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Die ganz persönliche Diagnose

Lesedauer: 3 Minuten

Biotype in Dresden arbeitet an der personalisierten Medizin. So wird das Labor flinker.

Von Georg Moeritz

Ein Wattestäbchen in die eigene Nase, dann in eine Flüssigkeit, drei Tropfen auf einen Teststreifen – damit ist in vielen privaten Badezimmern in den vergangenen Monaten ein privates Corona-Testlabor entstanden.

Medizinische Diagnostik wird so immer bekannter, und die Nachfrage steigt, sagt Timm Zörgiebel. Der 40-Jährige ist Geschäftsführer der Qualitype GmbH und damit zuständig für die Software-Einheit der Zörgiebel-Firmengruppe MDG Molecular Diagnostics Group in Dresden-Hellerau. Sein Vater und Firmengründer Wilhelm Zörgiebel hat dort zu Beginn der Corona-Krise zeitweise eine Produktionsstrecke für PCR-Tests aufgebaut und den erzielten Millionenumsatz inzwischen in neue Laborausstattung gesteckt.

Die Zörgiebel-Familie rechnet damit, dass nun personalisierte Medizin an Bedeutung gewinnt. „Wir wollen die sächsischen Potenziale dafür nutzen“, sagt Wilhelm Zörgiebel. Laborgeräte und passende Flüssigkeiten seines Unternehmens Biotype GmbH sollen dazu beitragen, die Diagnose von Krebserkrankungen genauer zu machen und auch zu beschleunigen. Die Forschung zu Eierstockkrebs beispielsweise hat laut Biotype-Geschäftsführer Norman Gerstner gezeigt, dass sich die Patientinnen mit gezielter Diagnose in Gruppen einteilen lassen, die auf unterschiedliche Therapien ansprechen.

Weniger Versuch und Irrtum nach passgenauer Diagnose

Personalisierte Medizin soll laut Verband der Diagnostica-Industrie eine passgenaue Behandlung möglich machen. Damit sei zwar nicht Individualmedizin mit einer eigenen Arznei für jeden Patienten gemeint. Aber wenn sich die krebsauslösende Mutation genau ermitteln lasse, gebe es weniger „Versuch und Irrtum“ und weniger „wirkungslose und dennoch belastende“ Therapien mit ihren Nebenwirkungen.

In den vergangenen Jahren sind laut Biotype-Geschäftsführer Gerstner die Therapiemöglichkeiten bei Krebs „fast explodiert“. Doch vom Verdacht bis zur genauen Diagnose und Therapie vergehe zu viel Zeit, die Wochen der Ungewissheit für die Patienten seien zu lang. Eine Ursache sieht er in der Organisation in vielen Laboren.

Geht es nach Gerstner und Zörgiebel, dann stellen sich viele Medizinlabore nicht nur die Biotype-Analysegeräte namens Modaplex auf einen freien Platz, sondern verbessern auch den gesamten Ablauf im Umgang mit den Proben. Dazu sollen Automatisierung und Digitalisierung beitragen. Der Modaplex ist ein Tischgerät, das Blut- und Gewebeproben analysiert. Dazu gehören Testflüssigkeiten und Software, die Biotype und Qualitype aus Dresden-Hellerau beisteuern. Das Analysegerät kann laut Gerstner bis zu 50 „Biomarker“ analysieren – markierte Zellbestandteile wie etwa DNA. Nach wenigen Stunden habe ein Arzt das Ergebnis, während er im Routinebetrieb eines Labors sonst womöglich Wochen warten müsse. Dort dauern nämlich unterschiedliche Analysen von Bestandteilen der Körperflüssigkeiten unterschiedlich lange, nicht alles kann im gleichen Labor untersucht werden, die Daten müssen zusammengeführt werden.

Für die Automatisierung der Laborarbeit haben sich Zörgiebels mit Felix Lenk zusammengetan, der in Dresden das Unternehmen Smart Lab Solutions GmbH gegründet hat. Als Projektleiter eines gemeinsamen Forschungsprojekts „Smart Translation“ untersuchte er noch am Institut für Naturstofftechnik, wie ein Roboterarm und Pipettier-Automaten die Diagnose beschleunigen können.

Roboterarme benötigen oft menschliche Assistenten

Lenk berichtet, dass es in der Blutanalytik bereits meterlange automatisierte Laborstrecken gebe. Doch diese Technik sei so wohl nur für Blut und große Mengen profitabel. Für nicht so große Labore empfehle er die „assistierte Automation“, dabei gibt es noch Zwischenschritte für Bediener. Nicht alles im Labor lasse sich automatisieren. Roboterarme könnten nicht alles erledigen, beispielsweise die vielen unterschiedlichen Behältertypen öffnen. Oft lohne sich eine komplette Automatisierung auch nicht für die Menge an Labormaterial eines Typs.

Zörgiebel wollte ursprünglich in diesem Jahr eine neue Generation seines Laborgeräts auf den Markt bringen. Die sächsischen Herstellungspartner standen bereit: IMK Mechatronics und der Elektronikprovider EDC, beide in Chemnitz. Doch Lieferschwierigkeiten etwa bei Mikrochips hätten auch dieses Projekt ausgebremst, berichtet der Seniorchef. Allerdings sei es nicht ungewöhnlich, dass wichtige Projekte manchmal ein paar Jahre mehr benötigten als erwartet.

Wilhelm Zörgiebel war schon Unternehmensberater und versteht sich als „Innovationsmensch“. Am Firmensitz beging der 69-Jährige im September auch sein 30-jähriges Bestehen als Vermieter im ehemaligen Produktionsgebäude der Deutschen Werkstätten Hellerau. In dem markanten Komplex mit dem Grundriss einer Schraubzwinge haben sich 45 Firmen eingemietet.

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