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Dresden wirbt um Globalwomen

Lesedauer: 3 Minuten

Das Frauennetzwerk von Globalfoundries unterstützt bei der Karriereentwicklung.

Von Nora Miethke

„Ich bin Direktor für internationale Materialbeschaffung“, stellt sich Yvonne Keil vor. Dann verbessert sie sich schnell. „Direktorin muss es natürlich heißen, daran muss ich wirklich noch arbeiten“.

Die gebürtige Dresdnerin eröffnete Ende August die erste europäische Konferenz des internen Frauennetzwerks von Globalfoundries (GF), „GlobalWomen“. 170 Frauen trafen sich in Dresden zum Erfahrungsaustausch über Karriereentwicklung, Netzwerken, Mentoring bis zur richtigen Balance zwischen Familie und Beruf.“ „GlobalWomen“ gibt es seit 2013 und besteht aus 1.500 Frauen und Männern, die weltweit für den Halbleiterhersteller zusammenarbeiten.

Die Veranstaltung nach Dresden zu holen, sei wichtig gewesen, auch um die Aufmerksamkeit auf eine Schwäche zu lenken: „Wir haben in den letzten zwei Jahren schon viel bewirkt. Aber wir müssen ehrlich sein. Der Frauenanteil ist dennoch sehr gering“, so Keil. Nur zwölf Prozent der rund 3.000 Beschäftigten sind weiblich. Konzernweit liegt der Frauenanteil bei rund 25 Prozent.

„Ein Saal voller Role Models, das inspiriert“, betont Carla Palomares. Die 29-jährige Spanierin startete 2020 in Dresden als Senior Ingenieurin für Integration – mitten im Lockdown. Für ihre Kollegin Nicole Brach war es beeindruckend, „auf der Konferenz so viele Frauen auf einem Fleck zu sehen und festzustellen, wir sind gar nicht so wenige“.

Und Globalfoundries braucht noch mehr von ihnen. Denn die Halbleiterbranche steht vor einem enormen Fachkräftemangel. Einerseits werden Tausende E-Ingenieure in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Andererseits funktioniert kein Smartphone, Auto oder Roboter ohne Mikrochip. Die gestörten Lieferketten infolge der Corona-Pandemie haben die Bedeutung der Halbleiterindustrie als Schlüsselindustrie vor Augen geführt. Die EU will mit Milliarden Euro den Bau neuer Fabs in Europa subventionieren. Neue Fabs, auch wenn sie hochautomatisiert sind, brauchen neue Beschäftigte. Der Bedarf an Chips wird in der digitalen Transformation wachsen und damit auch der Fachkräftebedarf.

Chance für Frauen

Entsprechend gut sind die Karrieremöglichkeiten für Absolventen der Elektro- und Informationstechnik, und auch die Verdienstmöglichkeiten. Laut dem Gehaltsatlas 2021 bezahlt die Halbleiterbranche mit dem Medianwert von 65.500 Euro überdurchschnittlich gut. Davon könnten auch Frauen profitieren, doch es gibt zu wenige MINT-Absolventinnen. Wie lässt sich das ändern?

„Wir müssen es anfassbar machen“, sagt Nicole. Sie engagiert sich bei GlobalWomen in einer Gruppe zur Nachwuchsförderung. geht mit Schülerinnen ins Labor, wo sie Wafer auseinanderbrechen oder in der Azubi-Werkstatt kleine Nachtlichter löten können. In den Reinraum können sie wegen der strikten Hygienevorschriften nicht, aber VR-Brillen machen auch hier einen Rundgang möglich. Das komme sehr gut an und oft fragen Schülerinnen anschließend nach einem Praktikumsplatz, berichtet Nicole Brach.

Sie wie auch Yvonne Keil, die heute im Vorstand des Branchennetzwerks Silicon Saxony e.V. sitzt, berichten sie von der Faszination, die dieser riesige Reinraum voll mit großen Maschinen und Automatisierungstechnik ausübt. „Als Jugendliche durch so einen Reinraum zu gehen und diese ganze verrückte, interessante Industrie zu sehen, das hat mich so beeindruckt, dass ich als 15-Jährige entschieden habe, Elektrotechnik zu studieren“, erinnert sich Keil an ihr Schülerpraktikum bei Simec. In Deutschland, wo Mädchen nach ihren Neigungen und Vorlieben studieren, müssen sie begeistert werden für technische Fächer.

Anders als in Indien. „Da studieren junge Frauen Computerwissenschaften, weil das gut bezahlte Jobs verspricht“, sagt Preethi Saroya. Die Inderin ist erst im Juni mit ihrer Familie vom GF-Standort in Singapur nach Dresden gewechselt, arbeitet aber größtenteils in Frankfurt am Main im Homeoffice. Sie hat in der Vergangenheit für männliche wie weibliche Vorgesetzte gearbeitet und beobachtet, „dass meine weiblichen Chefs sehr viel härter arbeiteten, aber auch viel smarter.“ Frauen müssten so viele Dinge in Familie und Beruf gleichzeitig ausbalancieren, dass sie oft auf spontane Änderungen im Job besser reagieren könnten als Männer, meint Preethi. Auch Nicole arbeitet unter einer Chefin. Für diese wäre die Vereinbarkeit von Job und Familie gar kein Thema. „Sie hat totales Vertrauen in mich, dass ich das managen kann“, so Nicole, die das positiv empfindet.

Der Halbleiterhersteller schult nach eigenen Angaben seine Führungskräfte, um sie zu sensibilisieren für Stereotype und Vorurteile, die sie im eigenen Verhalten an den Tag legen. Aber auch ein „Female Development Program“ wurde in Dresden gestartet.

In sechs Einheiten über ein halbes Jahr lang werden Mitarbeiterinnen darin trainiert, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen, wohin sie in ihrer Karriere eigentlich wollen. „Dieses Training ist ein totaler Erfolg. Viele Frauen orientieren sich neu im Unternehmen und entwickeln sich weiter“, so Keil. Nicole ist noch mittendrin im Programm und es hilft ihr schon zu sehen, dass andere Frauen vor ähnlichen Fragen und Herausforderungen stehen. Carla hat das Programm schon absolviert und für sich als Schwäche erkannt, dass sie im Moderieren von Teamrunden noch besser werden muss. „Manchmal werden diese Meetings emotional und ich muss lernen, damit umzugehen“, verrät sie.

Sachsen will verstärkt im Ausland um Fachkräfte für die Halbleiterindustrie und andere Branchen werben. Als Erfolgsfaktoren empfehlen Carla und Preethi Sichtbarkeit schaffen, internationale Teams, in denen man Englisch sprechen kann, aber Deutsch-Kurse sollten auch angeboten werden.

Die Sprache sei eine Herausforderung, so Preethi, aber das Gefühl von Willkommensein in Sachsen jedenfalls höher als in Singapur, berichtet die Inderin. Auf dem Weg zur GlobalWomen-Konferenz habe sie die falsche Tram genommen. Ein junger Mann hätte einen Extra-Stopp eingelegt, nur um ihr auf den richtigen Weg zu helfen. „Das war so nett. Es war die richtige Entscheidung nach Dresden zu kommen“, das steht für sie fest.

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