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IG Metall im Häuserkampf

Die Gewerkschaft macht mobil für Betriebsräte und Tarifverträge. Sie erntet sowohl Respekt als auch Unmut.

Lesedauer: 2 Minuten

Wieder ging eine Woche zu Ende, in der die IG Metall in der Oberlausitz für Schlagzeilen sorgte. Am Dienstag voriger Woche wehten die roten Fahnen der Industriegewerkschaft vor dem Werk des Batterieherstellers Accumotive in Kamenz. Hier will die IG Metall erreichen, dass sich die Tochter des Daimler-Konzerns den Flächentarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie anschließt. Am Mittwoch machte die Gewerkschaft mit einer Kundgebung vor dem Maja-Möbelwerk in Wittichenau Druck auf die Arbeitgeberseite, die am Vorabend einen Verhandlungstermin abgesagt hatte.

Wochen wie diese wird es weiter geben. Das kündigt Jan Otto, Erster Bevollmächtigte der IG Metall für Ostsachsen, an. Die Gewerkschaft wolle nicht länger hinnehmen, dass Arbeitnehmer östlich von Dresden mit Niedriglöhnen abgespeist werden. Für Jan Otto sind die Zeiten vorbei, in denen Gewerkschafter für den Erhalt von Arbeitsplätzen auch manche Kröten schluckten. Otto weiß und achtet, was seine Vorgänger André Koglin und Stephan Hennig für den Erhalt von Jobs in der Region getan und erreicht haben. Aber der gebürtige Berliner gehört zu einer neuen Generation, ist unter Vierzig – wie mittlerweile viele Arbeitnehmer in den Betrieben. Dieser Generation gehe es bei Arbeit nicht mehr nur ums Ob, sondern immer mehr ums Wie: „Allein die schöne Landschaft ist kein Grund, hier zu leben und zu arbeiten.“

Wirtschaftlich vielseitige Region

Bevor er 2015 die Bautzener IG-Metall-Verwaltungsstelle übernahm, hörte er immer wieder: Ostsachsen ist wirtschaftlich schwach. „Vorgefunden habe ich das ganze Gegenteil. Die Region ist wirtschaftlich vielseitig. Wenn hier ein Unternehmen hustet, kriegt nicht gleich die ganze Gegend die Grippe.“ Aber was Otto nach seinem Amtsantritt auch feststellte: Viele Firmen hatten keinen Betriebsrat. Und zu viele zahlten ihren Leuten Niedriglöhne.

Die IG Metall mobilisierte ihre Mitglieder zur Gründung von Betriebsräten und sprach Geschäftsführungen wegen Tarifverhandlungen an. Mit einigen Erfolgen: So wählten die mehr als 270 Beschäftigten des Hubarbeitsbühnenbauers Palfinger in Löbau erst einen Betriebsrat. Inzwischen zahlt das Unternehmen nach einem Haustarifvertrag deutlich mehr als den Mindestlohn und auch Weihnachtsgeld. Auch die mehr als 2 000 Beschäftigten des Schuhproduzenten Birkenstock in mehreren Oberlausitzer Werken haben jetzt einen Betriebsrat. Nächstes Ziel ist hier ein Tarifvertrag. Die Geschäftsführung der Keulahütte Krauschwitz wurde zu Tarifverhandlungen aufgefordert und mit den neuen Inhabern des Waggonbaus in Niesky eine fünfjährige Bestandssicherung ausgehandelt. Beim Felgenhersteller Borbet in Kodersdorf wird die Gründung eines Betriebsrates vorbereitet.

Handeln mit Augenmaß

Die IG Metall, so Otto, biete sich den Unternehmen als Partner an. „Wir versuchen, mit Augenmaß zu handeln. Aber die Stärke der IG Metall ist es auch, hart zu verhandeln. Wir haben viel Kraft und einen langen Atem“, stellt Otto klar. „Aber lieber erreichen wir unsere Ziele durch Verhandlungen.“ Dabei erlebt die Gewerkschaft auch Rückschläge. Manche Unternehmer stellten sich stur und wollten Verhandlungen torpedieren. „Aber wir bleiben dran.“

Seit 2015 sei die Zahl der IG-Metall-Mitglieder in Ostsachsen auf mehr als 10 000 gestiegen. Und, dass die Gewerkschaft Menschen mobilisieren kann, habe sich im Januar 2018 gezeigt, als in Görlitz Tausende gegen Schließungsabsichten von Bombardier und Siemens auf die Straße gingen.

„Mit gemischten Gefühlen“ sieht hingegen Wilfried Rosenberg vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) die Aktivitäten der IG Metall. „Natürlich sollen die Mitarbeiter mehr verdienen, aber solange der Rahmen für die Mittelständler nicht stimmt, wirken sich allgemeine Lohnforderungen eher negativ auf Stimmung und die Regionalentwicklung aus.“ Auch Mittelständler verstünden immer besser, wie wichtig eine ordentliche Bezahlung und Behandlung ihrer Mitarbeiter ist. „Wir brauchen für die Wettbewerbsfähigkeit der Mittelständler mehr Flexibilität, wie auch Freiraum für mündige Bürger, da helfen Tarifverträge und Gleichmacherei meistens nicht weiter“, sagt Rosenberg.

 

Von Tilo Berger

Foto:  © René Plaul

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