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Im Wacholder liegt die Wahrheit

Mit Juniper Jack etablierte Jörg Fiedler eine Marke, hinter der mehr als nur Gin steckt. Seit zehn Jahren behauptet sich die Manufaktur im „Haifischbecken der Industrie“.

Lesedauer: 4 Minuten

Jörg Fiedler lächelt in die Kamera.
Jörg Fiedler kennt alle Sprüche und Weisheiten rund um den Gin – und überzeugt mit eigenen Kreationen. Foto: PR

Von Peter Ufer

Am Ende ergibt alles Gin. Das ist einer der vielen Ginsprüche, die gern zitiert werden. Jörg Fiedler kennt sie alle. Noch einen: Ohne seine Arbeit wäre das Leben für ihn ginlos. Der Wahldresdner hat sich vor zehn Jahren mit Geist und Geschmack dem Wacholderschnaps verschrieben. „Juniper Jack“ heißt seine Marke, mit der der 42-Jährige in das Spirituosengeschäft einstieg.


Den Namen „Juniper Jack“ fand er übrigens bereits 24 Stunden, nachdem er im Herbst 2013 mit dem Destillateurmeister Siegbert Hennig in seiner Brennerei in Reichenbach bei Meißen die Idee diskutierte, einen eigenen Branntwein auf den Markt zu bringen. Der Sachse recherchierte und ihm imponierte die Geschichte von diesem Mister Jack. Der wurde im Jahr 1736 vom Gesellen einer Brennerei zum rebellischen Poeten. Schließlich ging es um das Wohlbefinden eines ganzen Volkes. Mit seinem Theaterstück „The Death of Queen Gin“ protestierte der Londoner gegen den Gin-Bann King George II. Der sah seine Steuereinnahmen schwinden, weil zu viel schwarz gebrannt wurde und erlaubte gegen eine saftige Lizenzgebühr nur noch acht Brennereien das Destillieren. Für alle anderen galt ein Verbot. Rebellion!

Platz 5 im Fachmagazin
„Jack war, glaube ich, ein lausiger Dichter, aber mutiger Rebell mit Sinn für Kultur! Das passt zu uns“, meint Jörg Fiedler. Er nennt sein Unternehmen „eine kleine Manufaktur im Haifischbecken der Industrie“. Schließlich existieren weltweit über 5.000 verschiedene Gins, rund 700 kommen allein aus Deutschland. Der Gin aus Dresden wurde gerade im „Taste Forum“ des Branchenmagazins „Mixology“ zusammen mit internationalen Marken verkostet, landete insgesamt auf Platz fünf, was den intensivsten Wacholdergeschmack anbelangt auf Platz eins.
Vorgezeichnet war dem gebürtigen Schwarzenberger der Weg zum Spirituosenunternehmer indes nicht. Nach dem Abitur und einem Jahr in den USA studierte er zunächst in Nordrhein-Westfalen Kommunikationswissenschaft, später deutsch-europäisches Wirtschaftsrecht. Seine Diplomarbeit schrieb er in Dresden in der Volkswagen-Manufaktur. Zufall oder nicht, eines Tages bekam er den Auftrag, für das VW-Unternehmensmagazin auf Schloss Proschwitz zu recherchieren. Da passierte es. „Ich war begeistert von der Natur, dem Weingut, der Produktion, dem Vertrieb, fühlte mich dort sofort zu Hause“, sagt Fiedler. Er lernte Brennmeister Siegbert Hennig kennen, der seit Jahren im Auftrag des Weingutes arbeitet und zu den Besten seines Faches gehört. Die beiden harmonierten miteinander und redeten sich Schluck für Schluck an die Gin-Idee heran. Längst wusste der Neuling, dass dieses Getränk eine klare Spirituose ist, die in der Regel eine Alkoholkonzentration von mindestens 37,5 Prozent aufweist. „Der Schnaps trägt zwar Wacholder als Hauptgeschmack, aber mit weiteren pflanzlichen Zutaten kann er eine unendliche Vielfalt entwickeln“, erklärt Fiedler.

