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Firma in Weißwasser macht Autofahren weltweit sicherer

Die ATD-Models GmbH entwickelt Rechenmodelle für virtuelle Dummy-Crash-Tests. Die sind bei Autobauern in aller Welt gefragt. In der Fremde sehr erfolgreich, sieht die Firma in der Heimat Nachholbedarf – und richtet einen Appell an Sachsens SPD-Chef.

Lesedauer: 4 Minuten

Constanze Knappe

Weißwasser. Innovationen aus Weißwasser erobern die Welt. Noch dazu im Automobilbau. Das dürfte längst nicht jedem bekannt sein. Die Firma ATD-Models GmbH entwickelt virtuelle Crash-Test-Dummys. Und das als einer von derzeit nur zwei Herstellern in der Welt. Lediglich in Italien gibt es noch einen dritten Anbieter, der allerdings eine Nische bedient.

Wie sich das Unternehmen auf dem Weltmarkt behauptet, darüber informierte sich am Mittwoch Sachsens SPD-Chef Henning Homann, der als Landtagsabgeordneter zugleich Sprecher seiner Fraktion für Arbeit, Digitalisierung, Strukturwandel, Verkehr und Wirtschaft ist. Dem Politiker aus Döbeln stand die Überraschung geradezu ins Gesicht geschrieben, denn in dem einstigen, noch dazu unter Denkmalschutz stehenden Forstamt in der August-Bebel-Straße in Weißwasser hätte er nie und nimmer ein derart innovatives Unternehmen vermutet.

Die ATD-Models GmbH entwickelt Rechenmodelle für Dummy-Crash-Tests – und das für Autobauer in aller Welt. Im hauseigenen Labor erläutert Geschäftsführer David Blauth (links) dem SPD-Landtagsabgeordneten Henning Homann, wie mit Vermessungen an Dummys die Computersimulationen noch genauer werden.
Die ATD-Models GmbH entwickelt Rechenmodelle für Dummy-Crash-Tests – und das für Autobauer in aller Welt. Im hauseigenen Labor erläutert Geschäftsführer David Blauth (links) dem SPD-Landtagsabgeordneten Henning Homann, wie mit Vermessungen an Dummys die Computersimulationen noch genauer werden.
Quelle: Constanze Knappe

Die Geschäftsidee beruht auf der Tatsache, dass beim Aufprall eines Fahrzeugs enorme Kräfte in sehr kurzer Zeit wirken. Wie Airbags, Gurtstraffer, Autositze und die ganze Karosserie konstruiert und gebaut sein müssen, damit Insassen bei einem Unfall eine Überlebenschance haben, beschäftigt die Industrie fortlaufend. Vor der Zulassung eines jeden neuen Fahrzeugmodells haben die Hersteller penibel die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Kriterien zu erfüllen, und auch der Verbraucherschutz stellt immer höhere Anforderungen an die Sicherheit.

Mit Dummys, die voller Sensoren stecken, werden beim Aufprall die Kräfte an besonders sensiblen Stellen wie Kopf, Brust, Becken und Beinen gemessen. „Die Brust eines Dummys darf nach dem Test maximal 50 Millimeter eingedrückt sein. Damit hätte das Opfer zwar gebrochene Rippen, aber es würde überleben“, erklärte Geschäftsführer David Blauth, der ein diplomierter Physiker und noch dazu Doktor der Naturwissenschaft ist. Dabei macht es aus seiner Sicht übrigens keinen Unterschied, ob ein männlicher oder weiblicher Dummy zum Einsatz kommt. Viel mehr käme es auf Größe und Gewicht an, denn es gebe ja auch kleine Männer.

Als Berufspendler die zündende Idee gehabt

Der Knackpunkt: Solche Crashtests sind sehr teuer. Deshalb reduzieren die Hersteller die Tests mit echten Fahrzeugen und lassen parallel dazu verschiedenste Unfallszenarien am Computer durchspielen. Aus den dabei ermittelten Daten gewinnen sie ebenfalls Erkenntnisse, wie sie Bauteile anpassen, damit beispielsweise Fußgänger bei einem Zusammenstoß möglichst wenig Schaden nehmen. Die Rechenmodelle dafür entwickelt die Firma in Weißwasser – und das für namhafte Automobilbauer in aller Welt, ebenso für Zulieferer und ingenieurtechnische Dienstleister.

Auf dem elterlichen Hof im Schleifer Ortsteil Rohne gründete Peter Schuster 2009 die Firma. Der Ingenieur hatte an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus studiert und dann bei Porsche in Stuttgart gearbeitet. Auf den langen Heimfahrten sagte er sich immer wieder, dass es doch Alternativen zu den realen Tests geben müsse. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los, und so wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit.

