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Die Sachsen haben eine große Sehnsucht nach dem Meer

Rund drei Millionen Deutsche machten 2024 eine Kreuzfahrt. Diese Form des Urlaubs wird immer beliebter. Gleichzeitig wird der CO₂-Abdruck der Reisen wichtiger. Wie Aida-Präsident Felix Eichhorn Wachstum und Wandel in der Kreuzfahrtbranche in Einklang bringen will.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Mann an Bord eines Schiffes schaut freundlich in die Kamera.
„Die Demokratisierung von Urlaub ist auch eine gesellschaftliche Errungenschaft“, findet Aida-Präsident Felix Eichhorn. Foto: AIDA

Von Nora Miethke

Ich bin in den 1980er-Jahren aufgewachsen mit dem Traumschiff, mit Kapitänsdinner und Wunderkerzen im Hummer. Und dann lese ich, das gibt es nicht mehr. Warum? War das nur ein Klischee?
Auf dem Traumschiff mag es das heute noch geben. Wir sind Mitte der 90er-Jahre als Firma angetreten, um den Kreuzfahrtmarkt aufzufrischen und haben mit einem Teil dieser verstaubten Konventionen gebrochen. Das sehr formale Kapitänsdinner und die damals hochpreisige Kreuzfahrt war nur einem sehr kleinen Kreis von Gästen überhaupt zugänglich. Das hat sich komplett geändert. Als wir 1996 mit unserem allerersten Schiff gestartet sind, hatte der Kreuzfahrtmarkt in Deutschland ungefähr 300.000 Gäste. Heute sind es mehr als drei Millionen. Damit ist Deutschland der zweitgrößte Kreuzfahrtmarkt auf der Welt. Und Aida hat einen Marktanteil von rund 50 Prozent und ist insgesamt der drittgrößte Reiseveranstalter, nicht zuletzt deshalb, weil wir die eine oder andere alte Konvention über Bord geworfen haben.

Mit welchen Klischees in meinem Kopf werden Sie noch im Verlauf unseres Gesprächs aufräumen, was denken Sie?
Diese Art Urlaub ist deutlich vielfältiger und flexibler, als man denkt. Die Schiffe sind über die Jahre größer geworden, aber das spricht für die Vielfalt. Wir haben auf unseren großen Schiffen bis zu 17 verschiedene Restaurants, ebenso viele Bars und Möglichkeiten, Entertainment zu erleben, und das zu einem unschlagbaren Preis. Fast jeder Zweite unserer Gäste hat noch nie vorher eine Kreuzfahrt gemacht, einen der höchsten Anteile von Erstkreuzfahrern sehen wir aus Sachsen. Auch im Vergleich zur Gesamtzahl der Gäste liegen die Sachsen weit vorn, was uns sehr freut. Es scheint dort eine große Sehnsucht nach dem Meer zu geben.

Lässt sich das mit Zahlen unterlegen, wie hat sich die Gästeanzahl aus Sachsen entwickelt
?
Jeder 18. Aida-Gast kommt aus Sachsen, also deutlich mehr, als es dem Bevölkerungsanteil entspricht. Ich bin in Rostock aufgewachsen und weiß, welche Bedeutung die Ostsee als Urlaubsziel für die Sachsen hatte und hat. Wir sind aber auch ein interessanter Arbeitgeber für Sachsen. Viele unserer Mitarbeiter kommen tatsächlich aus diesem Bundesland. Aktuell haben wir drei Kapitäne, die alle in Dresden geboren sind und unsere Schiffe sicher über die Weltmeere steuern.

Und den Sachsen wie den Deutschen insgesamt vergeht nicht die Lust auf Kreuzfahrt angesichts der wirtschaftlichen Lage und zunehmender Angst um den Job?

Nein, im Gegenteil. In Krisenzeiten sparen die Deutschen an allem, aber erfreulicherweise nicht beim Urlaub. Das zeigen auch unsere Buchungen für dieses Jahr. Wir haben heute zehn Prozent mehr Gäste als im Jahr 2019 vor der Pandemie. Der Trend zu deutlich längeren Vorausbuchungen hält an. Die Reisen nach New York, die wir für den Herbst 2026 auflegen, sind jetzt schon gut zur Hälfte gebucht. Die Kreuzfahrt bleibt der Wachstumstreiber im gesamten Tourismus. Die Nachfrage ist ungebrochen, obwohl auch der Durchschnittsreisepreis aufgrund von Inflation etwas gestiegen ist. Was aber das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft, sind Kreuzfahrten dennoch deutlich attraktiver als vergleichbare Landalternativen. Wir sind wahrscheinlich 20 bis 30 Prozent günstiger, vor allem, wenn man alle Leistungen berücksichtigt, die bei Aida bereits inkludiert sind.

