Suche
Suche

DHL setzt bis 2053 auf den Leipziger Flughafen

Die Posttochter zahlt künftig mehr für ihr Luftfrachtkreuz. Dennoch jubeln nicht alle, bleiben Fragen offen. Sie sollen auch im Landtag geklärt werden.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht DHL-Vorstandsvorsitzende Tobias Meyer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
Der DHL-Vorstandsvorsitzende Tobias Meyer (r.) und Sachsens MP Michael Kretschmer besiegeln die Vertragsverlängerung für das Frachtzentrum am Flughafen Leipzig. © dpa/Hendrick Schmidt

Von Michael Rothe

Jetzt ist es amtlich: Der Logistikriese DHL bleibt auch in den kommenden Jahrzehnten am Flughafen Leipzig-Halle. Die Posttochter hat den Rahmenvertrag mit der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) am Mittwoch vorzeitig um weitere 15 Jahre bis 2053 verlängert und trägt so wesentlich zur Stabilität und Zukunftsfähigkeit des Airports und seines Betreibers bei.

Der MFAG, zu der auch der Dresdner Flughafen gehört, fehlen laut einem Sanierungsgutachten von 2024 bis 2026 in Summe 145 Millionen Euro. Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten jüngst eine Staatshilfe von 100 Millionen Euro zugesagt – eine Bedingung für neue Bankenkredite. 11,6 Millionen Euro soll das Unternehmens selbst beitragen: durch ein besseres Betriebsergebnis 2023 und stärkere Einsparungen.

Dabei setzt der Konzern, der zu gut 77 Prozent dem Freistaat gehört, auch auf einträglichere Geschäfte mit seinem größten Kunden. Lärmgestörte Anwohner und Teile der Landespolitik fordern seit Jahren eine Korrektur der bisherigen Billigverträge – Nachwehen massiver Konzessionen, um den Weltkonzern DHL 2008 in den deutschen Osten zu holen.

Die Deutsche Verkehrszeitung hatte berichtet, dass die MFAG, vor allem höhere Landeentgelte durchgesetzt habe. Demnach zahlt der Expressdienstleister künftig 73 Millionen Euro pro Jahr an den Flughafenbetreiber – zwölf Millionen Euro mehr als bisher. Hinzu kämen höhere Gebühren für die Enteisung von Flugzeugen und die Instandhaltung des Vorfeldes. Diese Angaben wurden bislang nicht dementiert.

„Auch wenn wir nunmehr bereits in der Restlaufzeit des Altvertrages deutlich höhere Entgelte zahlen, ist das Ergebnis wirtschaftlich tragfähig“, sagt Tobias Meyer, Vorstandschef der DHL Group, zum neuen Vertrag. Für den Manager ist das Drehkreuz „ein wichtiger Motor für die Wirtschaft Mitteldeutschlands“. Die Vertragsverlängerung gebe dem Logistikriesen „Planungssicherheit, die weitere Investitionen in den Standort ermöglicht und langfristige Sicherheit für die Arbeitsplätze“, so der DHL-Chef vor gut 100 Gästen des Festakts.

Leipzig spielt für Jahrzehnte zentrale Rolle im DHL-Netz

Bisher hat der Konzern am Standort rund 780 Millionen Euro investiert und über 7.000 Arbeitsplätze geschaffen. Hinzukommen Tausende Jobs im Umfeld der Ansiedlung. Wie es von DHL heißt, will der Konzern am Ausbau der Vorfelder festhalten. Der Flughafen werde für Jahrzehnte eine zentrale Rolle im globalen Logistiknetzwerk des Konzerns einnehmen.

Manager Meyer bedankt sich „ausdrücklich bei der sächsischen Landesregierung für das kontinuierlich starke Engagement für den Standort“. Gleichzeitig hoffe er, „dass die MFAG ihre Strukturprobleme erfolgreich bewältigt und sich auch das Geschäft jenseits von DHL positiv entwickelt“.

