Von Dirk Hein
Statt 2.000 Euro zahlt ein Dresdner Gastronom nun über 10.000 Euro Stromkosten jeden Monat. Kurzerhand erteilte er Politikern der Grünen Hausverbot. Wie darauf reagiert wurde.
Arturo Gevorgyan betreibt das Restaurant „Classico Italiano“ auf dem Neumarkt. 60 Mitarbeiter bedienen auf drei Etagen in bester Lage Einheimische und Touristen. Ein Lebenstraum, der nun zu scheitern droht. Völlig legal haben sich die Strompreise des Gastronomen nahezu verzehnfacht. Im April erteilte der Wirt daher per Aushang Politikern der Grünen Hausverbot, laut Arturo Gevorgyan ein „letzter Hilfeschrei“. Mittlerweile gibt es Bewegung. Jetzt trafen sich auf dem Neumarkt, Politik, Gastronomen und Dehoga zum Krisengespräch.
Warum erteilte der Dresdner Wirt ein „Hausverbot“ für Grünen-Politiker?
„Strom zum Goldpreis. Wir setzen ein Zeichen. Hausverbot für grüne Politiker.“ Mit diesem Plakate wies Arturo Gevorgyan Ende April auf eine für ihn existenzbedrohende Lage hin – und Politikern der Grünen die Tür. Der Hintergrund: Ende 2022 war sein alter, auf zwei Jahre abgeschlossener Stromvertrag mit der Sachsen-Energie ausgelaufen.
Die neuen Konditionen waren zu einem Zeitpunkt ausgehandelt und festgezurrt worden, als größte Hektik auf den Strommärkten herrschte. Der Gastronom schloss dennoch erneut einen Zweijahresvertrag mit dem Dresdner Regionalversorger ab. Arturo Gevorgyan unterschrieb, die Konditionen stehen für zwei Jahre fest. „Wir haben der Sachsen-Energie immer vertraut, die Situation war kritisch.“
Statt 2.000 Euro im energieintensiven Dezember hatte der Neumarkt-Gastronom im Januar 2023 plötzlich über 10.000 Euro zu zahlen. Tendenz weiter steigend, da im Januar eher wenig Energie verbraucht wurde. Kurzfristig sparen kann Gevorgyan nicht: Zehn Elektroherde laufen 16 Stunden am Tag, Pizzaöfen müssen geheizt werden, Kühltruhen müssen kühlen. Lüftung und Klimaanlagen sind unabdingbar – unter anderem, weil in der Küche keine Fenster geöffnet werden können. Für Arturo Gevorgyan ist das existenzbedrohend. „Momentan scheint alles kaputtzugehen. Es geht um unser Überleben und nicht mehr darum Geld zu verdienen.“
Welche Reaktionen gab es?
Thomas Löser, Stadtrat in Dresden und Landtagsabgeordneter der Grünen, war auf das Hausverbot aufmerksam geworden. Sofort bot er einen Gesprächstermin an – notfalls auch vor der Tür des Restaurants. Aus dem Telefonat wurde ein Treffen im Restaurant. Mit am Tisch saßen weitere Gastronomen, Energieingenieur Erik Heilmann als parlamentarischer Berater der Landtagsfraktion der Grünen und Dehoga-Geschäftsführer Axel Klein.
„Das Thema Energiekosten ist aktuell enorm brennend. Einige haben in der Not schlechte Verträge abgeschlossen. Herr Gevorgyan ist nur einer der ersten, der sich öffentlich geäußert hat“, sagt Axel Klein. Der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Sachsen spricht von einem extremen Beispiel. In vergleichbaren Restaurants seien aber monatliche Energiekosten von 5.000 Euro mittlerweile üblich. Gastronomen müssten „locker 30 bis 40 Prozent auf ihre Preise drauflegen, können das aber gar nicht.“
Arturo Gevorgyan berichtet von einer extrem großen Resonanz auf sein Hausverbot-Plakat. „Ich hätte damit nicht gerechnet. Es gab über 1.000 Mails und Nachrichten, die waren zu 99 Prozent positiv. Vielen in der Branche geht es so wie mir. Viele haben sich bedankt, dass ich dieses Zeichen gesetzt habe.“
Was sagen andere Gastronomen?
