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In diese Pulsnitzer Bäckerei kommen Kunden sogar mit Badewannen

In fünfter Generation werden bei den Zillers im Pulsnitzer Ortsteil Friedersdorf Brote und Brötchen gefertigt. Seit die Bäckerei in Oberlichtenau zu ist, kommen vor allem samstags mehr Kunden. Und für den Nachwuchs im Laden sorgt die Chefin gleich selbst.

Lesedauer: 3 Minuten

Siri Rokosch

Pulsnitz. 60 Brötchen hat Eberhardt Kenner vorbestellt. Die frischen Backwaren liegen nun in seiner Baby-Badewanne, und das sei immer so, sagt er: „Ziller-Brötchen sind einfach die besten für uns. Meine Frau und ich haben schon viele probiert, auch vom Großhandel, aber die hier schmecken am besten“, lacht der ältere Herr. Er kaufe alle zehn Wochen auf Vorrat ein. Die Brötchen würden zu Hause eingefrostet und dann zum Frühstück und Abendbrot aufgebacken. Seit „mindestens der Wende“ hole er bei Ziller ein, sagt er.

Die auffällig hellblau gestrichene Bäckerei am Mühlgraben gibt es bereits seit 1899. Damals hatte die Familie Ziller dort eine Mühle und dazugehörige Ländereien gekauft, erzählt die Geschäftsführerin, Julia Ziller, aus ihrem bewegten Leben: „Die Äcker gehören uns noch, aber wir verpachten sie.“ Ihre Vorfahren hätten damals nur mit dem Anbau von Getreide und dem Mahlen der Körner zu Mehl begonnen.

Julia Ziller leitet die Bäckerei in Friedersdorf bereits in fünfter Generation.
Julia Ziller leitet die Bäckerei in Friedersdorf bereits in fünfter Generation.
Quelle: Matthias Schumann

1909 sei in einem Neubau die Backstube mit einem Backofen hinzugekommen und zu Beginn wurden nur Brote gebacken und Brötchen am Samstag, sagt Ziller. Gebacken wird heute noch an dieser Stelle, aber inzwischen mit einem neueren Ofen. Der wird allerdings traditionell mit Kohle befeuert, im Bestandsschutz, wie auch in einer weiteren Bäckerei in Pulsnitz.

„Wir verwenden noch die Rezepte von 1909“

Ob das die Backwaren so einzigartig macht? Die Franz-Semmeln jedenfalls haben unterschiedliche Bräunungsstufen und Kunden können selbst entscheiden, ob sie eher dunklere oder helle Brötchen wollen. Die Rezepte seien seit 1909 nahezu dieselben, erklärt Julia Ziller: „Für die Franz-Semmeln verwenden wir wie früher Weizenmehl, Wasser, Hefe, Salz und Backmalz.“ Der Sauerteig für das Roggenmischbrot werde selbst angesetzt und bestehe zu 20 Prozent aus Weizen- und zu 80 Prozent aus Roggenmehl. Auch hierbei habe sich das Rezept seit 1909 nicht verändert.

Tragische Lebensumstände führten zu weitreichenden Entscheidungen

Julia Ziller ist seit ihrem siebenten Lebensjahr die „Geschäftsführerin“ des Familienbetriebes. Damals war ihre Mutter gestorben, und sie hatte einen Großteil der Bäckerei geerbt. Ihr Vater war zu dieser Zeit als Kfz-Meister tätig, stieg erst nach dem Tod seiner Frau in das Bäckerhandwerk ein und legte auch seine Bäckermeister-Prüfung ab.

Das sei Voraussetzung dafür gewesen, den Familienbetrieb zu erhalten, sagt Julia Ziller. Die 36-Jährige, die am 17. Februar 37 Jahre alt wird, hatte 2004 ihre Ausbildung als Bäckerin beendet und ist seit 2008 Bäckermeisterin. Dass auch ihre Familientradition endet, und damit der nächste Bäcker in der Region schließt, glaubt sie nicht. „Wir müssen hier ja keine Miete bezahlen. Wir haben mit meinem Papa, dem Gesellen, einem Lehrling, einer Verkäuferin und zwei Minijobbern genügend Personal und im Mai kommt die sechste Generation zur Welt“, lacht sie und zeigt auf ihren Bauch. Dann plant sie etwa ein Jahr lang zu Hause mit ihrem Baby zu bleiben. „Da wir aber hier wohnen, bin ich bestimmt auch oft in der Backstube“, kündigt sie an.

Nur 80 Cent für ein Doppelbrötchen

Für eine Franz-Semmel bezahlen die Kunden 80 Cent, für die Region ein normaler Preis, für Dresdner eher ein Schnäppchen. Die Preise sollen nicht erhöht werden, versichert die Geschäftsführerin. Alles solle bezahlbar bleiben, und dabei „der Spagat zwischen Tradition und Modern gemeistert werden“.

Neben Broten und Brötchen gibt es natürlich auch klassische Kuchen: in runder Form sowie „exotisches“ wie Karottenbrote für die junge Kundschaft, Donuts und Kuchen am Stiel für die Kinder. Und jetzt, in der Faschingszeit, Pfannkuchen, die bei Ziller mit Mehrfruchtkonfitüre oder Eierlikör gefüllt werden – und auf Wunsch mit Senf.

Kaffee und belegte Brötchen im angrenzenden Café

Die Kunden können vor Ort in einem kleinen angrenzenden Café belegte Brötchen, Köse- oder Wurstteller verspeisen und dazu einen frisch gemahlenen Kaffee trinken. Seitdem die nahegelegene Bäckerei Thieme in Oberlichtenau geschlossen ist, kämen vor allem samstags mehr Kunden, um die Frühstücksbrötchen zu holen, aber, so Julia Ziller, das würde sich auch auf die anderen Bäcker in Pulsnitz verteilen. „Nicht nur zu uns kommen etwas mehr Kunden“, stellt sie fest.

Über der Wanne von Eberhardt Kenner sind die Brötchen inzwischen unter einem großen Tuch verdeckt. Während er die Bäckerei verlässt, kommen wieder neue Kunden. So geht das den ganzen Vormittag in der einzigen Bäckerei von Friedersdorf, die traditionell montags geschlossen ist.

SZ

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