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Die Brückenbauerin

Clara Gruitrooy ist von Berlin nach Dresden gezogen, um einen Campus für internationale Arbeitnehmer und Geflüchtete aufzubauen.

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Frau steht lächelnd vor dem Schriftzug ihrer Firma.
Clara Gruitrooy ist die Gründerin der OWYO GmbH. Ihrer Erfahrung nach geht es bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt oft um ganz pragmatische Fragen. Foto: Veit Hengst

Von Nora Miethke

Dresden. Im ehemaligen Eventwerk, einer alten Fabrikhalle im Dresdner Industriegelände, ist an diesem Frühlingsnachmittag kaum ein Geräusch zu hören. So leise sei es immer gewesen, auch, als hier noch rund 380 junge minderjährige Flüchtlinge in der Asylunterkunft untergebracht waren, berichtet Clara Gruitrooy, Gründerin der OWYO GmbH. Sie wollte auf ganz kurzem Weg mit ihnen arbeiten, sie aus- und weiterbilden für den sächsischen Arbeitsmarkt. Doch vor einigen Wochen sind sie in eine andere Unterkunft umgezogen. „Jetzt werden die Wege zwar länger und das Kontakthalten aufwendiger, doch unsere Ziele bleiben davon unbeeinflusst“, sagt Gruitrooy.
Seit Wochen sorgen große Schilder an der Hausfassade mit dem Schriftzug „OWYO“ für Neugierde. OWYO steht für „Owe yourself a future“ – Nimm deine Zukunft selbst in die Hand, erklärt Gruitrooy. Dahinter verbirgt sich ein internationaler Aus- und Weiterbildungscampus, den Guitrooy und Florian Zweig, der Eigentümer der Immobilie, gemeinsam aufbauen wollen.

Dafür haben sie im Sommer 2024 eine Firma gegründet. Die Vision ist es, den OWYO Campus zu einem Dach zu machen für internationale Fachkräfte und für jene, die es werden wollen – mit Fokus auf Dresden und Sachsen. Menschen sollen durch gezielte Weiterbildungsprogramme und kulturellen Austausch auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Und Mittelständler eine Anlaufstelle finden, die mit individuellen Schulungen, Praktika, Personalberatung und Vermittlung bei der Fachkräftegewinnung unterstützt. „Wir wollen ein Pilotprojekt für die Integration internationaler Fachkräfte werden“, sagt die Neu-Dresdnerin.
Sie hat sich viel vorgenommen. Die sächsische Landeshauptstadt hat im vergangenen Jahr rund 1.600 Geflüchtete in ihren Erstaufnahmeeinrichtungen neu aufgenommen und rechnet mit einer ähnlichen Anzahl auch in diesem Jahr. Derzeit leben etwa 4.300 Geflüchtete in Unterkünften des Sozialamts. Die meisten kommen aus Venezuela, Syrien und der Ukraine. Inzwischen haben zwölf Prozent der Einwohner von Dresden einen ausländischen Pass.
Die Idee von Florian Zweig habe sie sofort überzeugt, sagt Guitrooy. Dafür ist die 42-Jährige vor einem halben Jahr mit ihren zwei Töchtern von Berlin nach Dresden umgezogen. Trotz Warnungen aus ihrem privaten Umfeld, ob sie wüsste, was sie tue, sei ihr klar gewesen: „Wenn ich dieses Projekt umsetze, dann nur mit einem Umzug.“ Sie seien auf das herzlichste willkommen geheißen worden. Ihre Töchter fühlten sich sehr wohl, berichtet die alleinerziehende Mutter. Der Sprung ins Ungewisse sei gelungen.

Allerdings bemängelten ihre Töchter schon, dass sie in den ersten Wochen abends öfter allein zu Hause waren. Clara Guitrooy nutzte viele Einladungen zu Netzwerk-Empfängen, um sich und ihre Idee vorzustellen und neue Leute kennenzulernen. Viele finden die Vision gut, sie erhalte große Zustimmung, höre aber auch Vorbehalte wie die Deutschkenntnisse reichen nicht, die eigene Belegschaft müsse mitgenommen werden oder man habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Auch die Flüchtlinge selbst müssten erst lernen, Vertrauen aufzubauen. Dennoch ist sie fest davon überzeugt, „dass wir das gemeinsam schaffen werden“.

Viele Kontakte gesammelt
Guitrooy und Zweig nutzten das erste halbe Jahr, um – unter dem Radar der Öffentlichkeit – ins Tun zu kommen, ein zehnköpfiges Team aufzubauen und erste Programme zu entwickeln. Guitrooy bringt 15 Jahre Erfahrungen und viele internationale Kontakte aus der Arbeit in einer Nichtregierungsorganisation mit. Sie war Mitbegründerin und Generalsekretärin des deutsch-arabischen Ländervereins für Wirtschaftszusammenarbeit (EMA) mit, der Mentoring-Programme und Frauenforen für Unternehmerinnen aus Deutschland, Nordafrika und dem Nahen Osten betreute. Früher wie heute ist ihr Anliegen, mit Vorurteilen aufzuräumen.
Viele Flüchtlinge beklagten, dass sie nie gefragt wurden, in welchem Bereich sie arbeiten möchten. Da gehe es nicht um überzogene Idealvorstellungen, so Guitrooy, sondern um pragmatische Wege, jemandem, der vor seiner Flucht zum Beispiel in einem Malereibetrieb arbeitete, die Chance zu geben, dies wieder zu tun. So sollen auf dem Campus Werkstätten aufgebaut werden, in denen Unternehmen die Fähigkeiten von jungen Asylbewerbern im Alter von 18 und 35 Jahren testen können. Es werde zu strikt zwischen internationalen Fachkräften und Geflüchteten unterschieden. „Dabei haben alle Fähigkeiten, die deutsche Unternehmen suchen und nutzen können. Wir wollen, dass alle gefördert werden“, betont die Gründerin.
Sie und ihr Team haben bereits ein komplettes System der Personalüberlassungsvermittlung aufgebaut. Deutsch-Lernprogramme sollen die Wartezeit auf die obligatorischen Sprachkurse überbrücken. Eine App ist in Arbeit, um die Kommunikation mit den Geflüchteten wie mit den Netzwerkpartnern zu erleichtern. „Wir sehen uns als Beschleuniger bei der Integration“, sagt die OWYO-Chefin. Sie hätte erwartet, dass es eine solche Einrichtung schon längst gäbe. Aber weder in Hamburg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen habe sie etwas Vergleichbares in dieser Größenordnung gefunden.

Am 10. März luden die OWYO-Initiatoren dann zur ersten großen Veranstaltung ein, um sich der Dresdner Öffentlichkeit zu präsentieren. Unter dem Motto: „Die Demokratie hört nicht am Werkstor auf“ wurde über die Notwendigkeit der Integration und Lösungsansätze diskutiert. Dresdens Sozialbürgermeisterin Kris Kaufmann saß mit auf dem Podium. Ihrer Ansicht nach komme Unternehmen eine bewusste Verantwortung zu. Sie sollten aktiv Vielfalt einfordern durch eine klare Haltung gegen Diskriminierung. „Egal, ob Menschen hier Zuflucht und Schutz suchen oder als Spezialisten kommen, sie alle stärken die Internationalität unserer Stadt“, forderte Kaufmann ein. Und Clara Guitrooy lud ein: „Sie alle sind gefragt, diesen Campus mit Leben zu füllen.“

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