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Gedankenleser Thorsten Havener spricht über Manipulation und Lügen

Fake News, verschwiegene Details: Die Wahrheit hat es heute oft schwer. Doch der Autor Thorsten Havener weiß, woran man Lügner erkennt – und wie man selbst am besten überzeugt.

Lesedauer: 5 Minuten

Das Bild zeigt Herrn Havener.
Wahrheit oder Lüge? Thorsten Havener könnte es wissen. © Sprecherhaus/Bernt Haberland

Von Sylvia Miskowiec

Selbst die Großen fallen drauf rein. 40.000 Euro zahlten die Sächsischen Kunstsammlungen an einen vermeintlichen Juwelenhändler, der vorgab, Schätze aus dem Einbruch ins Grüne Gewölbe zu besitzen. Der Mann wurde kürzlich wegen Hochstapelei verurteilt. Gefeit vor Manipulation sei niemand, sagt Thorsten Havener. Im Interview spricht der passionierte Zauberer und Körpersprachenexperte über Methoden der Beeinflussung und verrät, wie man es schafft, über sich selbst hinauszuwachsen.

Herr Havener, wenn ich wissen will, wie mein Gegenüber tickt, ob es die Wahrheit sagt, worauf muss ich da achten?

Zuerst einmal auf sich selbst, die eigenen Erwartungen, niemand ist frei davon. Auch nicht von Gefühlen, die vielleicht gar nichts mit dem Inhalt des Gesagten zu tun haben. Man trifft beispielsweise jemanden zu einem Gespräch. Und diese Person erinnert einen an einen Typen, der einen als Kind immer geärgert hat. Sicher werden Sie diesem Menschen erst mal nicht so offen gegenübertreten. Wichtig ist, dass man dieses Gefühl wahrnimmt, ihm aber nicht die Führung überlässt. Dann folgt Schritt zwei: auf Veränderungen beim Gegenüber schauen. Die können viel verraten. Aber es gibt nicht den einen Kniff, die eine Geste, denn Menschen sind unterschiedlich. Worin wir uns aber gleichen, ist, dass wir uns verändern, wenn in uns etwas vorgeht. Die äußere Haltung folgt der inneren Haltung.

Welche Veränderungen sind universell?

Die von An- und Entspannung. Stellen Sie sich mal kurz vor, Sie hätten was Leckeres gegessen, sitzen in einem schönen Garten, die Vögel zwitschern. Na? Was passiert? Ihre Gesichtszüge entspannen sich, Sie lächeln vielleicht sogar, Ihre Augen gehen weiter auf, Sie ziehen die Augenbrauen etwas nach oben. Prinzipiell deuten alle Bewegungen nach oben auf Entspannung hin. Jene nach unten auf Anspannung: Die Mundwinkel sinken, die Augenbrauen ziehen sich zusammen. Wichtig ist auch die Haltung der Hände, der Schultern. Wer auf kleine Veränderungen achtet, versteht viel mehr als nur die gesagten Worte. Am Ende entlarvt sich so auch der Lügner, denn der ist meist angespannt.

Funktioniert das bei allen?

Das ist einerseits jahrelange Übung, andererseits immer vom Gegenüber abhängig. Erfahrene Manipulatoren lassen sich nicht so schnell in die Karten gucken. Prinzipiell kann man sagen: Jemand, der lügt oder etwas vertuschen will, bewegt sich häufiger als sonst bei seinen Ausführungen. Er bricht den Blickkontakt immer wieder ab. Das deutet daraufhin, dass er nachdenken muss. Er berührt sich oft im Gesicht, gibt sogenannte Parasitenlaute von sich, also so etwas wie „ähm“ oder Räuspern.

Auf welche Täuschungen fallen wir oft herein?

Wir lassen uns besonders gern von allem verleiten, was mit Emotionen zu tun hat.

Warum ist das so?

Wir sind in erster Linie von unseren Emotionen beeinflusst, das zeigen Hirnforschungen. Die Emotionen springen als Erstes an, ob wir wollen oder nicht. Wir entscheiden zunächst aus dem Bauch heraus und legen uns danach rationale Argumente zurecht, um unsere emotionale Entscheidung als vernünftig zu untermauern. Menschen, die andere überzeugen wollen, arbeiten daher ganz oft mit Emotionen. Je stärker die sind, desto schwerer hat es die Ratio, dagegen anzukommen.

Mehr Gefühl statt kühler Berechnung, das klingt doch erst mal sympathisch …

Solange wir über positive Emotionen sprechen, mag das ja sein, aber wie sagt man selbst dazu? Liebe macht blind. Und wenn wir zu den negativen Gefühlen kommen – Unsicherheit, Gier, Hass, Scham und allen voran die Angst –, wird es noch kritischer. Das zeigen Beispiele aus der deutschen Geschichte leider sehr deutlich. In der Gegenwart sieht es ähnlich aus. Wie oft werden gerade in der Politik Ängste geschürt, um Menschen von etwas zu überzeugen?

Wie kann man sich gegen eine solche Vereinnahmung schützen?

