Michael Rothe
Dresden. Die Holzbaukarte des sächsischen Kompetenzzentrums füllt sich. Noch sind die dort aufgeführten gut 50 Bauten nur ein kleiner Ausschnitt der regionalen Referenzliste für diesen Baustoff. „Aber immer mehr Planungsbüros erkennen, dass sie sich mit der freiwilligen Anmeldung ihrer Projekte mehr Sichtbarkeit verschaffen“, sagt der Architekt Simon Rändler. Er ist Projektleiter bei der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH (HKS) in Dresden, einem im Rahmen von Sachsens Holzbauinitiative gegründeten Zentrum geballter Expertise.
Mehrgeschossiger Holzbau liegt im Trend – als Hybridversion mit Stahl und oder Beton und zunehmend mit komplettem Holztragwerk. Auch in Sachsen wachsen solche Wohn- und Geschäftshäuser sowie öffentliche Gebäude. Ob 33. Grundschule am Schilfweg in Dresden, Sporthalle an der Emilienstraße in Chemnitz oder Biomasseforschungszentrum in Leipzig: Material und Umsetzung überzeugen – nicht nur bei jenen Preisträgern des diesjährigen Holzbau-Wettbewerbs im Freistaat.
Auch monetär überzeugt der nachwachsende Baustoff. Laut Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften war der Holzbau die einzige Sparte, bei der 2023 die Kosten sanken, während Dämmung, Brandschutz, Trockenbau und Instandhaltung deutlich teurer wurden.
Elf Vorhaben in Holz vor Baubeginn
Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen in Sachsens Landtag zeigt, dass die Bemühungen um mehr Holzbau hierzulande Früchte tragen. Die Koalition hatte die Landesregierung aufgefordert, die Vorbildwirkung des Freistaates zu verstärken und mindestens fünf eigene Vorhaben auf den Weg zu bringen. Nun stehen laut Bauminister Thomas Schmidt (CDU) elf Vorhaben vor dem Baubeginn. Weitere fünf Gebäude seien bereits 2017 bis 2019 sowie 2023 fertiggestellt worden. „Wir zeigen jetzt auch im Freistaat, wie klimafreundliches Bauen der Zukunft aussehen kann“, freut sich der Fragesteller Thomas Löser, Bauexperte seiner Landtagsfraktion. Die Vorteile von Holzbau würden aber „erst dann vollumfänglich wirksam, wenn das Holz auch aus Sachsen kommt und nicht mittels langer Transportwege durch Europa gekarrt werden muss“. Die Gespräche mit dem Sachsenforst und der Initiative „Holz von hier“ seien ein erster Schritt, dem schnell Taten folgen müssten. „Sachsen ist ein waldreiches Land und der Sachsenforst ein leistungsfähiges Unternehmen“, so Löser.
Eine um zehn Prozentpunkte höhere Holzbauquote führe zum Mehrbedarf von 13.000 Kubikmetern Schnittholz – das, was an einem Tag in Sachsens Wäldern nachwachse, heißt es vom HKS. Für jene Steigerung brauche es 15 kleinere Holzbaufirmen – wie den 30-Mann-Betrieb von Ralf Lepski, den im April Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht hatte. Die Dresdner fertigen zum Beispiel Hauswände und Aufbauten auf Mehrgeschosser.
40 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen werden durch den Bausektor verursacht. Um klimafreundlicher zu bauen, könne Holzbau einen großen Beitrag leisten, ist Grünen-Sprecher Thomas Löser überzeugt. Das gelte besonders für Sachsen, denn dort gebe es eine lange Tradition, etwa bei Fachwerkhäusern.
57-Meter-Riese entsteht in Leipzig-Paunsdorf
„Langlebigkeit und Zirkularität führen im Bauwesen zu weniger CO₂-Emissionen und schonen Ressourcen“, sagt Jürgen Graf, Professor an der Rheinland-pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Dazu seien Bauten für unterschiedliche Nutzungen auszulegen, ohne dass die Tragstruktur verändert werden muss. Der Skelettbau eigne sich dafür besonders. Gleichzeitig seien Bauteile eines Gebäudes getrennt voneinander rückbaubar zu konstruieren, um Wiederverwendbarkeit zu garantieren. Elementierung, also die Nutzung vorgefertigter Wand-, Dach- und Deckenelemente, sowie Standardisierung von Bauteilen und Verbindungen steigerten wesentlich ihre Wiederverwendbarkeit, so der Forschungssprecher vom t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe. Nach diesen Prämissen soll in Dresden beispielsweise ein wandelbares, kreislauffähiges Parkhaus als Pilotprojekt entstehen.
Doch die Sachsen wollen demnächst noch mit einem anderen Vorhaben Schlagzeilen machen – und im Wortsinn hoch hinaus. Am Rand eines Plattenbauviertels in Leipzig-Paunsdorf soll ein 57 Meter hohes Hochhaus gebaut werden, das komplett aus Holz besteht – in dieser Dimension in Deutschland ein Novum. 2022 hatten sich die Projektpartner gefunden und einen Vertrag geschlossen: die Wohnungsgenossenschaft Kontakt als Bauherr, die im Holzbau erfahrene S&P Sahlmann Planungsgesellschaft Leipzig mbH und die HKS.
Es entsteht ausschließlich bezahlbarer Wohnraum
Das Besondere neben der Bauweise: Im Gegensatz zu anderen, meist hybriden Holzbauten in Deutschland entsteht ausschließlich bezahlbarer Wohnraum. Noch gibt es nur eine Visualisierung, aber HKS-Chef Sören Glöckner sieht „die Planungen im Soll“. Zum Holzbautag im kommenden April würden Details veröffentlicht und „frühestens im Herbst 2025″ sei Baubeginn an der Heiterblickallee, so Glöckner.
Fertiggestellt kann der hölzerne Riese mit seinen 16 Geschossen und 80 bis 100 Wohnungen locker in Europas Champions League mitmischen. Nach derzeitigem Stand wäre er der zweithöchste reine Holzbau – nach dem Mjøsa-Tower in Norwegen. Jenes Wood Hotel in Brumunddal, 130 Kilometer nördlich von Oslo, zeigt, was bautechnisch möglich ist. Der 18-Stöcker war bis 2022 mit 86 Metern das höchste Massivholzhaus der Welt, ehe er vom Ascent MKE in Milwaukee (US-Staat Wisconsin) um einen Meter getoppt wurde. Der japanische Forstkonzern Sumitomo Forestry will in Tokio noch eins draufsetzen und sich zu seinem 350. Firmenjubiläum im Jahr 2041 mit einem 350 Meter hohen, 70-stöckigen Turm beglücken.