Luisa Zenker
Belgern-Schildau/Staritz. Das Jahr 2024 war eines der besten seit 20 Jahren für die Landwirtschaft: gestiegene Erlöse für Milch, Getreide, Ölfrüchte, Schweine. Das geht aus dem neuesten sächsischen Agrarbericht hervor, der diesen Freitag zum Start der Getreideernte veröffentlicht wurde. Auch diese Saison soll laut Landesbauernverband ein gutes Durchschnittjahr werden.
Also, alles gut? Nein, denn auf der anderen Seite befinden sich die Getreidepreise auf Tiefstand. Der Ackerbau sei ein Verlustgeschäft, so Landesbauernpräsident Torsten Krazwyck. Und es gibt noch weitere Herausforderungen für die Landwirtschaft:
Zahl der Biobetriebe geht zurück
Ein Drittel der Agrarflächen sollen in Deutschland bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Das ist das Ziel des CDU-geführten Bundesagrarministeriums. Sachsen hinkt dabei hinterher. Aktuell wird ein Zehntel der sächsischen Flächen ökologisch bewirtschaftet, in Brandenburg sind es 21,8 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 25,4 Prozent. Das habe mit den unterschiedlichen Förderhöhen in den Bundesländern zu tun, nennt Burkhard Schmied eine Ursache, er ist Abteilungsleiter für Agrarpolitik im Bundesagrarministerium. Zuletzt ging im sächsischen Ökolandbau die Zahl der Höfe von 958 auf 924 leicht zurück, auch die Fläche stagnierte.
Die sächsische Bio-Landwirtin Josephine Moog erklärt sich die Zurückhaltung beim Ökolandbau mit dem politischen Kurswechsel: innerhalb eines Jahres wechselten auf Landes- und Bundesebene die Agrarminister von den Grünen zur CDU: „Wenn nicht klar ist, welches Ziel gilt, dann überzeugt man die Betriebe auch nicht.“ Die Minderheitskoalition aus CDU und SPD hatte im Entwurf für den Landeshaushalt beschlossen, die Fördergelder für den ökologischen Landbau teilweise zu streichen. Demgegenüber steht eine Verschlechterung der Artenvielfalt auf den sächsischen Agrarflächen.
Der Ökolandbau erfährt derzeit laut Agrarministerium eine Kehrtwende und kommt wieder in Schwung. Der Verkauf von Bioprodukten verlagert sich vom Hofladen und Fachgeschäft in den Discounter, wo der Preisdruck stärker ist. „Durch ihre effektive Logistik sind sie in der Lage, den Kunden günstige Preise anzubieten“, kommentiert das Agrarministerium. Doch ob Bio oder nicht: Kleinere Höfe geben auf, weil es schwieriger wird auf dem Markt.
Der Kampf um Boden nimmt weiter zu
Mehr Industrie und Photovoltaik: Die landwirtschaftlichen Flächen verschwinden. Und da das Interesse am Boden stetig wächst, steigt auch der Preis.
So beträgt der durchschnittliche Preis 16.460 Euro pro Hektar Land, 27.700 Euro waren es im Landkreis Leipzig. 2018 betrug der Durchschnittspreis noch rund 14.000 Euro pro Hektar. „Die Renditen für die Grundstückseigentümer betragen oft das Zehnfache der mit Landwirtschaft zu erwirtschaftenden Preise“, erklärt das Ministerium.
Acht Prozent der verkauften Flächen haben 2024 Nichtlandwirte gekauft. Um dagegen vorzugehen, hatte sich die vergangene Koalition aus CDU, SPD, Grüne auf ein Agrarstrukturgesetz geeignet, auch damit viele Hände den Boden besitzen. Letztendlich hat es die CDU platzen lassen. „Es gibt kein Gesetz, welches landwirtschaftliche Flächen wirksam vor dem Ausverkauf an Investoren schützt. Will Minister von Breitenbuch die kritische Infrastruktur für Ernährung und Energieproduktion hierzulande überhaupt schützen?“ , kritisiert deshalb Reiko Wöllert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL).