Welche neuen Routen will AIDA anbieten?
Das Schöne am Kreuzfahrtsegment ist ja, dass wir immer wieder neue Reisen anbieten können. Von der Drei-Tage-Schnupperreise bis zur Weltreise in 133 Tagen haben wir sehr viel im Angebot. Wir werden zum allerersten Mal durch den Panamakanal fahren, feiern auf der Weltreise zum Beispiel Silvester auf Hawaii. Wir sind in Japan unterwegs, aber haben auch so viele Kurzreisen zu norddeutschen Häfen im Angebot wie nie zuvor. Bei den Zielgruppen liegt der Fokus auf Familien, aber auch auf jüngeren und älteren Paaren. Sachsen und Thüringer sind diejenigen, die am meisten mit Kindern reisen. Das ist sehr auffällig.

AIDA hat im Februar ein großes Modernisierungsprogramm gestartet. Wie viel investieren Sie?
Insgesamt investieren wir einen hohen dreistelligen Millionenbetrag in die Modernisierung von sieben Schiffen. Das erste, die AIDAdiva wird derzeit in Marseille in nur sieben Wochen komplett überholt. Innerhalb der nächsten zwölf Monate folgen dann noch die zwei Schwesternschiffe AIDAluna und AIDAbella. Die Schiffe sind rund 15 Jahre alt und haben damit die Hälfte ihres Lebenszyklus erreicht. Wir hören unseren Gästen immer genau zu, was sie sich wünschen, verfolgen aber auch interessante neue Restaurantkonzepte an Land. Und die holen wir nun aufs Schiff, es wird zusätzliche Bars und einen Klettergarten für die Kinder geben. Alle Gästekabinen bekommen ein Facelift. Die Modernisierung betrifft aber auch die technischen Bereiche, denn wir wollen unseren ökologischen Fußabdruck weiter reduzieren. Nur ein Beispiel: Wir können unseren Wasserbedarf fast vollständig in einem bordeigenen Wasserwerk aus Meerwasser decken.

Wie groß ist der CO2-Fußabdruck von AIDA?
Wir streben unverändert Netto-Nullemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts an. Wenn wir ein Schiff konzipieren, fahren wir es 30 Jahre und wollen natürlich sicherstellen, dass die Plätze, die wir heute ansteuern, auch noch in 20, 30, 40 Jahren attraktiv für unsere Gäste sind. Unsere modernsten Schiffe wie AIDAnova verbrauchen heute ungefähr nur noch ein Drittel so viel Energie pro Passagier und Tag wie die Schiffe, mit denen wir vor 20 Jahren gestartet sind. Der CO2-Fußabdruck für sieben Tage Kreuzfahrt pro Passagier ist etwa so groß als wenn Sie drei Stunden in einem Flugzeug in Europa sitzen. Damit geben wir uns aber noch lange nicht zufrieden.

Sondern?
Die Hauptaufgabe im maritimen Sektor ist, von fossilen Treibstoffen wegzukommen. Wir führen auf zwei Schiffen Tests mit Biodiesel und neuerdings auch mit Bio-LNG durch. Noch gibt es die alternativen Kraftstoffe nicht in der benötigten Menge und zu einem einigermaßen vernünftigen Preis.
Uns ist bewusst, dass es nicht das gleiche Preisniveau wie bei herkömmlichen Treibstoffen sein kann, aber die Aufschläge derzeit sind zu hoch, die verfügbaren Mengen zu gering. Wir müssen im Auge behalten, dass die Menschen unsere Reisen noch bezahlen können und sich das nicht wieder nur eine kleine wohlhabende Schicht leisten kann. Die Demokratisierung von Urlaub ist auch eine gesellschaftliche Errungenschaft.

Wird das Modernisierungsprogramm die Reisen teurer machen?
Nein, wir gehen nicht davon aus, dass dadurch die Preise steigen werden. Denn die Kosten für die Modernisierung müssen sich nicht kurzfristig amortisieren, denn wir können die Schiffe so über einen längeren Zeitraum betreiben und holen die Kosten wieder rein.

Sie haben es als Rostocker an die Spitze von AIDA Cruises geschafft. Ist die Debatte um die Unterrepräsentanz von Ostdeutschen in Führungspositionen für Sie ein Thema?

Für mich stand das nie im Fokus. Ich bin hier aufgewachsen, habe in Hamburg studiert und hatte dann die Möglichkeit, hier Verantwortung zu übernehmen. Wir sind auf der Führungsebene sehr gemischte Teams und auch sehr international. Und deswegen ist für mich diese Ost-West-Diskussion ehrlicherweise nicht mehr wirklich ein Thema und auch in unseren Managementrunden spielt das keine Rolle.
Da wir in Rostock sitzen, haben wir natürlich automatisch einen höheren Anteil aus Mitarbeitern aus dem Osten, aber wir sind ein globales Unternehmen. 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist das eine etwas rückwärtsgewandte Debatte.

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