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Garnelenzüchter in Nebelschütz

Drei junge Männer gründeten Suburban Seafood. Jetzt wird aufgebaut, und noch 2019 gibt es die ersten Meeresfrüchte.

Lesedauer: 4 Minuten

Nussig, mild und knackig schmeckt eine frische Pazifische Weißbein-Garnele. Garnelen sind nach Lachs die zweitbeliebteste Meeresspeise in Deutschland. Überall in den tropischen Regionen der Erde werden Garnelen in riesigen Teichanlagen gezüchtet. Und das mit Folgen für Mensch und Natur. Vor diesem Hintergrund entwickelten Ingenieure sogenannte Indoorgarnelen-Farmen, welche sich in Verbrauchernähe auch in kalten Regionen aufbauen und betreiben lassen. Mittlerweile gibt es europaweit viele dieser Farmen, und eines eint alle: Sie beziehen ihre Babyshrimps zur Aufzucht aus den USA. „Bald sollen Babyshrimps aus Nebelschütz kommen“, sagt der Dresdner Friedrich Tietze (35), Diplom-Ingenieur für Wasserwirtschaft. Mit Wirtschafts-Ingenieur Roman Schwarz (39) und mit Biotechnologe Felix Kirsten (27) rief er in Nebelschütz die Firma „Suburban Seafood“ ins Leben.

Seit Juli vorigen Jahres richten sie einen stillgelegten Schweine-Stall vor. Die Nebelschützer Sauenzuchtanlage stellt ihn bereit. Die gesamte Halle galt es zu entrümpeln und zu entkernen. Die drei Männer entsorgten rund 20 Tonnen Metall in sechs großen Containern und rissen mühevoll den kompletten Betonboden heraus. „Den Abbruch haben wir geschafft. Seit Januar folgt der Aufbau“, sagt Felix Kirsten. An der BTU Senftenberg studierte er Biotechnologie. Seit früher Kindheit fasziniert ihn die Biologie der Kleinstlebewesen. „Zur Aufzucht der Larven brauchen wir einzellige Mikroalgen und mikroskopisch kleines Zooplankton. Dafür ist Felix unser Mann.“, sagt Geschäftsführer Friedrich Tietze. „Der Kosmos Wasser hat mich fasziniert, seit ich als Kind bäuchlings auf dem Steg am Waldsee lag und im glasklaren Wasser die Fische beobachtete.“ Als Student baute er in Berlin und in New York Aquarien und entwarf Pläne für den Bau eines Schau-Aquariums im Wiener Loch in Dresden, dem größten zentralen Baugrundstück nahe der Prager Straße, um möglichst vielen Menschen diese andere Welt nahe zu bringen.“ Der Schutz und der verantwortungsvolle Umgang mit Ökosystemen sind sein Anliegen. Vor einem Jahr bestaunte er die Artenvielfalt der Korallenriffe um Raja Ampat in Indonesien. „Es ist erschreckend, dass selbst an der entlegensten Insel schon Plastikmüll am Strand liegt“, sagt er und erzählt von den Küsten der Insel Sulawesi, wo quadratkilometerweit Mangrovenwälder den Shrimp-Farmen weichen mussten. Felix Kirsten erzählt seinerseits von den Folgen der Überfischung. Auf einem Forschungsschiff des Thünen-Instituts Rostock fischte er in der Ostsee vor der Insel Bornholm Dorsche. „Doch kaum ein Fisch war älter als drei Jahre. Es gab kaum noch mehrjährig ausgewachsene Dorsche“, sagt er.

Eine 50-prozentige Förderung

Ein Zeichen wollen die drei jungen Männer in Nebelschütz setzen. Die dortige Aufzucht der Pazifischen Weißbeingarnele soll umweltschonend und zu 100 Prozent rückverfolgbar sein. „Wir versiegeln keine Flächen. Wir bauen nicht neu. Stattdessen nutzen wir vorhandene Bausubstanz“, sagt Roman Schwarz. Der gebürtige Herrnhuter kommt aus einer Unternehmerfamilie. Dort erlebte er Höhen und Tiefen mit. „Mein Vater hatte eine Dachdeckerei. Von ihm lernte ich: ohne Risiko kein Gewinn, Scheitern im Leben gehört dazu. Wichtig ist, immer wieder aufzustehen und neu zu beginnen.“ Die Idee für „Suburban Seafood“ hat Roman Schwarz deshalb von Anfang an unterstützt.

