Im Halbdunkel des Gastraumes ist das Besteck auf den Tischen zu erkennen, gefaltete Servietten liegen daneben und Kerzen warten nur darauf, angezündet zu werden, um ihr warmes Licht zu verbreiten. Doch im Goldenen Löwen bleibt es vorerst dunkel und das liegt nicht nur am Ruhetag. Das Traditionslokal muss schließen. "Wir kümmern uns nur noch um die Reservierungen, da muss sich keiner Sorgen machen. Ansonsten fahren wir den Betrieb runter", sagt Wirtin Marlies Büttner. Ende Februar ist definitiv Schluss.
Das klingt ganz nüchtern, doch die 48-Jährige ist aufgewühlt und mit ihren Kräften am Ende. Acht Jahre lang habe sie gerackert, gekämpft und alles versucht, um an der Dresdner Straße in Potschappel eine gepflegte Gastrokultur zu etablieren. "Ich habe alles für Freital gegeben. Jetzt kann ich gesundheitlich nicht mehr", muss sie unter Tränen eingestehen.
Gedacht war das alles ganz anders. Lange hatte Büttner, die in Blankenstein lebt, mit einem eigenen Gasthaus geliebäugelt. Freital ist ihre Geburtsstadt, sie ist hier auch zehn Jahre zur Musikschule gegangen. Als sie 2010 hörte, dass der Goldene Löwe neu entstehen soll, griff sie zu. Gemeinsam mit einem Geschäftspartner und dem Eigentümer plante sie die Umbauten, investierte selbst einen hohen Betrag in die Einrichtung des Restaurants. Eröffnung war im September 2011.
Doch Marlies Büttner und ihr Team hatte einen schweren Stand bei den Freitalern. Was genau sie falsch gemacht hat, kann man im Nachhinein nur schwer erklären. Sie selbst zerbricht sich darüber täglich den Kopf. "Wir haben gutbürgerliche deutsche Küche angeboten, weil es immer heißt, das fehle in Freital", sagt sie. Viele Zutaten kaufte sie von Produzenten in der Region ein, beispielsweise bei einem kleinen Bauernhof in Blankenstein.
Als sie immer wieder von Gästen hörte, es würden kulturelle Angebote fehlen, organisierte sie Liederabende, Lesungen, Kabarett. Sogar einen Tanztee bot sie im alten Ballsaal an. "Das müsst ihr unbedingt machen, hieß es. Es kamen drei Paare", berichtet Büttner und beklagt fehlenden Lokalpatriotismus. "Mir ging es wie den Einzelhändlern: Es heißt immer, in Freital gibt es nichts. Und wenn es dann etwas gibt, geht keiner hin." Dabei war der Goldene Löwe durchaus eine angesagte Adresse für Familienfeiern. Die Liste für Hochzeiten, Jugendweihen oder Geburtstage konnte sich sehen lassen. Schuleinführungstage waren lange im Voraus ausgebucht. Als einzige Wirtin in Freital konnte Marlies Büttner einen Biergarten an der Weißeritz bieten. Doch die Lage an der Hauptstraße mit der Bushaltestelle vor dem Haus hatte auch ihre Nachteile, deutet Marlies Büttner an.
Die Situation nahm die Gastwirtin mehr und mehr mit. Dazu kam der Personalmangel. Wegen fehlender Arbeitskräfte musste sie zuletzt fast ein Jahr lang den Service alleine stemmen – neben Einkauf, Büroarbeit und weiteren organisatorischen Aufgaben. Der längste Arbeitstag sei von acht Uhr morgens bis drei Uhr nachts gegangen. "Das macht man mal, aber auf die Dauer schlaucht das."
Bedanken möchte sie sich trotzdem bei allen Gästen und auch ihrem Küchenteam. "Es war dennoch eine schöne Zeit." Sie ist sich sicher, dass ihre Mitarbeiter bald eine neue Arbeit finden. Sie selbst will nun erst mal wieder auf die Beine kommen und sich dann neue Arbeit suchen – außerhalb der Gastronomie. Wie es mit dem Goldenen Löwen weitergeht, ist noch unklar. Dem Vernehmen nach gibt es einen Interessenten, der das Lokal weiterbetreiben möchte.
Von Annett Heyse
Foto: Karl-Ludwig Oberthür