Die Ankündigung des Logistikriesen, sein europäisches Luftfrachtkreuz von Brüssel zum Flughafen in Schkeuditz zu verlegen, wird im November 20 Jahre alt. Der Knoten stehe „für die sächsische Erfolgsgeschichte, auf die wir im Freistaat stolz sind“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Innerhalb von nur 16 Jahren sei der Flughafen zu einem der weltweit wichtigsten Zentren für Luftfracht gewachsen. „Die verlängerte Partnerschaft mit DHL stellt sicher, dass Sachsen im zunehmenden internationalen Handel eine führende Rolle spielen wird“, so Kretschmer im DHL-Hangar. Das SPD-regierte Wirtschafts- und Verkehrsministerium überließ dem Premier die Bühne und wollte sich auf SZ-Anfrage nicht äußern.

„Schnäppchen für DHL zum Nachteil der Allgemeinheit“

Nach Ansicht der Linken in Sachsens Landtag ist der neue Vertrag „für den Milliardenkonzern DHL ein Schnäppchen, für die staatliche Flughafengesellschaft nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ und „ein schlechtes Geschäft für die Allgemeinheit“. Die Einigung bringe die MFAG, die seit vielen Jahren zweistellige Millionenverluste schreibe, nicht aus den dunkelroten Zahlen. Die Fraktion beantragte eine Sondersitzung des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses für den 7. August. Dann soll die Staatsregierung die Vereinbarungen zu Start- und Landegebühren, Lärmzuschlägen, umweltbezogenen Entgelten und weiteren Gebühren offenlegen.

Der Freistaat hatte sich massiv für die DHL-Ansiedlung und für den Ausbau des Flughafens starkgemacht – was die Wettbewerbshüter in Brüssel auf den Plan rief. Die EU-Kommission hatte eine Landesgarantie über 500 Millionen Euro gekippt, 350 Millionen Euro Zuschuss für die neue Landebahn aber genehmigt – wie 2014 auch nachfolgende Subventionen.

Für MFAG-Chef Götz Ahmelmann, der sich nach dem Festakt nur schriftlich äußert, war die DHL-Ansiedlung „ein Schlüsselimpuls für die Region“. Die Entwicklung des Frachtdrehkreuzes festige die Position des Flughafens Leipzig-Halle als einen der bedeutendsten Cargo-Airports in Europa.

Leipzig ist das größte von drei globalen Hubs im Netzwerk von DHL Express. Pro Nacht werden dort 2.000 Tonnen Fracht in Form von 350.000 Sendungen umgeschlagen und von durchschnittlich 75 Maschinen pro Werktag zu gut 50 Zielen geflogen.

Keine Abstriche am nächtlichen Flugverkehr

Das missfällt vor allem Tausenden lärmgestörten Anwohnern. Der neue Vertrag ändert nichts an ihrer nächtlichen Belästigung. „Kern des Expressgeschäfts ist es, angelieferte Sendungen am folgenden Tag am Bestimmungsort auszuliefern“, sagt DHL-Sprecher Persson und: „Ohne einen 24-Stunden-Betrieb kann ein Drehkreuz für Expressfracht nicht betrieben werden.“

Die Bürgerinitiative IG Nachtflugverbot vermisst dennoch Aussagen zu verbessertem Lärmschutz, zum Verbot besonders lauter Flugzeuge, zu nächtlichen Lärmbeschränkungen und -kontingenten. Sie spricht von einem „Freiflugschein für DHL zu einem absoluten Dumpingpreis und ohne dass Rücksicht auf die Umwelt und den Gesundheitsschutz der Anwohner genommen werden muss“. Da der Vertrag bereits unterschrieben worden sei, wisse Michael Kretschmer womöglich schon, wie das laufende Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Frachtflughafens ausgeht, mutmaßt die Interessengemeinschaft.

Die Landesdirektion (LDS) verneint einen Einfluss. Solche Verfahren seien „streng formalisierte, gesetzlich geregelte Genehmigungsverfahren“. Die Behörde treffe „eine eigenständige und unabhängige Abwägungsentscheidung“, auch sei die LDS nicht in die Verhandlungen eingebunden gewesen. „Es ist beabsichtigt, das Planfeststellungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen“, heißt es auf SZ-Anfrage.

Das könnte Sie auch interessieren: