Er gilt als Mann mit einem guten Gespür fürs Geschäft. Dr. Wilhelm Zörgiebel ist Wirtschaftsingenieur. Er kam 1990 von München nach Sachsen, um den DDR-Betrieben bei der Privatisierung zu helfen – und er gründete schließlich selbst. Gemeinsam mit dem Mikrobiologen Jörg Gabert entstand die Diagnostik GmbH in Leipzig. Sie lieferte Schnelltests für Salmonellen und BSE. Das Geschäft lief gut.
Die Idee, vom Tier zum Menschen zu wechseln, reifte 1998. Auf einer Unternehmerreise nach Isreal lernte Zörgiebel Start-ups kennen, die mit Gentests hantierten. Ein Jahr später wurde die Biotype AG in Dresden gegründet. Das Unternehmen stellte DNA-Tests her, mit deren Ergebnissen unter anderem Bundes- und Landeskriminalämter ihre Täterdateien fütterten. Die Dateien für den genetischen Fingerabdruck waren erst im Aufbau, der Bedarf entsprechend groß und Biotype konnte sich gegen amerikanische Mitbewerber behaupten. „Weil man ein eigenes, deutsches Diagnostikinstrument wollte“, erinnert sich Zörgiebel zwei Jahrzehnte später.
Heute werden die DNA-Tests immer noch hergestellt, allerdings im Auftrag des internationalen Biotech-Konzerns Qiagen, der die Produktsparte und ihre Weiterentwicklung 2009 von Biotype übernommen hat.
Das Dresdner Familienunternehmen konzentriert sich nun stattdessen auf die innovative Genanalyse-Plattform „Modaplex“, sagt Zörgiebel. Gemeinsam mit Partnern wie dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden werden Testverfahren entwickelt, die bei Krebspatienten eine individualisierte Diagnostik ermöglichen. Daran schließt eine personalisierte Therapie an, die die Heilungschancen immens steigern könne.
Während früher Biotechnologiefirmen weitgehend autark an ihren neuen Produkten gearbeitet hätten, beginne die Kooperation mit den Kliniken heute schon im frühesten Entwicklungsstadium, sagt Professor Detlev Michael Albrecht, Vorstand der Dresdner Uniklinik. So können die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Produktentwicklung einfließen. Der Zeitdruck sei enorm, weil zum einen die Zahl der Patienten stetig steige und zum anderen das Wissen um die Erkrankungen, ihre Ursachen und Theapiemöglichkeiten rasant wachse.
Die Unternehmensgruppe von Zörgiebel, die zuletzt rund 25 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet hat, hat darauf reagiert. Sie wird in den kommenden Jahren rund 20 Millionen Euro in die Entwicklung und Produktion neuer Analysetechnik investieren. Das sei, so Zörgiebel, auch ein klares Bekenntnis zum Standort Dresden. Hier profitiere man nicht nur durch die enge Kooperation mit der Uniklinik und den Forschungseinrichtungen, hier finde man auch die gut qualifizierten Mitarbeiter.
Vier von fünf Beschäftigten haben einen Hochschulabschluss, rund 30 Prozent dürfen sich zudem mit dem Doktortitel schmücken. Während man in den Anfangsjahren mit Unterstützung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) gewachsen sei, nutze man heute Privatbanken und – bei einigen Projekten – auch die Sächsische Aufbaubank als Geldgeber.
Investoren seien willkommen, gerne auch aus dem Ausland, so Zörgiebel. Allerdings müssten die sich mit Minderheitsbeteiligungen zufriedengeben und jede Menge Geduld mitbringen, betont Zörgiebel. Biotechnologie sei keine Branche, in der man auf das schnelle Geld hoffen könne. So habe man bereits 2012 begonnen, an einem molekulardiagnostischen Test zu arbeiten, der die Behandlung von Prostatakrebs individualisieren soll. „Wir sind nach sieben Jahren weit gekommen, aber noch immer nicht marktreif“, sagt Zörgiebel.
Ein anderes Testverfahren, mit dessen Hilfe mehrere Formen von Nagelpilz genau identifiziert werden können, wird schon als Kit an Labore verkauft, aber bisher nur für Privatpatienten eingesetzt, weil die Mehrzahl der Kassen die Kosten nicht trägt.
Von Ines Mallek-Klein
Foto: © Biotype/Gerd Edler