Gabriele Fleischer
Dresden. Zwei Roboterarme bewegen sich aufeinander zu. Eine Kamera erfasst die Situation und sendet Signale, auf die die Greifer reagieren. Gezielt langen sie nach den Bauteilen im Kasten und reichen sie herüber. Tobias Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Dresden, kontrolliert die Vorgänge am Bildschirm seines Laptops. Er versucht dieses System, immer weiter zu perfektionieren. Irgendwann sollen die Roboterarme in der Wirtschaft bei einem Produktionsprozess zum Einsatz kommen, gefüttert mit menschlicher, aber auch künstlicher Intelligenz. Kein Einfall für einen Science-Fiction-Film, sondern längst Realität. Denn die Forschungen im Bereich der kognitiven Produktion haben genau das zum Ziel.
Die Roboter lernen von den Menschen
Allerdings stehen technische Systeme, die von Menschen lernen, noch am Anfang der Entwicklung. „Ausgerüstet mit Sensoren und Kameratechnik bringen wir den Robotern bei, Daten zu verarbeiten und entsprechend gezielt anzuwenden“, sagt Simon Harst, Leiter des Geschäftsfeldes kognitive Produktion am Fraunhofer Institut IWU in Dresden. So sollen diese Roboter beispielsweise wie der Mensch erkennen, wenn Bauteile nicht exakt bereitliegen, sondern an anderer Stelle gesucht werden müssen, sagt der Wissenschaftler. Montagetätigkeiten könnten genauso übernommen werden wie Be- und Entladen. Hinter dem, was sich so einfach anhört, steckt hochqualifizierte Arbeit erfahrener Ingenieure und Wissenschaftler.
Es sei ein langer Lernprozess, an dessen Ende aber Hilfe für Personal suchende Firmen steht, so Simon Harst. Er und sein Team von 30 Mitarbeitern stehen in engem Kontakt mit Industriepartnern, beispielsweise aus der Automobil- oder Textilbranche. Auch in der Medizin sind solche intelligenten Lösungen gefragt. „So könnte das Einpassen von Implantaten während einer Zahnoperation perspektivisch auch von Robotern übernommen werden, wenn sie mit den dafür nötigen Daten ausgestattet sind, die ihnen ermöglichen, selbstständig an Lösungen zu arbeiten“, sagt Harst.
„Wir wollen den Kunden, die ihre Produktion Schritt für Schritt automatisieren wollen, eine große Spannbreite von Lösungen bieten.“ Dafür sei nicht unbedingt eine Millioneninvestition nötig. „Wegen des Fachkräftemangels und um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Firmen zwangsläufig ihren Maschinenpark automatisieren, nicht von heute auf morgen, aber in einem stetigen Prozess.“ Momentan sei die überwiegende Anzahl von Robotern in hochautomatisierten Produktionslinien zu finden. Das soll sich ändern. Wichtig für die Wissenschaftler um Simon Harst ist es, komplexe Arbeitsprozesse in kleinere aufzulösen und so vor allem klein- und mittelständischen Unternehmen diese Anwendungen zu ermöglichen.
Für viele Unternehmen hängt von solchen Forschungsergebnissen die Existenz ab. Der Einsatz von Robotik-Systemen ist für sie ein aktuelles Thema, um neben dem Ersatz von Fachkräften auch Auftragsspitzen abdecken zu können. Bei der Firma Industrie-Partner GmbH (IP) aus Coswig entstand deshalb die Idee, einen mobilen, robotischen Maschinenbediener zu entwickeln. „Der kann bei Ausfällen schnell und einfach vor die Maschine geschoben werden, sie bedienen und am Laufen halten“, sagt Ralf Hock, Geschäftsführer des Unternehmens mit insgesamt 70 Mitarbeitern. Hergestellt werden dort Prüfstände, Bremsprobegeräte, Mess- und Prüfmittel für die Eisenbahn sowie die Bahntechnikindustrie. Aber eben auch Automatisierungslösungen wie die Roboterzelle, der sogenannte Robo-Operator. Kunden seien vor allem andere Maschinenbauunternehmen sowie Hersteller in der Sensortechnik. Entwickelt haben die Fachleute bei IP Coswig auch Befüllmaschinen für Lithium-Ionen-Batteriezellen.