Zuletzt hat die „Deutschen Agrar Holding“ (DAH) mehr als 20.000 Hektar bewirtschaftete Fläche an den australischen Infrastruktur-Investor „Igneo Infrastructure Partners“ verkauft, der unter anderem der Mitsubishi UFJ Trust and Banking Corporation in Japan gehört. Nach eigenen Aussage plant Igneo die Umwandlung von etwa 1400 Hektar in Photovoltaik-Flächen. Die ABL fordert daher ein Agrarstrukturgesetz, um den Ausverkauf der Böden an Investoren zu stoppen.
Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk kritisiert solch ein Gesetz: „Vater Staat sollte sich nicht zu sehr einmischen. Dennoch müssen wir die heimische Landwirtschaft schützen.“ Er schlägt eine Preisegrenze für überteuerte Agrarflächen vor. Auch damit es nicht noch weniger sächsische Lebensmittel gibt.
Wasser wird knapper
Sachsen fehlt der Jahresniederschlag von anderthalb Jahren. Das Frühjahr 2025 war laut dem Deutschen Wetterdienst eines der wärmsten und trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, 2024 war das trockenste Jahr. An einem Großteil der Messstellen liegt die Niederschlagsmenge fast einen halben Meter unter dem zehnjährigen Durchschnitt.
Wir werden mehr Landwirtschaftsflächen beregnen müssen – Knut Schmidtke, Professor für Ökologischen Landbau an der HTW Dresden
„Wir haben eine Frühjahrstrockenheit“, bestätigt auch der sächsische Landwirtschaftsminister von Breitenbuch (CDU). Besonders betroffen sind die Regionen Görlitz, Leipzig, Dresden. Dort wird mehr Wasser entnommen, als durch Niederschläge zurückkommt. „Wir werden mehr Landwirtschaftsflächen beregnen müssen“, erklärt Knut Schmidtke, Professor für Ökologischen Landbau an der HTW Dresden.
Um Konflikte zu vermeiden, schlägt Professor Schmidtke „regionale Runde Tische für Wasser“ vor. Ein Konzept für den Umgang mit Dürre gibt es in Sachsen bisher nicht, an einem „Niedrigwasserkonzepts“ wird gearbeitet, kann aber noch Jahre andauern. Die Landwirte appellieren deshalb für eine Elementarschadensversicherung, um Betriebe gegen Extremwetter zu schützen. Auch Minister von Breitenbuch befürwortet sie. Dennoch erklärt er, dass Versicherungen Zufälle absichern, nicht aber prognostizierte Klimaveränderungen. Für die sächsischen Lebensmittel bedeutet der Klimawandel vor allem eines: Sie werden vielfältiger, denn die Landwirte müssen ausprobieren, welche Sorten gut mit den Veränderungen zurecht kommen.
Weniger Fleisch aus Sachsen
Nur jeder zweite Sachse kann sich von regionalem Schweinefleisch ernähren. In Sachsen nimmt die Zahl der Nutztiere stetig ab: Allein bei den Rindern wurden im Vergleich zu 2023 rund 12.000 Tiere weniger gezählt.
„Der Nachwuchs will lieber auf den Mähdrescher als in den Stall.“ – Katrin Mittelstädt, Geschäftsführerin vom Landgut Staritz
Auch die Schweinebestände sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Das Landwirtschaftsministerium führt dies insbesondere auf die Afrikanische Schweinepest, die niedrigen Schlachtpreise, die investitionsstarke Umrüstung der Ställe auf mehr Tierwohl zurück.
Ein Grund dafür ist auch, dass es in Sachsen seit einigen Jahren keinen großen Schlachthof mehr gibt. Deshalb müssen die Tiere oft über weite Strecken transportiert werden. Der Trend geht deshalb hin zur mobilen Schlachtung mit Transporter vor Ort. Geschäftsführerin Katrin Mittelstädt vom Landgut Staritz nennt zudem den Fachkräftemangel: „Der Nachwuchs will lieber auf den Mähdrescher als in den Stall.“
SZ