Suche
Suche

Diese Leipziger Firma fordert die Deutsche Bahn heraus

CargoBeamer aus Leipzig automatisiert das Beladen von Güterzügen und wächst rasant. Doch wie stehen die Chancen für die europaweite Expansion?

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig. Drei Stunden versus 20 Minuten – bei CargoBeamer in Leipzig wollen sie ein neues Zeitalter in der Güterlogistik einläuten. Während andernorts Kräne stundenlang Container hieven, bringt das Unternehmen Sattelauflieger in wenigen Minuten auf die Schiene – und das automatisch. Es ist eine Kampfansage.

„Diese Technologie“, sagt Unternehmenschef (CEO) Nicolas Albrecht, „kann eine etablierte Industrie ganz neu denken“. Eine effiziente, umweltschonende Lösung verspricht sein Unternehmen – das sich inzwischen zu den größten Wachstumsfirmen in Ostdeutschland zählt und große Pläne hat. Kann das Leipziger Unternehmen den Güterverkehr in ganz Europa tatsächlich umkrempeln?

CargoBeamer-Chef Nicolas Albrecht: „eine etablierte Industrie ganz neu denken“.

CargoBeamer-Chef Nicolas Albrecht: „eine etablierte Industrie ganz neu denken“.

Quelle: Joerg Riethausen

Mehr Verkehr soll auf die Schiene – eine große Aufgabe

Unstrittig ist: Die Aufgabe ist groß. „Die Verlagerung von mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene ist ein Dauerthema“, sagt Iris Hausladen, Inhaberin des Lehrstuhls für IT-gestützte Logistik an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Derzeit werden über 70 Prozent des deutschen Güterverkehrs auf der Straße transportiert, während die Schiene bei knapp 20 Prozent verharrt. Aus verkehrspolitischer Sicht ist das problematisch: Um CO₂-Emissionen zu reduzieren, muss mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden.

CargoBeamer glaubt daran, dass seine patentierte Technologie diese Aufgabe bewältigen kann. Ein Terminal müsse man sich wie einen großen Containerbahnhof mit Portalkran vorstellen – nur eben ohne den Kran, erzählen sie im Unternehmen. Die Technik ist dabei unterirdisch verbaut. Sie schiebt die Lkw-Anhänger vollautomatisiert auf einen Zug.

Wie das Beladen bei CargoBeamer funktioniert

Laut CEO Albrecht läuft der Prozess wie folgt ab: Ein Lkw bringt den Anhänger zum Terminal, wo er abgekoppelt wird. „Terminalfahrzeuge platzieren ihn dann in Waggonaufsätzen, die automatisiert und gleichzeitig auf den Zug verladen werden.“ In 20 Minuten passiert all das. Im Vergleich zu stundenlangen Verladevorgängen in konventionellen Terminals ist das nahezu blitzschnell. Plätze auf den Zügen können die Unternehmen bei CargoBeamer kaufen – das sei fast so einfach wie die Sitzplatzreservierung in einem Flugzeug oder Zug.

Prominente Kunden wie Amazon, UPS, DB Schenker oder den Modekonzern Inditex haben die Leipziger bereits an Bord. Auch Geldgeber sind überzeugt: 205 Millionen Euro Wachstumskapital von Investoren hat das Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten eingesammelt. Darunter sind 90 Millionen Euro an Zuschüssen des deutschen Eisenbahnbundesamtes und des Schweizer Bundesamtes für Verkehr.

Familie Klatten ist unter den Aktionären

Unter den Aktionären sollen sich wohlhabende deutsche Familien finden. Dazu zählt die Familie Klatten – vielen bekannt durch Susanne Klatten. Die BMW-Erbin ist laut Forbes mit einem Vermögen von rund 22,5 Milliarden Euro die reichste Deutsche.

Bisher wickelt CargoBeamer unter anderem Züge in Kaldenkirchen (Nordrhein-Westfalen) und Domodossola (Italien/Piemont) ab – das allerdings auf einem kleineren Areal und ohne die automatisierte Technologie. Drei Strecken betreibt CargoBeamer bisher, darunter jene zwischen den genannten Städten. Auf dieser seien bis zu 40 Züge pro Woche unterwegs, die über 1000 Lkw-Anhänger transportierten. Im operativen Betrieb ist CargoBeamer nach Unternehmensangaben inzwischen profitabel.