Schichtarbeiter nur für Roboter
Doch wie kam es zur Roboterzelle? „Da wir in zwei Schichten eine eigene kleine Teilefertigung haben und dort durch Personalausfälle wegen Urlaub, Krankheit oder Elternzeit immer wieder Probleme bei der Kapazität und pünktlichen Fertigstellung hatten, entstand die Idee dafür“, sagt Hock. Ein solcher Helfer könne bei Ausfällen schnell und einfach vor die Maschine geschoben werden. Ebenso seien dritte Schichten im Wechsel mit den Mitarbeitern möglich.
Und auch, wenn Grundidee, Konzept sowie maschinelle Gestaltung bei den Coswigern umgesetzt wurden, so war und ist dabei doch die Forschungsarbeit vom Fraunhofer-IWU gefragt. Im gemeinsam geförderten Entwicklungsprojekt haben sich die Wissenschaftler dort um die Themen Bilderfassung und Bildverarbeitung, die Bedienoberfläche sowie die skillbasierte Robotersteuerung gekümmert, erklärt IP-Geschäftsführer Hock. Skillbasiert heißt, dass die Aktionen und Bewegungen des Roboters und der Zusatzkomponenten in einzelne Fähigkeiten, sogenannte Skills, zerlegt beziehungsweise zusammengefasst werden. Ein Robo-Operator übrigens, von dem 2019 der Prototyp entstanden war, benötigt nur eine Grundfläche von 1,80 mal 1,20 Meter vor der Maschine. Der somit recht kompakte Helfer kann laut Hock bei Kunden innerhalb weniger Tage an Maschine und Produkt erstmalig eingerichtet werden und im Wiederholungsfall innerhalb einer Viertelstunde laufen.
Mehrere solcher Zellen seien bereits für ein bis drei Monate vermietet worden. Dadurch könne sich der Kunde erst einmal von dem Konzept überzeugen und gegebenenfalls später kaufen. „Die monatlichen Mietkosten entsprechen den Kosten eines Mitarbeiters, wenn man die überhaupt bekommt“, sagt Hock und ergänzt: „Der Robo-Operator kann ja auch mehr als eine Schicht arbeiten.“ Für Unternehmen, egal, ob sie die Robotersysteme mieten oder kaufen, sind leichte Bedienbarkeit und hohe Flexibilität der Anlagen unerlässlich.
Das sagt auch Franziska Würz, Geschäftsführerin der EKF Automation GmbH in Freital, aus ihrer Kundenerfahrung. „Für uns ist eine Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen essenziell, um am Markt wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben.“ Das Freitaler Unternehmen stellt Automatisierungsanlagen und Robotersysteme für die Industrie her. „Wir realisieren 70 bis 80 Prozent unseres Umsatzes in der Zulieferindustrie für die Automobilbranche“, sagt Würz, mit sehr unterschiedlichen Investitionssummen für die jeweiligen Firmen. Die könnten fünf-, sechs- oder siebenstellig sein, je nachdem, welche Kennzahlen und Erfolgsfaktoren die Kunden anstreben würden.
Die Notwendigkeit weiterer Entwicklungen sieht Franziska Würz auch in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut insbesondere bei Bedienung und Einrichtung durch den Endnutzer. Nicht immer hätten die Kunden in allen Bereichen der Automatisierungstechnik Fachpersonal verfügbar, um die Anlagen neu einrichten zu können oder mit den Robotern neue Abläufe zu programmieren. Ein Signal, das längst bei den Wissenschaftlern angekommen ist. Sie arbeiten mit den Praxispartnern weiter an Details. Und das dann, wenn alles nach Plan läuft, in zwei Jahren in einer neuen Fraunhofer-Forschungshalle für dann etwa 60 Mitarbeiter. Laut Simon Harst werden dafür Produktionstechniker, Maschinenbauer und Informatiker gesucht.
Die neue Halle entsteht nur wenige hundert Meter entfernt von der jetzigen Wirkungsstätte in Nachbarschaft von Institutsgebäuden der TU Dresden. Neben 1.750 Quadratmetern Bürofläche und einem Seminarraum mit knapp 200 Plätzen erwartet die Wissenschaftler auf rund 1.000 Quadratmetern eine Werkzeugmaschinenhalle mit modernster Forschungstechnik. 38 Millionen Euro stellen Bund und Freistaat für das neue Zentrum bereit.