Wir müssen uns bewusst werden, dass wir emotional sind. Und den Kopf einschalten, bevor wir handeln oder antworten. Das Unterbewusstsein und unsere Emotionen sind gute Diener, aber der Chef sollte immer der Verstand bleiben. Denn der kann erkennen, woher das Gefühl wirklich kommt, das man verspürt. Diese Selbstreflexion vermisse ich in vielen öffentlichen Debatten, die sehr emotional geführt werden. Schlimmer noch, es werden Meinungen als Fakten verkauft, die eigene Meinung als unumstößlich betrachtet, alles andere als falsch. So was beendet jede Diskussion.

In Ihrem Buch „Mach doch, was ich will – Die Kunst der Manipulation“ geben Sie Tipps, wie man seinen Standpunkt auf eine höfliche, aber bestimmte Art geltend machen kann. Wobei „Manipulation“ schon etwas hart klingt …

Wir werden jeden Tag auf eine gewisse Weise manipuliert, von vielen Menschen. Besser gesagt: Wir werden ständig beeinflusst. Ich habe in einer Studienarbeit etwas gelesen, das beim Unterscheiden hilft: Jede Kommunikation ist Beeinflussung. Manipulation dagegen ist kalkulierte Beeinflussung, da will jemand was erreichen und schreckt vor Täuschung nicht zurück.

Welche Methoden sind die häufigsten?

Eine oft angewandte Art der Manipulation ist es, einfach etwas felsenfest zu behaupten. Schauen Sie Trump an: Er stellt sich großspurig hin und behauptet etwas, immer und immer wieder. Die unerschütterliche Art der Wiederholung sorgt dafür, dass sich das Gesagte in den Köpfen festsetzt oder zumindest irritiert. Vorsicht ist auch geboten bei Gesprächen, die ein „Wenn …, dann …“ beinhalten, auch indirekt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand eine Forderung stellt und hinterherschiebt: „Du magst mich doch, oder?“ Das heißt: „Wenn Du meiner Forderung nicht nachkommst, magst Du mich nicht.“ Das ist höchst manipulativ und spielt mit den Emotionen der Zuneigung und Verlustangst. Andere nutzen gern „den Fuß in der Tür“.

Wer den Fuß in der Tür hat, ist schnell drin, ohne sich vorher ganz gezeigt zu haben …

Genau. Diese Menschen bitten jemanden um einen Gefallen, spielen aber nicht mit offenen Karten. Ein Freund fragt Sie beispielsweise, ob Sie ihn zum Flughafen bringen könnten, sein Auto sei kaputtgegangen. Mit der Frage wird übrigens eine Emotion in Ihnen angesprochen, Mitleid. Das weckt den Wunsch zu helfen und Sie sagen Ja. Doch dann sagt er Ihnen, danke, der Flug geht morgens um sieben, wir müssten so gegen fünf los. Jetzt ist es schwer, das Ja vom Anfang zurückzunehmen, denn eine andere Emotion setzt da ein: Scham, dass Ihr Freund Sie übers Ohr gehauen hat. Und Zweifel, ob man zurückrudern darf.

Was lässt sich dagegen tun?

Erst mal: Kopf an, Emotionen runter. Und dann Mut haben und die Methode ansprechen. Kann man ja nett machen. Bei Trump mag nett nicht helfen, aber beim Freund vielleicht. „Du hast gerade die Vorzeichen geändert, jetzt sieht die Situation für mich anders aus …“ – so in etwa.

Gibt es auch positive Manipulation?

Klar, fragen Sie mal meine Kinder (lacht). Im Ernst: Wir kennen es alle, je besser die Stimmung, desto eher bekommen wir Zustimmung für etwas. Also machen wir Schönwetter, wenn wir was wollen, verteilen Komplimente. Die wirken sogar, wenn das Gegenüber weiß, dass sie nicht ganz ernst gemeint sind, das ist wissenschaftlich erwiesen! Und dann gibt es noch etwas, was sich auch Therapeuten zunutze machen: die Kraft der Imagination. Denn die Vorstellungskraft ist stärker als der Wille.

Das müssen Sie genauer erklären, bitte.

Die Vorstellungskraft ist sehr mächtig. Ein Beispiel: Probanden einer Studie liefen über ein auf dem Boden liegendes Brett, einen halben Meter breit. Funktionierte super. Dann legte man dieses Brett über einen Abgrund. Ging gar nicht mehr super. Kaum einer konnte drüberlaufen, auch wenn es alle wollten. Ihre Vorstellungskraft aber war komplett auf den Abgrund und einen möglichen Absturz fixiert statt aufs Brett! Jetzt stellen wir es uns andersrum vor: Man fixiert sich voll aufs Brett, visualisiert, wie man vorher drübergelaufen ist. Bingo! Mit ein bisschen Übung kann man sogar sich selbst positiv manipulieren.

Thorsten Havener referiert am Dienstag, den 4. Juli, in der Reihe „Erfolgsmacher“ über Manipulation. Los geht es 19.30 Uhr im Deutschen Hygienemuseum in Dresden (Lingnerplatz 1), Einlass 19 Uhr.

Die Tickets (live oder online) kosten 49 Euro. Erhältlich sind sie unter www.sprecherhaus-shop.de , Tel.: 02561/ 9792888 oder per Mail unter [email protected].

Veranstaltungsort:

Deutsches Hygiene Museum
Marta-Fraenkel-Saal (linker Gebäudeteil)
Lingnerplatz 1
01069 Dresden

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