommen.

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Auch der Chef des Logistikunternehmens Shaoke will die Flüge ausbauen. „Unser Ziel ist es, die Frequenz deutlich zu erhöhen – wir wollen noch in diesem Jahr auf einen täglichen Flug aufstocken“, erklärte CEO Chen Shi. Damit könne man die Anlagen optimal auslasten und gleichzeitig die Zollabfertigung effizienter gestalten.
Flugzeuge transportieren Waren zurück nach Asien
Die Arbeiten daran, heißt es vom Unternehmen, liefen intensiv. Doch ein Problem sei der Mangel an Charterflügen. Auf Airlines, die die Fracht letztendlich transportieren, ist das Unternehmen angewiesen – eigene Flugzeuge hat es nicht.
Leer verlassen die Maschinen den Flughafen in Schkeuditz nach dem Entladen schließlich nicht: Vor der Rückkehr wird der Stauraum mit Waren für den Export beladen. Laut Flughafen werden allgemeine Fracht, Pharmaprodukte, Autos und mehr nach Fernost transportiert. Doch warum setzt der Flughafen jetzt auf den Partner aus China?

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Warum der Flughafen auf China setzt
Eine Antwort findet sich beim Blick auf die wichtigsten Partner des Flughafens. Das ist in erster Linie der Logistikriese DHL. Mit Amazon Air hatte ein zweiter großer Player sein Drehkreuz geschlossen. Somit sucht der Flughafen nach weiteren Unternehmen und Kooperationen, um sich breiter aufzustellen. Wie Vorstandschef Ahmelmann betont, gehe es darum, die Infrastruktur gerade tagsüber noch weiter auszulasten. Denn bei DHL läuft der Betrieb vor allem nachts auf Hochtouren.
Der Airport will dabei international mit seiner Lage punkten. Bisher werden chinesische E-Commerce-Waren vor allem über den Flughafen Lüttich (Liège Airport) in Belgien importiert. Doch Ahmelmann weiß, wie er für den Airport in Schkeuditz werben kann. „Wir liegen als einer der ersten Einflugspunkte in Europa vorteilhaft auf der Landkarte“, sagt er.
Anbieter stehen in der Kritik
Es bleiben jedoch Risiken. Zum einen ist offen, ob das Unternehmen sein Ziel von täglichen Flügen erreichen kann, schon wegen des erwähnten Flugzeugmangels. Zweitens ist die Kritik an den Geschäftsmodellen der chinesischen Anbieter erheblich, man könnte auch sagen: Die EU hat ihnen den Kampf angesagt. So hat die EU-Kommission etwa eine Untersuchung gegen Shein wegen unlauteren und irreführenden Praktiken eingeleitet. Auch gegen Temu läuft ein Verfahren.
Ein manipulatives Webdesign, aggressive Verkaufstaktiken, gefälschte Produktbewertungen – die Kritikpunkte sind vielfältig. Nicht zuletzt gibt es Sicherheitsbedenken, da die Waren oft nicht den europäischen Standards für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz entsprechen. Flughafen-Chef Ahmelmann versichert, der Airport beobachte die Entwicklungen genau. Doch weist man im Management darauf hin, dass etwaige Regulierungen alle Marktteilnehmer gleichermaßen treffen würden. Mit seinen Vorteilen könne Leipzig/Halle europaweit punkten.