Von Miriam Schönbach
Dreistern. Es grenzt fast an ein Wunder, dass an diesem Mittwochabend kurz nach Neujahr kaum Lkw an der Raststätte Oberlausitz auf den Stellplätzen stehen. „Wir haben hier schon Situationen erlebt, dass die Laster wegen Überfüllung rückwärts auf die Autobahn stoßen mussten. Wir können von Glück reden, dass dabei nichts passiert ist“, sagt Martin Hottinger, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion, beim Fernfahrerstammtisch.
An vielen Tagen im Jahr fehlen beiderseits der A4 Stellplätze für die Laster. Mit der Eröffnung eines privaten Sicherheitsparkplatzes bei Dreistern in der Gemeinde Göda im März verspricht sich auch die Polizei Entlastung für die überlastete Raststätte.
Der private Investor ist Roland Zetsch aus Bautzen mit seinem Unternehmen BauCom. Zusammengearbeitet hat er bei diesem Projekt mit dem künftigen Pächter der Fläche, der Park Your Truck GmbH (PYT) aus Dessau. Das Unternehmen ist Europas größter Lkw-Parkplatzbetreiber.
„Wir haben 20.000 Lkw-Parkplätze seit unserer Gründung 2013 auf bereits bestehenden, versiegelten Flächen auf den Markt gebracht“, sagt Geschäftsführer René Stahl. Außer in Deutschland ist PYT in England, Polen, Italien, Frankreich und den Benelux-Ländern mit eigenen Projekten zu finden. In der Oberlausitz ist ein privater Lkw-Parkplatz noch Neuland, wie Fernfahrerstammtisch-Organisator Tino Hausdorf sagt.
Ab 17 Uhr Ausnahmezustand auf vielen Rastplätzen
Die ersten Ideen dafür liegen gut zwei, drei Jahre zurück. „Unsere Expertise ist es, Flächen zu finden. Dabei arbeiten wir mit Städten und Gemeinden zusammen und schauen, dass wir im besten Fall keine neuen Flächen versiegeln. Am besten ist es, bereits genutzte Flächen zu ertüchtigen“, sagt René Stahl.
Die Fläche im Dreisterner Gewerbegebiet in der Gemeinde Göda war vorher Lagerplatz. Der Standort liegt nur einige Autominuten vom Rasthof Oberlausitz entfernt. Gemeinsam haben die BauCom und PYT das Konzept für die 1,6 Hektar entwickelt – und einen Förderantrag beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) eingereicht.
Denn das BMDV unterstützt seit 2021 private Investoren beim Neubau von Lkw-Parkplätzen, beim Ausbau vorhandener Stellplätze und bei der Bereitstellung von Parkflächen auf Betriebshöfen. „Es gibt 80 Prozent Förderung. Das zuständige Bundesamt für Güterverkehr (BAG) hat die Brisanz beim Thema Parkplatzmangel erkannt. Schließlich herrscht deutschlandweit auf Rastplätzen ab 17 Uhr der Ausnahmezustand“, sagt René Stahl.
In Dreistern entstehen 69 Lkw-Stellplätze
Laut aktuellen Zahlen fehlen entlang der Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland pro Nacht zwischen 20.000 und 40.000 Lkw-Stellplätze. Nach ADAC-Angaben ist jede zweite Rastanlange bundesweit extrem zugeparkt.
Voraussetzung für die Bundesförderung ist, dass der Lkw-Parkplatz für mindestens zehn Jahre bestehen bleibt, ganzjährig von 18 bis 6 Uhr für mindestens 30 Lkw geöffnet ist, über ausreichend Toiletten und Duschen sowie ein System verfügt, das den aktuellen Belegungsgrad erfasst und diesen online auf dem Portal Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) bereitstellt.

Unter diesen Vorgaben ist in den vergangenen zwei Jahren in Dreistern ein hochmoderner Lkw-Stellplatz entstanden. „Wir sind jetzt bei 69 Parkplätzen für die Lkw. Wir haben zudem jetzt schon sechs Ladesäulen, zum Beispiel für Kühlboxen, vorgesehen. Es gibt Videoüberwachung, weil wir ein Sicherheitsparkplatz sind, eine Einzäunung, WLAN und einen Sanitärbereich mit WC und Duschen“, sagt Roland Zetsch.
Außerdem werde es einen Imbiss geben, der ebenfalls mit der Eröffnung des Parkplatzes in Betrieb genommen werden soll. Dieses Bistro soll sich nicht nur an die Übernacht-Parker richten, sondern auch an Kraftfahrer aus der Region, die ihre Pause machen müssen.
Künftig sollen E-Lkw in Dreistern auch Strom tanken
Der Parkplatz wird schrankengesichert. Die Wunschstellfläche kann vorab über ein Disponenten-Buchungsportal reserviert oder für Spontanparker direkt an der Schranke online gebucht werden. Mit einem QR-Code gibt es dann die Einfahrt auf das Areal. Für die auf gesicherten Parkplätzen anfallenden Gebühren können Logistikunternehmen Zuschüsse aus einem Förderprogramm des BAG beantragen, erklärt René Stahl.
Doch der neue Lkw-Parkplatz soll nicht nur die prekäre Stellplatz-Situation entlang der A4 entspannen. Hier wurde bereits weitergedacht: „Wir haben schon die Leerrohre für die Elektroinfrastruktur für die Ladung von E-Lkw mit verlegt. Da sollen Ladesäulen für 300 kW entstehen, die beiderseits von den Lkw genutzt werden können“, sagt Roland Zetsch. Wann der erste Lkw Strom in Dreistern tankt, ist noch offen. Fest steht aber, dass im März 2023 erstmals für Lkw die Schranken zum neuen Sicherheitsparkplatz aufgehen.