Dresden. Grüner Wasserstoff soll das klassische Erdgas als Energieversorger für die Industrie ablösen. Stahlunternehmen wie ESF Feralpi in Riesa oder Chemiestandorte wie Wacker Chemie in Nünchritz warten auf ausreichend verfügbaren Wasserstoff zu vernünftigen Preisen. Projekte zur Lieferung von Wasserstoff sind mit Namibia, Kanada oder den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart worden. Aber wie soll das Gas sicher über lange Strecken nach Deutschland transportiert werden? Der Bau von Pipelines ist teuer und dauert lange.
Uwe Pahl verfolgt eine andere Idee. Der technische Vorstand der Ambartec AG und sein Team wollen Europas erstes Wasserstoff-Speicherkraftwerk aufbauen und dafür eine Technologie zum Speichern der Wasserstoff-Energie mittels Eisen-Nuggets zur Serienreife bringen.
Der Freistaat und die Europäische Union fördern dieses Verbundprojekt des Dresdner Start-ups und der TU Bergakademie Freiberg mit fast vier Millionen Euro. Anfang der Woche übergab Sachsens neuer Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) seinen ersten Förderbescheid an Pahl und Professor Martin Gräbner, Institutsdirektor für Energieverfahrenstechnik in Freiberg.
Wasserstoff ohne Wasser erzeugen in der Wüste
Ambartec speichert die Energie des Wasserstoffs mithilfe von Eisen-Nuggets – ähnlich kleinen Steinen oder Kugeln – die immer wieder be- und entladen können. Diese Nuggets lassen sich gefahrlos in Standard-Containern per LKW, Zug oder Schiff transportieren. Und das zu jedem beliebigen Ort.
„Das ist vor allem für die zahlreichen Unternehmen interessant, die für ihre Versorgung mit erneuerbarer Energie grünen Wasserstoff benötigen, aber nicht oder nicht in naher Zukunft an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden“, betont Pahl und gibt einen kurzen Chemie-Grundkurs zur Oxidation und Reduktion von Eisen bzw. Eisenoxid in Hochtemperaturprozessen bei 800 Grad Celsius.
Projekte in Namibia wären ohne aufwendige Meerwasseraufbereitungsanlagen möglich. – Uwe Pahl, technischer Vorstand der Ambartec AG
Durch den geschlossenen Wasser-Wasserstoff-Kreislauf könnten auch in der Wüste Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff errichtet werden. „Projekte in Namibia wären ohne aufwendige Meerwasseraufbereitungsanlagen möglich“, so Pahl. Der dort erzeugte Wasserstoff beziehungsweise seine Energie könnte mittels Eisen-Nuggets als Schüttgut auf Schiffen von Afrika nach Europa transportiert werden.

Quelle: Foto:SZ/Veit Hengst
Das ist die große Vision. Erst einmal will das Gründerteam von Ambartec die kleinere Vision umsetzen – und zwar die Versorgung der regionalen Industrie. Dazu soll als erstes Produkt ein 20-Fuß-Container zur Speicherung für die Energie von 800 Kilogramm Wasserstoff auf den Markt gebracht werden. Das entspricht einer Leistung von 25 Megawattstunden. Nach derzeitigen Plänen werden die Regionen Dresden, Leipzig und Meißen an das rund 9.000 Kilometer lange Wasserstoffkernnetz angedockt werden. Bis 2032 soll das Pipelinesystem aufgebaut sein.
Pilotanlage bis Jahresende
Bis zum Jahresende wird auf dem Gelände der Saxonia Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft eine Pilotanlage für einen 6.000 Liter-Speicher errichtet. Ambartec und die TU Bergakademie greifen dabei auf Wissen aus DDR-Zeiten zurück. Dieser Speicherprozess ist in den 1970er-Jahren an der Bergakademie entwickelt und erprobt worden.
„Aus den Betriebstagebüchern wissen wir, dass 5.000 Be- und Entladungen der Eisen-Nuggets stattgefunden haben“, sagt Pahl und zeigt dabei auf den Eimer voller kleiner Kugeln, der vor ihm steht. So weit sei Ambartec noch nicht. Im Rahmen des Projekts wollen die Gründer und die Freiberger Wissenschaftler den Nachweis von mindestens 2.000 Be- und Entladungen erbringen. Ein mehrmonatiger Praxistest der Demonstrationsanlage hätte eine „ausgezeichnete“ Energiebilanz des Gesamtprozesses bestätigt. Eine Verdopplung des Wirkungsgrades auf 80 Prozent wäre technisch möglich, so der Ambartec-Chef.
Partnerunternehmen für Serienproduktion gefunden
Das klingt einfach, warum wird das nicht längst angewendet? Pahl lacht und gibt zu, dass weltweit viele Forschergruppen daran arbeiten. Eisen habe einige besondere Eigenschaften, die man beachten muss, damit das Speichermaterial über viele Be- und Entladungen hinweg stabil bleibt und sein Speichervermögen nicht verliert.
„Das eigentliche Knowhow liegt in der Rezeptur“, so der Experte. Die Transportkosten könnten um 30 bis 50 Prozent sinken und so Energie aus Wasserstoff preiswerter machen. Ein Partnerunternehmen aus Sachsen, das die Serienproduktion der Speichercontainer ab 2026/2027 übernehmen würde, ist auch schon gefunden. Gemeinsam erarbeite man derzeit einen Investitionsplan, Details wurden nicht verraten.
„Wasserstoff ist friedlicher als Erdgas“
Eigner und Investoren haben bislang schon vier Millionen Euro in die Entwicklung der Technologie investiert und werden auch im Rahmen dieses geförderten Projekts weitere zwei Millionen Euro an Eigenmitteln aufbringen.
Sicher und preiswerter im Transport, dezentral und energetisch effizient – Ambartec widerlegt damit so manche Einwände von Kritikern, die Wasserstoff als Energieträger für zu teuer und ineffizient halten. Auch Wasserstoff ist ein Gas mit einer großen Bandbreite von Explosionsmöglichkeiten, „aber es ist einfacher handhabbar und friedlicher als Erdgas“, betont Pahl.
SZ