Friedrich Tietze arbeitet schon seit fünf Jahren an ihrer Umsetzung. Im Dezember 2016 traf er Andreas Kretschmer von der in Nebelschütz ansässigen Greentec Consult GmbH, die sich intensiv in der Gemeinde- und Regionalentwicklung engagiert. Sofort war dieser von der Idee Garnelenzucht begeistert. Er sah einzigartiges Potential und vermittelte den Kontakt zur Sauenzuchtanlage. Die damalige Geschäftsführerin Monika Srocka war offen für das Vorhaben. Ebenso die Gemeinde. „Wir spürten von Anfang an starkes Vertrauen“, sagt Friedrich Tietze. Im März 2018 stellte er mit den Kollegen erstmals das Konzept dem Gemeinderat vor. Im Februar 2019 stimmte der Gemeinderat einstimmig dem Bauvorhaben zu. Bürgermeister Thomas Zschornak: „Wir suchen schon seit Jahren neue Wege für die Landwirtschaft und für die Produktion von Nahrungsmitteln. Dabei geht es uns stets um enkeltaugliche Entwicklung.“ Es gehe um die Produktion gesunder Lebensmittel. Dabei sei das Projekt Garnelen ein wichtiger Meilenstein.

Dank eines Existenz-Gründer-Stipendiums in Kooperation mit der TU hatten die jungen Männer Zeit, Finanzierungspartner zu finden, Förderanträge zu stellen, die Anlage für diesen Standort zu planen und das Unternehmen zu gründen. 50 Prozent der Kosten für den Bau der Aquakultur-Anlage werden aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifond (EMFF) getragen. Die übrigen Mittel bringt die Firma selbst auf.

Der Rohbau ist bald abgeschlossen. So kann dann das System aus großen und kleinen Becken, Filtern, Sensoren und computergesteuerten Pumpen installiert werden. Das Wasser kommt aus dem eigenen Brun-nen, wird gefiltert und aufbereitet und mit künstlichem Meersalz angemischt. Strom und Wärme aus Biogas liefert das eigene Blockheizkraftwerk. Die Gebäude-Isolierung stammt aus der Raumfahrttechnik. „Bei schwülheißen 29 Grad Celsius werden dann geschlechtsreife Elterntiere in großen Rundbecken so umsorgt, dass sie sich fortpflanzen. Die abgelaichten Eier werden herausgefiltert und zum Schlüpfen gebracht. Dann dauert es drei Wochen, bis sich daraus fertige Garnelenlarven entwickelt haben“, so Friedrich Tietze. „Diese Baby-Garnelen wollen wir dann europaweit an Farmer verkaufen. Anfragen gibt es von Fuerteventura in Spanien bis St. Peters-burg in Russland.“ In Deutschland gebe es inzwischen mehrere Indoorfarmen. Auch in Kirschau bei Bautzen werden jetzt Garnelen produziert. „Der Markt in ganz Europa ist groß genug, um hier eine Besatztier-Produktion wirtschaftlich zu betreiben. Wenn wir nur 50 Prozent der europäischen Garnelen-Farmer als Kunden haben, dann trägt sich unser Geschäftsmodell.“

Sogar bis zur Verzehrreife

Ein individueller Kundenservice, eine antibiotikafreie Aufzucht und die hundertprozentige Rückverfolgbarkeit sollen den Erfolg bringen. „Als zweites Standbein errichten wir ein Becken für die Erzeugung von jährlich bis zu drei Tonnen marktfertiger, verzehrreifer, frischer Garnelen aus eigenen Larven“, sagt Friedrich Tietze. „Damit wollen wir Restaurants, Hotels, Fischgeschäfte und nach Möglichkeit auch den Nebelschützer Dorfladen mit beliefern.“ Ein langer Weg liegt bereits hinter den drei jungen Männern. Ende April wollen sie den Rohbau abschließen. Im Mai beginnt der Aufbau der Anlagen. Becken, Filter und Zubehör entstehen. Im Juni sollen die ersten Garnelen eingesetzt werden. Noch in diesem Jahr soll die Produktion starten. Und Weihnachten sollen die ersten Garnelen verzehrfertig die Anlage verlassen.

 

Text und Foto: © Andreas Kirschke
Von Andreas Kirschke

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