Ute Stöhr ist Geschäftsführerin im Restaurant „Zum Schießhaus“ in Dresden. Auch sie sorgt sich um die Preisentwicklung der Energiekosten. „Wir zahlen teils 40 Prozent mehr. Ab Januar sollen die sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen wieder angehoben werden, das können wir einfach nicht mehr tragen.“
Auch die notwendige Überprüfung der Corona-Überbrückungshilfen läuft demnach zuletzt extrem bürokratisch und sei kaum zu stemmen. „Die Gäste kommen wieder, Gastronomie ist unsere Leidenschaft. Aber momentan müssten wir eigentlich Preise aufrufen, die nicht vertretbar sind.“
Madlen Schubert ist die Chefin der Altlaubegaster Kneipe „Zum Gerücht„. Sie sagt: „Wir sind nicht touristisch geprägt, kein großes Lokal. Aber das macht es umso schwieriger, die gesamten Kosten, die uns momentan um die Ohren fliegen, zu tragen. Mir macht das Angst.“ Ein Bier müsse nahezu sechs Euro kosten, „aber das funktioniert nicht“. Die aktuell wegen der Corona-Hilfen notwendigen Nachprüfungen seien „ein wahnsinniger Aufwand, während dem man sich nicht um Kunden kümmern kann“.
Wie kann jetzt geholfen werden?
Bei dem Krisentreffen am Neumarkt ging es um konkrete Hilfen – zum einen für die gesamte Branche, zum anderen für Neumarkt-Gastronom Gevorgyan. Thomas Löser will zusammen mit Dehoga-Chef Axel Klein das Gespräch mit der Sachsen-Energie suchen, um dessen Energievertrag nochmals prüfen zu lassen.
Das Unternehmen äußert sich zu dem Thema bisher zurückhaltend. „Bei Geschäftskunden mit hohen Verbräuchen ist es branchenweit üblich, Verträge für ein oder mehrere Jahre auf Basis aktueller Börsenpreise abzuschließen“, sagt Sprecherin Nora Weinhold. Die großen Energiemengen dieser Kunden kauft das Unternehmen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zum dann geltenden Preis ein. „Der mit den Kunden vereinbarte Strompreis entspricht dem damals geltenden Preis, den auch wir als Versorger bezahlt haben.“
Das Unternehmen verweist aber auch auf ein anderes Problem. Eine große Herausforderung für Gastronomie und Hotellerie besteht zudem darin, dass die Energiepreisbremsen nicht in dem notwendigen Maß wirken. Für die Berechnung des Entlastungsbetrages hat die Bundesregierung für Industriekunden vorgesehen, dass der Verbrauch aus dem Jahr 2021 herangezogen wird. Aufgrund der Coronapandemie und der verhängten Lockdowns war der Verbrauch damals deutlich geringer. Entsprechend gering fällt die Entlastung über die Preisbremsen aus. „An dieser Stelle ist die Politik gefragt, nachzusteuern, was ja bereits geschieht“, sagt Nora Weinhold.
Unterstützung kommt von der Dehoga. Laut Axel Klein ist zudem die Beibehaltung des verringerten Mehrwertsteuersatzes für die Branche nahezu zwingend. Bei den Corona-Hilfen drohen zudem Rückzahlungen von bis zu 20 Prozent. Das alles hat laut Klein Auswirkungen: „Wir wollen die Innenstädte beleben, aber hier am Neumarkt könnte auch ein Altersheim entstehen.“
Thomas Löser: „Die Situation scheint dramatisch zu sein. Die Politik muss in so einem Fall helfen. Wenn wir sagen, die Erneuerbaren machen die Energie billiger, dann kann es nicht immer teurer werden.“ Löser schlägt eine Anhörung im Landtag vor, um dort den Gastronomen eine Plattform zu geben.
Gilt das Hausverbot für die Grünen noch immer?
Der Hausverbot-Zettel hängt nicht mehr am Restaurant. „Das Hausverbot für die Grünen war unangenehm für mich. Ich bin ein Gastgeber, kein böser Mensch. Mir war klar, dass ich damit einen Teil meiner Kundschaft verjage. Es war ein letzter Hilfeschrei an die Politik.“ Dort getroffene Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar.
„Wir befinden uns in einem Übergang hin zu erneuerbaren Energien. Aber wir als Geschäftsleute bereiten uns auf so einen Übergang vor, damit wir nicht alles verlieren, was wir haben. Das erwarte ich auch von der Politik.“