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Euroimmun verlagert Arbeitsplätze nach Norddeutschland

Der Hersteller von Labordiagnostika hat eine ganze Abteilung aus Bernstadt abgezogen. Das schafft Verunsicherung in der Oberlausitz. Wie geht's weiter?

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht eine Betriebsstätte von Euroimmun.
Die ehemalige "Zwirnerei" in Bernstadt ist seit 2013 eine Betriebsstätte von Euroimmun. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Von Anja Beutler

Es ist knackig kalt an jenem 8. Januar – einem Montag – in Bernstadt. Die Männer, die überwachen, wie mit einem Kran eine tonnenschwere Maschine auf einen Tieflader verfrachtet wird, sind dick eingemummelt. Frösteln lässt diese Szenerie so manchen unbeteiligten Beobachter aber auch ohne die zweistelligen Minusgrade – aus einem ganz anderen Grund. Denn was hier vorgeht, ist Gesprächsstoff in Bernstadt: Euroimmun, weltweit erfolgreich bei der Herstellung von Labordiagnostik, verlagert Arbeitsplätze – und damit eine komplette Abteilung samt Knowhow – aus Bernstadt in den Norden Deutschlands.

Konkret geht es nach SZ-Informationen um die Zerspanungsabteilung und acht Kollegen. Sie haben unter anderem Metallteile für die von Euroimmun selbst hergestellten Geräte gefertigt. Beschichtet und zusammengebaut wurde alles dann aber in Lübeck – schon immer. Jetzt ist alles an einem Standort konzentriert, die Transporte fallen damit weg – und in der Oberlausitz diese spezialisierten Arbeitsplätze. Die Mitarbeiter werden andere Jobs machen: Der Großteil, so hört man, wohl nicht mehr bei Euroimmun. Sie haben sich andere Arbeitgeber gesucht.

Wenig Kontakt zwischen Rathaus und Firma

Bernstadts Bürgermeister Markus Weise (Freie Wählergemeinschaft) treibt das durchaus Sorgenfalten auf die Stirn. Er sitzt nur wenige Meter entfernt vom Bernstädter Euroimmun-Standort im Rathaus. „Wir haben nur durch die nötigen verkehrsrechtlichen Genehmigungen für den Transport überhaupt erst von der Verlagerung erfahren“, erklärt er und fügt hinzu: „Ich will nicht hoffen, dass das der Anfang vom Ende ist.“ Dass es nach dem Verkauf von Euroimmun durch Gründer Winfried Stöcker 2017 an das amerikanische Unternehmen Perkin Elmer zu Veränderungen kommen werde, habe er erwartet, sagt Weise. Jetzt seien diese Veränderungen eingetreten. Da es aber vor Ort in der Oberlausitz inzwischen keinen Standortleiter von Euroimmun mehr gebe, sei nach und nach die Kommunikation zwischen Unternehmen und Stadt abgebrochen, bedauert Weise. Ob es Pläne – und wenn ja, welche – für die Betriebsstätten in Rennersdorf und Bernstadt in der Oberlausitz gibt, das hätte nicht nur Weise gern gewusst.

Man sieht Maschine, die auf einen Sattelschlepper verladen wurden.
Die großen Maschinen werden am 8. Januar in Bernstadt auf einen Sattelschlepper verladen. Das Ziel ist Norddeutschland.
© privat

Wie die Strategie des Unternehmens aussieht, lässt sich prinzipiell erahnen, denn die Verlagerung der Zerspanungsabteilung ist nicht die erste Veränderung: Bereits 2019/20 sind Arbeitsplätze nach Norden abgezogen worden – in dem Fall betraf es die Kollegen für den Spritzguss und für die Kunststoffbeschichtung. Umverlegt wurden dem Vernehmen nach zusammen etwa 15 Arbeitsplätze. Nach den nötigen, gut qualifizierten Mitarbeitern hatte das Unternehmen einst lange gesucht.

Damit ist nun die gesamte Konstruktionsabteilung von Euroimmun, die es in der Oberlausitz gab, Geschichte. Dabei war gerade für diese Arbeitsplätze extra die „Alte Zwirnerei“ in Bernstadt saniert worden, wo die Firma 2013 eingezogen ist. Der damalige Firmenchef Winfried Stöcker, der familiäre und emotionale Bindungen an die Region hat, hatte großen Wert darauf gelegt, dass auch in der Oberlausitz diese Abteilungen in den Betriebsstätten vorhanden sind.

Dementi aus Firmenzentrale

Nahe liegt daher, dass die amerikanischen Euroimmun-Eigentümer einiges neu sortieren, um effektiver – und mit weniger Transportkilometern – zu arbeiten. Denn von Rennersdorf und Bernstadt zum Hauptstandort Lübeck ist es weit – etwa 550 Kilometer. Die Betriebsstätten Dassow und Selmsdorf, aber auch Groß Grönau liegen hingegen in einem 30-Kilometer-Radius um die Lübecker Zentrale. Nur der Euroimmunstandort in Pegnitz bei Nürnberg liegt mit rund 630-Autokilometern noch ein Stück weiter weg. Auch zu Pegnitz hat Gründer Stöcker übrigens einen familiären Bezug: Hierher kam die Familie nach der Ausreise aus der DDR. Ist also die Oberlausitz nun „zu weit ab vom Schuss“ und muss gar mit Schließung rechnen?

Dieser Befürchtung widerspricht Dirk Beecker, Vorstandsvorsitzender der Euroimmun AG, auf SZ-Nachfrage deutlich: „Der Betrieb des Euroimmun-Standortes in der Oberlausitz steht derzeit nicht infrage“, erklärt er schriftlich. Im Laufe der Jahre habe man immer wieder „notwendige Anpassungen des Unternehmens vorgenommen und werde dies auch weiterhin tun, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit an allen Euroimmun-Standorten zu erhalten“, heißt es weiter. Für das Jahr 2024 konzentriere sich Euroimmun konsequent auf die „Kerngeschäftsfelder in einem äußerst aggressiven Markt“. Weitere Informationen, was an Anpassungen künftig zu erwarten ist und welche Rolle die Oberlausitzer Betriebsstätten für das Unternehmen spielen, präzisierte der Vorstandsvorsitzende nicht näher. Es ist aber davon auszugehen, dass bei Euroimmun eine ähnliche Spezialisierung erfolgt wie wenige Meter weiter bei Birkenstock über Jahre zu beobachten war.

Dass bei Euroimmun nun gut bezahlte Arbeitsplätze weggefallen sind, ist zweifelsfrei ein Verlust für die Oberlausitz. Geblieben sind nach SZ-Informationen aber dennoch mehr als 200 Arbeitsplätze in der Laborproduktion sowie beispielsweise auch das Personal für die Küche in Rennersdorf. Ähnlich wie bei Birkenstock ist auch bei Euroimmun die Oberlausitz zu einem großen Produktionsstandort mit guten Jobs gewachsen. „Viele Mitarbeiter kommen aus Bernstadt und Umgebung und es sind qualifizierte Arbeitsplätze“, unterstreicht Bürgermeister Weise. Das sei wichtig in einer strukturschwachen Region.

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