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Im Eiltempo durch Europas Bahnbetrieb Nr. 1

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lernt im Zeitraffer das Bautzener Bombardier-Werk kennen. Dort sollen in nächster Zeit 400 neue Jobs entstehen.

Lesedauer: 3 Minuten

Es passiert nicht alle Tage, dass ein Mitglied der Bundesregierung mit dem Zug anreist. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) tat am Montag genau das und fuhr zusammen mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit dem Deutsche-Bahn-Konkurrenten Länderbahn von Dresden nach Bautzen. Eine Zeitlang betrachtete Scheuer das Gleisbett aus der Lokführer-Perspektive und hörte zumindest in diesen Minuten mal nicht die Frage nach der Elektrifizierung der Strecke, auf der er gerade fuhr. Später, im Bautzener Werk des kanadischen Schienenfahrzeugherstellers Bombardier Transportation, kam diese Frage wieder und wieder. Als auch noch Werkleiter Olaf Schmiedel davon anfing, dass das Werk seine fertigen Waggons gern auf einer elektrifizierten Strecke zu den Kunden bringen würde, entfuhr dem Minister ein genervtes „Jaaa“.

Denn er war ja eigentlich nach Bautzen gekommen, um in 75 Minuten möglichst viel von Europas wichtigstem Bahnwerk zu sehen. Das ist es in den Augen der Bombardier-Führung, die derzeit rund 30 Millionen Euro in Bautzen investiert. „Bautzen ist unser Leitwerk in Europa“, betonte Bombardiers Deutschland-Chef Michael Fohrer mehrfach. Im Moment sind hier 920 Festangestellte und 150 Leiharbeiter beschäftigt, Tendenz steigend. Nach und nach soll die Zahl der festen Mitarbeiter in Bautzen um etwa 400 steigen und damit Görlitz überholen. Dort arbeiten im Moment noch rund 980 Festangestellte und 175 Leihkräfte, Tendenz sinkend. „Viele Görlitzer haben schon das Angebot angenommen, in Bautzen zu arbeiten“, erklärte Fohrer. Görlitz bleibe im Konzernverbund wichtig, von hier kommen die Wagenkästen. Zum fertigen Schienenfahrzeug komplettiert werden sie dann in Bautzen.

Minister mit virtueller Brille

Das zeigt sich in den Hallen und im Freigelände. Wo noch vor zwei Jahren ausschließlich Straßen- und Stadtbahnen ihrem Feinschliff entgegensahen, stehen jetzt Doppelstockwagen für Israel und die Deutsche Bahn AG, Regionalzüge für Österreich, die neue S-Bahn für Hamburg und auch weiterhin Straßenbahnen für Berlin, Köln, Essen und weitere Städte. Bis zu 850 Wagen pro Jahr verlassen das Bautzener Werk, das im vergangenen Jahr um eine Halle für die digitale Produktion wuchs.

Was damit gemeint ist, sah Andreas Scheuer, als er die Brille auf hatte. Die virtuelle Brille, die etwa das Innere eines Waggons zeigt, den es noch gar nicht gibt. Die Planer können so schneller disponieren und auch mal etwas ausprobieren, als es in einem richtigen Wagen möglich wäre. Bombardier-Mitarbeiter Ronny Neumann zeigte Scheuer und Kretschmer einen Monitor, auf dem künftig jeder Mitarbeiter in der digitalen Halle seine Arbeitsschritte für den Tag sieht. Genau das gleiche Bild zeigt ein Tablet, das der Mitarbeiter mit in den Waggon zur Montage nehmen kann. Arbeitsaufträge auf Papier sind hier passé. Und ist ein Auftrag erledigt, hält der Mitarbeiter einen Scanner drauf, und in der gleichen Sekunde aktualisiert sich die Übersicht aller Arbeitsgänge des Tages. Von einem Dresdner Hersteller hat sich Bombardier mobile Gerüste gekauft, die sich auf die verschiedenen Fahrzeuglängen einstellen lassen und so das Arbeiten viel schneller machen sollen. Den Kontrast dazu zeigte Werkleiter Olaf Schmiedel in der Nachbarhalle, in der Waggons noch wie eh und je zusammengebaut werden. Da gibt es fast endlose Regale mit Bauteilen und Schrauben, aus denen sich die Mitarbeiter dann die jeweils benötigten nehmen.

Bekenntnis zum Standort Bautzen

Scheuer staunte hier und lobte da und sagte immer wieder Worte wie „tolle Geschichte“. Hier entstünden die Schienenfahrzeuge der Zukunft, die Deutschland für mehr Pünktlichkeit auf den Gleisen brauche. Bombardier sei „nach schwierigsten Jahren“ wieder in der Erfolgsspur, und das Bekenntnis der Kanadier zum Standort Sachsen sehe er hier in Bautzen vor Augen.

Ein Zukunftsprojekt konnten Scheuer und Kretschmer am Montag noch nicht sehen: das neue Testcenter auf dem Bautzener Werksgelände. Aber per Video zeigte Werkleiter Schmiedel schon mal, was da möglich ist – zum Beispiel eine Fahrt durch Regen, um die Waggons auf Schlechtwettertauglichkeit zu testen.

In der Ecke eines Baugerüstes konnte Scheuer dann der Frage nach der Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden–Görlitz nicht mehr ausweichen. Das Vorhaben werde geprüft, wie andere auch, sagte der Bundesverkehrsminister. Eine Jahreszahl für einen möglichen Baubeginn nannte er nicht, erwähnte aber das Zusatzprogramm des Bundes für die Elektrifizierung von Nebenstrecken. Er sei dazu mit Michael Kretschmer im Gespräch, der immer wieder auf das Thema dränge. „Er ist da echt lästig“, sagte Scheuer – und Sachsens Regierungschef lächelte.

 

Von Tilo Berger

Foto: © Uwe Soeder

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