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Der Fliesenkönig von Seerhausen

Wolfgang Kunath führt zwei Firmen. Warum der Mann aus Brandenburg die Sachsen mag und oft schlaflose Nächte hat.

Lesedauer: 3 Minuten

Dieses scheinbar antike Eingangstor vor der Halle fällt ins Auge. Wäre es aus Marmor, könnte es glatt von der Akropolis sein oder aus der syrischen Wüstenstadt Palmyra stammen. Doch es ist aus Beton. „Nichts Besonderes, das haben wir mal aus Italien mitgebracht“, sagt Wolfgang Kunath.

Aus Italien bezieht der 64-Jährige auch den Hauptteil seiner Waren, die er hier in seiner Firma in Seerhausen nahe der B 6 vertreibt. Seit 20 Jahren gibt es den Fliesenhandel Kunath. Die Geschäfte laufen gut. Der Kredit von 1,5 Millionen Mark, den er damals für den Bau aufnahm, ist längst zurückgezahlt.

Wolfgang Kunath stammt aus dem brandenburgischen Wainsdorf. Dort hat er vor 25 Jahren auch seine erste Firma gegründet, ebenfalls einen Fliesenhandel. Heute betreiben er und seine Frau Petra beide Firmen gemeinsam mit den Töchtern Madlen (42) und Nicole (38). 

„Seerhausen war für mich ein weißer Fleck, die nächsten größeren Fliesenhandel gibt es in Torgau und Radebeul. Ehe es ein anderer macht, habe ich hier einen Fliesenhandel aufgebaut“, sagt der gelernte Bauingenieur, der einst in der Bauinstandhaltung im Stahlwerk Gröditz und später im Kreisbau Großenhain arbeitete. „Dort hatte ich 300 Leute unter mir, verdiente 518 Mark monatlich“, sagt er.

Nach der Wende ist er bei einer Baufirma als Technischer Leiter angestellt, ehe er sich 1994 selbstständig machte. Die Idee hatte er schon 1989/90 mal, als in seiner Firma Kurzarbeit drohte. „Ich orientierte mich neu, war bei meiner Tante in den alten Bundesländern, wollte im Nebenjob im Außendienst Fliesen verkaufen“, sagt er. Das zerschlug sich ebenso wie die Idee, mit einem Kollegen eine GmbH zu gründen. „Arbeitslos wirst du nicht, habe ich mir gesagt“, so Kunath. Und nimmt seine Geschicke schließlich selbst in die Hand.

Auch wenn Wolfgang Kunath zwei Firmen betreibt, ist er doch die meiste Zeit in Seerhausen. „Es macht mir hier mehr Spaß, die sächsische Mentalität ist angenehmer“, sagt der Brandenburger. Auch in Meißen hatte er mal eine Filiale an der Poststraße. Nachdem diese zweimal im Hochwasser stand, machte er den Laden dicht. Und freut sich heute noch: „Alle anderen mussten neu fliesen. Meine Fliesen haben gehalten“, sagt er und lacht.

Liegt vielleicht daran, dass er besonders auf Qualität achtet. „Unsere Kunden haben hohe Ansprüche“, sagt er. Es gäbe einen riesengroßen Berg an Fliesen. „Da muss man sich die Sahnehäubchen raussuchen“, sagt er. Ein ganz besonderes Sahnehäubchen hat er in seinem 1 800 Quadratmeter großen Lager.

Es ist eine mit 24-karätigem Gold überzogene Fliese. Preis pro Quadratmeter: 4 200 Euro. Verkauft hat er davon nichts, das ist auch nicht gewollt. „Es ist ein Einzelstück, nur um zu zeigen, was es so alles gibt“, sagt er. Dabei sind die Kunden anspruchsvoller geworden, achten sehr auf Qualität, geben dafür auch gern mehr Geld aus.

Die Fliesen mit dem höchsten Preis, die er je verkauft hat, kosteten 400 Euro pro Quadratmeter. „Wir haben schon Bäder verkauft, da fallen Sie vom Glauben ab“, sagt er. Das ist aber die Ausnahme. Auch für zehn Euro gibt es bei Kunath schon Fliesen.

Die Firma verkauft zwar nur die Fliesen, arbeitet aber mit rund 35 Handwerksfirmen zusammen, welche die Fliesenlegearbeiten auch gleich ausführen. „Ein Kunde war sogar so begeistert, als er die fertige Arbeit sah, dass er uns zum Grillen eingeladen hat“, sagt der Wainsdorfer. Seine Kunden kommen auch aus Österreich und Montenegro, einer sogar aus Panama.

Erst kürzlich ging wieder eine Lieferung auf die Insel Usedom. „Natürlich freuen wir uns, wenn wir verkaufen können, doch vor allem soll sich der Kunde freuen. Wenn er sein neues Bad betritt, soll er ein Lächeln auf dem Gesicht haben, und wenn er es abends verlässt, dann auch“, sagt Wolfgang Kunath.

Durch die Zusammenarbeit mit den Handwerkern spürt auch er den Fachkräftemangel. Es gibt zwar „nur“ Wartezeiten von sechs bis acht Wochen, ehe ein Handwerker die Fliesen verlegen kann. „Doch die Zahl der Fliesenleger hat kontinuierlich abgenommen. Kaum einer will diesen schweren Beruf heute noch machen“, sagt er.

Der geschäftliche Erfolg hat seinen Preis. „Nachdem wir die hohen Kredite aufgenommen hatten, 1,2 Millionen Mark in Wainsdorf und 1,5 Millionen Mark hier, haben wir oft nächtelang nicht geschlafen“, sagt er. Auch heute drehe sich in der Familie fast alles um die Firma. „Obwohl wir nicht einen Euro Schulden mehr haben, kommt man nie richtig zur Ruhe“, sagt er.

Bald wird Wolfgang Kunath 65, wie lange will er noch hier arbeiten? Solange es die Gesundheit erlaube, sagt er, so bis 70. „Die Arbeit hier, ist für mich eine Leidenschaft.“

 

Von Jürgen Müller

Foto: ©  Sebastian Schultz

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