Das Umschalten der deutschen Autobauer auf Elektromobilität lässt Skeleton Technologies in Großröhrsdorf schneller wachsen als erwartet. Der estnische Energiespezialist kündigte am Donnerstag in seiner Zentrale in Tallinn an, weitere 25 Millionen Euro in die 2017 eröffnete Fabrik in Sachsen zu investieren. Die Zahl der Mitarbeiter soll von derzeit 57 auf 545 steigen und das in vier Jahren. Diese Investitionsentscheidung bildete den krönenden Abschluss der Reise von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD)und einer Wirtschaftsdelegation nach Finnland und Estland.
Skeleton Technologies ist europäischer Marktführer für Ultrakondensatoren . Das sind Hochleistungs-Energiespeicher, die im Gegensatz zu Batterien in wenigen Sekunden aufgeladen werden können und eine Million Ladezyklen haben. Durch ihren Einsatz können Schwankungen in Stromnetzen geglättet werden oder Hybridbusse durch Rückgewinnung der Bremsenergie Kraftstoff sparen und so weniger Kohlendioxid in die Luft ausstoßen. Und künftig werden sie auch bei der Elektrifizierung der Autos eine große Rolle spielen.
Ultrakondensatoren erhöhen Reichweite von E-Autos
“Wenn man Ultrakondensatoren vorschaltet, können Batterien kleiner werden und länger leben”, erläutert Thomas Hucke, der technische Geschäftsführer von Skeleton Technologies. Der Ultrakondensator kann alle schnellen Prozesse wie Beschleunigung, Bremsen und schnelles Laden übernehmen. Die Batterie ist nur noch für die normalen, eher langsameren Fahrprozesse verantwortlich. So lässt sich die Reichweite erhöhen und E-Autos könnten attraktiver werden. Das Unternehmen ist mit allen deutschen Autobauern im Gespräch und baut auch schon Prototypen.
Noch unterscheiden sich die Ultrakondensatoren von Skeleton durch eine viermal so hohe Energiedichte wie die der Wettbewerber. Die Firma fertigt nicht nur die Zellen, sondern hat eine vollintegrierte Wertschöpfungskette aufgebaut – angefangen von der Entwicklung des eigenen Rohstoffs Graphen für die Kondensatorzelle bis zur Produktion der kompletten Module, die dann in Bussen und in E-Autos eingebaut werden. Doch der Wettbewerb wird härter, den neuerdings ist Tesla der Hauptkonkurrent.
Der US-Hersteller von Elektroautos hat im Februar den Weltmarktführer für Ultrakondensatoren, Maxwell, gekauft. “Um an der Spitze des Marktes zu bleiben, müssen wir weiterhin hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie den Ausbau der Produktionskapazitäten tätigen”, betonte Vorstandschef und Co-Gründer Taavi Madiberk.
Fachleute von Mitbewerbern weggelockt
Der größte Anteil der 25 Millionen wird in die Gewinnung neuer Mitarbeiter fließen. Bislang habe sich die Suche nach qualifizierten und motivierten Arbeitskräften in der Region eher unkompliziert gestaltet. So fanden ehemalige Mitarbeiter von Litarion und Litec mit Erfahrung im Bereich der Batteriezellfertigung eine neue Perspektive bei Skeleton. Zum anderen konnte das junge Unternehmen auch Mitarbeiter von Globalfoundries und Infineon weglocken. Dabei spielt nicht nur ein gutes Gehalt eine Rolle. “Wichtiger ist, dass man eine Vision hat, an die die Mitarbeiter glauben können, und eine klare Strategie, wie man sie erreichen will”, so Madiberk.
Die Vision von Skeleton ist es, erfolgreich den Klimawandel zu bekämpfen, in dem man die Energieversorgung mit grünem Strom stabiler macht und der Elektromobilität mit zum Durchbruch verhilft. Hucke ist daher optimistisch, trotz des starken Wettbewerbs um Fachkräfte in der Dresdner Region, die versprochenen Arbeitsplätze auch besetzen zu können. “Wir bauen auf Energieenthusiasten”, sagt Hucke, der in Großröhrsdorf das Werk leitet.
Auch wenn die Firma inzwischen ein mittelständisches Unternehmen, habe es sich den Start-up-Charakter erhalten und biete den kreativen Mitarbeitern viel Freiraum, eigene Ideen umzusetzen, wirbt er. Hucke, gebürtiger Dresdner, hat sich selbst entschieden, einen Konzern zu verlassen, um bei Skeleton anzufangen. Und auch Vorstandschef Madiberk ist mit der Entwicklung in Großröhrsdorf sehr zufrieden. Der Talentpool und die Unterstützung durch die Politik und sächsische Wirtschaftsförderung seien hervorragend. Nur etwas mehr Aktion, Unternehmergeist und Entscheidungsfreude für Investitionen würde er sich wünschen. “Aber das bringen wir Esten mit”, sagt Madiberk und lacht.
Dulig: Ostsachsen hat Perspektive als Industriestandort
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig wertet die Investitionsentscheidung als ein “hervorragendes Zeichen” dafür, dass Ostsachsen auch in der Zukunft eine Perspektive als Industriestandort hat. Deutschland erlebe durch den beschlossenen Ausstieg aus Atomenergie und Braunkohle eine energiepolitische Zeitenwende. Alleine mit erneuerbaren Energien lasse sich die Versorgungssicherheit nicht bewerkstelligen.
Dazu bedürfe es auch neuer effizienter Speichertechnologien und die bietet Skeleton. Deshalb freue er sich über das Engagement in Sachsen, das hilft, die Energiepolitik weiterzuentwickeln. Skeleton Technologies, die zu den zehn besten Cleantech-Unternehmen der Welt gehören, verfolgt gemeinsame Projekte mit der TU Dresden und Fraunhofer-Instituten und ist auch an einem sächsischen Industriekonsortiums für die Zellfertigung für Energiespeicher beteiligt.
Das Konsortium hat es mit seinen Ideen auf die Liste geeigneter Sofortmaßnahmen der Landesregierung für den Strukturwandel in den Kohlerevieren geschafft. “Wir schaffen hochqualifizierte Arbeitsplätze im Zukunftsmarkt der Energiespeicherung und in der vom Braunkohle-Strukturwandel betroffenen Lausitz”, verspricht Hucke.
Von Nora Miethke
Foto: © Ronald Bonß