Wollen von Weißwasser aus das Autofahren in aller Welt noch sicherer machen: Dipl.-Ing. Jörg Noack, Geschäftsführer David Blauth, Firmengründer und Geschäftsführer Peter Schuster und Andreas Droigk (von links).
Wollen von Weißwasser aus das Autofahren in aller Welt noch sicherer machen: Dipl.-Ing. Jörg Noack, Geschäftsführer David Blauth, Firmengründer und Geschäftsführer Peter Schuster und Andreas Droigk (von links).
Quelle: Archiv: Joachim Rehle

Inzwischen hat das Unternehmen zwölf Mitarbeiter. Peter Schuster führt es bis heute und das zusammen mit David Blauth. Die beiden Männer kennen sich vom gemeinsamen Zivildienst in einem Kindergarten in Weißwasser. Blauth bot sich mit dem Einstieg bei ATD die Chance, in der Heimat zu bleiben.

Vor fünf Jahren richteten sie im Forsthaus ein eigenes Labor ein. Damit können sie an den Werkstoffen einzelner Bauteile untersuchen, wie Materialien auf Zug oder beim Fall aus einer bestimmten Höhe und bei anderen Krafteinwirkungen reagieren. So lassen sich noch genauere Simulationen am Computer erstellen.

Infrastruktur der Oberlausitz als Hemmnis

Mehrfach war David Blauth schon in den USA. Gremienarbeit sei enorm wichtig, um zu erfahren, wie Dummys verbessert oder neu erfunden werden. Neben dem Austausch übers Internet spiele der persönliche Kontakt eine große Rolle. „Wenn man morgens in Rohne losfährt und 20 Stunden später in Peking ist, das hat schon was“, meint er schmunzelnd. ATD müsse in China aktiv sein, damit deutsche Autobauer die dort geforderten Sicherheitstests bestehen und Fahrzeuge verkaufen können.

Von den zwölf Mitarbeitern im Unternehmen sind acht Ingenieure. Einige, etwa in Cottbus oder Polen, arbeiten im Homeoffice. Außerdem betreibt ATD seit zwei Jahren ein kleines Büro in Berlin. Einmal die Woche trifft man sich im Forsthaus in Weißwasser. Auf diesen persönlichen Austausch legt David Blauth großen Wert.

Wenn die Autobauer sparen müssen, suchen sie nach Alternativen. – David Blauth, Geschäftsführer

Ebenso auf die engen Kontakte zur Universität in Cottbus und zur Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Wenn man sich mit der Technischen Hochschule in Dresden einig wird, sei auch ein kleines Büro in Dresden vorstellbar. Mit der Hochschule in Zittau/Görlitz passe es hingegen inhaltlich nicht wirklich. Zudem sei es „von Weißwasser nach Zittau eine Weltreise“, sagte er.

Erst vor einer Woche aus Japan und Korea zurück, sieht er in der Infrastruktur der Oberlausitz ein großes Hemmnis. Nach Dresden käme man ohne Auto kaum, und die Bahnverbindung nach Berlin sei ebenfalls verbesserungswürdig. Immerhin habe man seit dem Frühjahr 2025 wenigstens schnelles Internet. Das Glasfaserkabel lag gegenüber schon lange an. Dennoch sei es ein harter Kampf gewesen. Verständnis hat Blauth als Chef einer Firma, die mit Kunden in aller Welt kommuniziert, dafür ganz und gar nicht. Denn seine Leute hätten auch sehr gut im Support zu tun. Dafür sei die Digitalisierung eine Voraussetzung.

Von der Automobilkrise bislang sogar profitiert

Die Krise der Automobilindustrie bekommt ATD zu spüren. Derzeit kann das Unternehmen in Weißwasser davon aber sogar profitieren. „Wenn die Autobauer sparen müssen, suchen sie nach Alternativen“, weiß David Blauth. Als kleine Firma könne man zum Teil günstiger agieren als der große Mitbewerber. „Wir sind konkurrenzfähig“, betont der ATD-Chef und fügt hinzu, dass man sich in der Bezahlung der Mitarbeiter am Tarifvertrag der Automobilindustrie in Baden-Württemberg orientiere. „Die Krise ist erstmal gut für uns, solange die Hersteller bloß Kosten sparen. Aber wenn einige in Deutschland schließen würden, hätte das auch Auswirkungen auf uns“, sagte er.

Das Domizil im einstigen Forsthaus sei mehreren Zufällen zu verdanken. „Der Freistaat wollte das Objekt verkaufen. Wir hatten nach einem Großauftrag das erste Mal richtig Geld auf dem Konto, und es wollte kein anderer haben“, meinte er.

An den Landtagsabgeordneten appellierte der Unternehmer, dass dringend etwas zur Verbesserung der Infrastruktur in der Oberlausitz getan werden müsse. Das sieht auch Sachsens SPD-Chef Henning Homann so. Der war beeindruckt von den Leistungen der ATD-Models GmbH. „Wir brauchen schnelle Verbindungen und die Anbindung des ländlichen Raums an große Zentren, damit Schätze wie die Firma hier sich weiter entwickeln können“, sagte er.

SZ

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