Gunnar Saft
Dresden. Die Selbstüberschätzung der eigenen finanziellen Möglichkeiten ist in Sachsen weiterhin der häufigste Grund, warum sich Menschen überschulden. Das geht aus den Antworten von Sozialministerin Petra Köpping (SPD) auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion im Landtag hervor.
Auch Scheidungen oder Tod des Partners problematisch
Demnach waren individuelle Fehler bei der persönlichen Haushaltsführung mit fast 20 Prozent für die meisten Fälle verantwortlich, bei denen sich überschuldete Personen im vergangenen Jahr Hilfe bei einer Beratungsstelle suchen mussten. Es folgten mit knapp 18 Prozent Personen, die wegen einer Erkrankung, den Folgen einer Sucht oder durch einen Unfall in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. 15,9 Prozent gaben wiederum an, durch die eigene Arbeitslosigkeit Schulden angehäuft zu haben. Bei gut elf Prozent war das dauerhafte Beziehen von einem niedrigen Einkommen der Grund für eine finanzielle Notlage.
Persönliche Probleme wie die Trennung oder die Scheidung vom bisherigen Lebenspartner oder dessen Tod sorgten bei jedem zehnten Betroffenen dafür, dass er nicht mehr mit seinem persönlichen Finanzbudget zurechtkam. In knapp sieben Prozent der Fälle sorgte schließlich ein Scheitern mit der bisherigen wirtschaftlichen Selbstständigkeit dafür.
Alleinstehende und Ledige sind häufiger verschuldet
Sachsen, die sich im vergangenen Jahr bei einer Schuldnerberatungsstelle meldeten, hatten laut dem Statistischen Bundesamt im Durchschnitt bereits 30.312 Euro an Defiziten angehäuft. Mehr als die Hälfte der Betroffenen (53,3 Prozent) lebte allein, weitere knapp 35 Prozent in einem Zwei- oder Drei-Personen-Haushalt. Die Zahl der Schuldner aus Haushalten mit einem noch größeren Personenkreis war dagegen mit gut zwölf Prozent vergleichsweise gering.
Mit gut 54 Prozent handelte es sich bei den meisten überschuldeten Personen um Männer, die zudem mit im Schnitt 35.532 Euro deutlich mehr Schulden angehäuft hatten als Frauen (24.156 Euro). Etwa 62 Prozent aller beratenen Personen waren ledig. Am häufigsten von einer Überschuldung betroffen war die Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen, aus der fast jeder dritte Betroffene kam. 91 Prozent aller Hilfesuchenden waren Deutsche.
Höhere Dunkelziffer und damit mehr Betroffene vermutet
Die Landtagsabgeordnete Susanne Schaper, Sozialexpertin und Fraktionschefin der Linken, warnt vor den Folgen, wenn Menschen in eine solche persönliche Notlage geraten: „Verschuldung ist an sich noch kein Problem, Überschuldung aber sehr wohl. Sie betrifft in Sachsen vor allem alleinstehende Menschen zwischen 25 und 55 Jahren, fast drei Viertel haben im Monat weniger als 1.500 Euro zur Verfügung. Das sind erschreckende Zahlen. Weil das freiwillige Angaben der Beratungsstellen sind, müssen wir leider von einer Dunkelziffer ausgehen. Im schlimmsten Fall droht den Betroffenen Wohnungslosigkeit. Die Hauptursachen der Überschuldung sind Arbeitslosigkeit, ein schmales Einkommen, Gesundheitsprobleme oder auch ein Mangel an Finanzwissen. Die stark gestiegenen Preise verschlimmern diese Probleme zusätzlich.“
Schuldenmachen wird oft unnötig leicht gemacht
Gleichzeitig kritisiert sie, dass es Betroffenen oft sehr leicht gemacht wird, über ihre Verhältnisse zu leben. Die Möglichkeit zum Online-Einkauf, oft mit 30-tägigem Zahlungsaufschub, teure Handyverträge, hohe Dispozinsen und andere teure Kredite, so Schaper, würden schnell in die Schuldenfalle führen. Davon profitieren würden nur die Banken. Ihre Forderung: „Die Staatsregierung muss die Insolvenzberatung und die Schuldnerberatungsstellen ordentlich finanzieren und den Verbraucherschutz stärken, auch die Verbraucherzentrale. Vor allem müssen junge Menschen schon früh Finanzwissen erwerben können – aber nicht von windigen Influencern, sondern in der Schule: Wie mache ich das Beste aus meinem Einkommen, auch langfristig, und vermeide Überschuldung?“
In Deutschland gibt es rund 1.350 Schuldnerberatungsstellen, die unter der Trägerschaft der Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände oder der Kommunen stehen bzw. Mitglied in einem der Verbände sind. Für das Berichtsjahr 2023 haben 671 Beratungsstellen Angaben von rund 175 000 Personen bereitgestellt.