Schnaps als Basis
Und noch etwas Entscheidendes komme hinzu: Während Obstler insbesondere bei jungen Menschen nicht mehr angesagt sind, gilt Gin seit den 2000er-Jahren als das Kultgetränk in Bars und bei Partys. Die meisten kennen den Longdrink Gin-Tonic. Aber gleichwohl dient der Schnaps als Basis für Cocktails wie beispielsweise Dry Martini mit trockenem Wermut, Negroni mit rotem Wermut und Campari oder für den spritzigen Klassiker Gin-Fizz, ein Longdrink mit Zitronensaft. Gin ist in. Dabei besitzt er eine lange Tradition. Schon im 17. Jahrhundert brannten Menschen in England und den Niederlanden den Wacholderdrink. Der Name Gin stammt aus der niederländischen Sprache vom Wort jenever beziehungsweise von dem französischen genévrier oder genièvre als Bezeichnung für Wacholder ab. Jörg Fiedler sagt: „Mein Gin ist geradlinig, wird in Fachkreisen ,Wacholder-Bombe genannt. Volle Wacholder-Power, Zitrus und filigrane Kräuternoten.“ Er lässt sich den Juniperus von Kräutersammlern aus Kroatien liefern, was als einmalig in der Branche gilt. Nach langer Recherche fand er seinen Aromarohstoff an uralten Zypressengewächse, die in 750 Metern Höhe auf kargem Boden wachsen. „Ich erfuhr, dass hier die Sommer heiß und trocken, die Nächte bitter kalt sind. So haben die Bäume ordentlich zu kämpfen, was gut ist, denn dann produzieren sie viel Harz und die beerenförmigen Zapfen werden groß, saftig, süß und harzig“, sagt Fiedler. „Im Wacholder liegt die Wahrheit.“ Für den guten Geschmack kommen je nach eigenem Rezept zu dem Basisalkohol neben dem kroatischen Beeren weitere Gewürze, die Ginexperten Botanicals nennen, hinzu. Das sind zum Beispiel Minze, Brombeeren, Ingwer- oder Angelikawurzel, Wermut, Orangen- und Zitronenschalen, Koriander, Basilikum, Flieder, Salbei oder Lavendel. Über hundert verschiedene Zutaten wirken als Aromen und Wirkstoffe. Für den Juniper Jack verwenden Jörg Fiedler und Siegbert Hennig zehn „Drogen“ behutsam und schonend mazeriert und später in der 300 Liter Kupferbrennblase destilliert. „Mit dem Prädikat der Königsdisziplin ,London Dry mit 46,5 Prozent Alkohol ist dann auch alles gesagt“, meint Fiedler. Das heißt hier wird sauber, mit echten Kräutern und Reinheitsgebot gearbeitet.

Camouflage-Outfit
Seine Kreation überzeugte und gewann schnell Kundschaft. Spannend an der Geschäftsidee ist zum einen die Vielfalt von inzwischen sechs Produkten von „Navy Strength“ bis „Smoke & Oak“, wo sich Schwarztee und fassgelagerter Gin vereinen. Zum anderen bietet Juniper Jack Sondereditionen an. „Im Dezember 2019 stellten wir unsere erste Special Edition vor. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Modedesigner Karim Guest. Er verpackte die Flasche in ein stylisches Camouflage-Outfit aus feinster australischer Supergeelong Wolle. Diese einmalige Auflage war limitiert auf 280 Flaschen“, erklärt Fiedler. 2021 entwickelte er gemeinsam mit der Porzellan-Manufaktur Meissen eine weitere limitierte Edition. Gin in Vasen mit den legendären Schwertern. „Immerhin 449 Euro kostete ein Exemplar und die 999 Stück verkaufte sich in vier Stunden“, erzählt der Ginhersteller. Auch mit dem Uhrenproduzenten Union Glashütte arbeitet er zusammen.
Der einstige Kommunikationswissenschaftler etablierte so eine Marke, die durch Geschmack, aber ebenso durch Ideen mit kleinen und großen, extra produzierten Flaschen, besonderen Etiketten und cleverem Marketing verblüfft. Ein kleiner Rebell in dem großen Markt. Während in Reichenbach Siegbert Hennig das Getränk brennt, ist Fiedler permanent unterwegs, um sein Produkt in den Verkauf zu bringen. Gerade entwickelte er eine Doppelmagnum-Flasche mit drei Liter Gin sowie eine Kreation, die zum Hit werden könnte: Juniper-Jack-Gin-Tonic in Flaschen. Auf Veranstaltungen immer gern getrunken. Jörg Fiedler stellte kürzlich eine Mitarbeiterin, Alina Schindler, an. Nach dem Studium und einem Praktikum begeisterte auch sie sich für die Ginwelt. Sie sagt: „Es macht Spaß dabei zu sein, wenn eine Marke wächst und sich immer mehr entwickelt.“ Wie hoch der Umsatz zurzeit ist, will Fiedler nicht sagen. „Das ist Betriebsgeheimnis, aber wir können davon leben.“ Tatsächlich ergibt eben erst am Ende alles Sinn.

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