Die Abbildung zeigt das künftige CargoBeamer-Terminal in Domodossola.

Die Abbildung zeigt das künftige CargoBeamer-Terminal in Domodossola.

Quelle: Cargobeamer

Leipziger haben große Pläne: 20 Terminals entstehen

Doch die Pläne gehen weit darüber hinaus. „Wir wollen unser Netzwerk in Europa massiv ausbauen“, erklärt CEO Albrecht. In den nächsten zehn Jahren sollen bis zu 20 Terminals entlang wichtiger Verkehrsachsen entstehen. Die Terminals in Kaldenkirchen und Domodossola werden derzeit errichtet und sollen im nächsten Jahr in Betrieb gehen. Die Kosten für ein Terminal belaufen sich auf etwa 50 Millionen Euro.

Auch die ostdeutsche Heimat rückt in den Fokus. „Sachsen spielt eine zentrale Rolle für unsere Ost-West-Verkehre sowie als Hub Richtung Osteuropa“, sagt Albrecht. Im Raum Dresden sei ebenfalls ein Terminal geplant. Allerdings gestalte sich die Standortsuche schwierig.

Mit seiner Innovation fordert das Leipziger Unternehmen auch die Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn heraus: Die DB Cargo ist zwar der größte Anbieter im europäischen Schienengüterverkehr, kämpft jedoch mit veralteter Technik und ineffizienten Prozessen. Im Staatskonzern dürfte man die Leipziger daher im Blick behalten.

Expertin: Ansatz ist vielversprechend

Bleibt die Frage: Wie zukunftsfähig ist CargoBeamers Konzept wirklich?

Nach Einschätzung von Forscherin Iris Hausladen ist der Ansatz vielversprechend. Bisher seien viele Sattelauflieger nicht für den Umschlag mit Kränen geeignet. Zudem koste es viel Zeit, Züge zusammenzustellen. „Gerade an diesen Punkten setzt die Idee und das Geschäftsmodell von CargoBeamer an“, sagt Hausladen: „Durch die innovative, patentierte technische Lösung lassen sich alle Sattelauflieger, unabhängig, ob kranbar oder nicht, einfach und standardisiert handhaben“. Das umständliche Rangieren entfällt, und Lkw können nach dem Abladen direkt weiterfahren.

Auch in Sachen Nachhaltigkeit gibt es Vorteile: Der Schienentransport verursacht im Vergleich zur Straße deutlich weniger Emissionen.

Im kombinierten Verkehr übernimmt die Schiene die Langstrecke, während Lkws nur für kurze Strecken eingesetzt werden.

Hohe Investitionssumme – und weitere Herausforderungen

Doch es bleiben Herausforderungen. Zum einen ist der Bau eines Terminals teuer und muss sich amortisieren. „Entwickelt sich die Nachfrage für diese Transportleistungen an dem gewählten Standort anders als erwartet, etwa weil Unternehmen aus der Region abwandern, dann wird ein Rückbau schwierig“, erklärt Hausladen. Nicht zuletzt gilt: Wächst das Unternehmen stark, braucht es mehr Güterwaggons. Die Expertin resümiert: „Verlader und Spediteure werden diese innovative Lösung nur dann akzeptieren, wenn sie die Vorteile klar erkennen“.

Bei CargoBeamer sind sie zuversichtlich, dass das von Leipzig aus gelingt. Die Bedingungen stimmten hier, betont CEO Albrecht. 70 Mitarbeiter arbeiten in der Messestadt in Bereichen wie Strategie, Ingenieurwesen und Finanzen – und damit über die Hälfte der Gesamtbelegschaft. Albrecht sagt, man sei stolz darauf, ein Leipziger Unternehmen zu sein. „Es ist uns wichtig, langfristig hier verwurzelt zu bleiben.“ Und gut möglich, dass in Sachsen bald ein Terminal hinzukommt.

Das könnte Sie auch interessieren: