Zweimal hat die Gemeinde Rosenthal-Bielatal die Bauleistungen für die Wärmedämmung an der Turnhalle in Rosenthal ausgeschrieben. Doch es fand sich kein Bauunternehmen, das den vergleichsweise kleinen Auftrag haben will. Solche Fälle könnten sich demnächst noch häufen. Das geht aus der aktuellen Konjunkturanalyse der Handwerkskammer Dresden hervor, zu deren Gebiet neben der Landeshauptstadt auch die Landkreise Meißen, Bautzen, Görlitz und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehören. Demnach haben fast 60 Prozent der befragten Betriebe aus dem hiesigen Landkreis erklärt, dass sie zu 100 Prozent ausgelastet sind. Das ist der höchste Wert im Kammerbezirk. Hauptsächlich trifft das auf das Bau- und Ausbaugewerbe zu, das auch den größten Anteil der Mitgliedsbetriebe stellt.
An der ausgesprochen guten Konjunktur werde sich so schnell auch nichts ändern, heißt es. 16 Prozent der Betriebe gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage weiter verbessern wird. Nur sechs Prozent vermuten, dass es demnächst schlechter wird. Der Rest geht von gleichbleibenden Geschäftsergebnissen aus. Die Handwerksbetriebe könnten also einstellen, finden aber nicht mehr genügend ausgebildete Mitarbeiter. „Bei mir rufen täglich Metallbaubetriebe oder andere Handwerksunternehmen an und fragen nach Mitarbeitern“, sagt Norbert Rokasky, Geschäftsführer der Ausbildungsgesellschaft für Metalltechnik und Schweißer (AMS). Jedes Jahr machen bei ihm in Heidenau etwa 100 bis 150 Leute eine Weiterbildung. Außerdem bringen es etwa 40 Auszubildende zu einem Facharbeiterabschluss. „Die kommen alle gesichert in einen Job. Ich könnte locker hundert Leute vermitteln“, sagt Rokasky.
Doch es fehlt an Bewerbern. AMS arbeite schon eng mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur zusammen. Auch Asylbewerber bekommen eine Chance, sobald sie ordentliche Sprachkenntnisse vorweisen. „Also A 2 muss es schon sein, besser B 1“, sagt der Geschäftsführer. Die Stufe A bedeutet Grundverständnis, B selbstständige Anwendung und C kompetente Verwendung der Sprache.
Dass es trotz aller Anstrengungen gelingen wird, die nötigen Fachkräfte zu gewinnen, da sind die Handwerksbetriebe im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge besonders skeptisch. Obwohl die Auftragslage bombastisch und die Mehrzahl der Betriebe voll ausgelastet ist, erwartet kaum ein Handwerksmeister, dass sich die Zahl der Beschäftigten demnächst erhöhen wird. Keine fünf Prozent der Befragten gehen davon aus. Stattdessen glauben doppelt so viele Unternehmen, dass die Anzahl der Beschäftigten eher sinken wird. Das ist die entgegengesetzte Tendenz zu allen anderen Landkreisen des Kammerbezirks.
Warum das im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge so ist, da kann auch Kreishandwerksmeister Gunter Arnold nur spekulieren. „Die Jugend interessiert sich kaum noch für Berufe, in denen man sich auch mal dreckig macht. Zudem locken Industriebetriebe mit attraktiven Angeboten“, mutmaßt er. Außerdem ist die Sächsische Schweiz touristisch geprägt. In der Region gibt es weniger Jobs für Akademiker, aber dafür viele für Facharbeiter im Dienstleistungs- und Handwerkssektor. So werden die Bewerber für freie Stellen rar. Am Ende sinkt die Beschäftigtenzahl im Handwerk, obwohl die Konjunktur besser kaum sein kann.
Der Präsident der Handwerkskammer Dresden, Jörg Dittrich, hat vier Punkte ausgemacht, bei denen die Politik etwas tun müsse, um den ländlichen Raum zu stärken. So müsse der demografischen Entwicklung entgegengetreten werden, in dem ein lebenswertes Umfeld für junge Menschen und Familien garantiert wird. Dies könne unter anderem durch die Förderung der Innenstädte gelingen. Des Weiteren sollten Förderprogramme wie Leader oder die Förderung zur Existenzgründung von Frauen im ländlichen Raum beibehalten oder gar aufgestockt werden. So könne der Schritt in die Selbstständigkeit attraktiver gestaltet werden. Das würde es auch erleichtern, Unternehmensnachfolger zu finden. Existenziell für das Handwerk sei die Infrastruktur vor Ort. „Vorhandene ÖPNV-Strukturen sollten aufrechterhalten beziehungsweise ausgebaut werden, darauf aufbauend ein sachsenweites Azubi-Ticket eingeführt werden“, erklärt Dittrich. Insbesondere im grenznahen Raum müsse außerdem das Thema Sicherheit im Fokus stehen. Betrieben entstehen durch Diebstähle und Einbrüche Schäden und hohe Kosten. Der Freistaat bildet inzwischen mehr Polizisten aus. Bis das Wirkung zeigt, dürfte es aber noch dauern.
Die Gemeinde Rosenthal-Bielatal muss aber eher eine Lösung finden. Sie will die Dämmarbeiten an der Turnhalle jetzt noch mal zusammen mit den Dacharbeiten ausschreiben und hofft, dass es für ein größeres Baulos doch noch Angebote gibt.
Von Gunnar Klehm
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