Von Ulrich Milde
Leipzig. Es ist schon ein ordentlicher Brocken. Die Haushalte in Leipzig berappen im Schnitt ein Drittel ihres Nettoeinkommens für die Miete. Diese sind derzeit weiter angestiegen. Die Angebotsmietpreise bei Erstbezug betragen gegenwärtig 12,73 Euro je Quadratmeter im Median. Das entspricht einem Plus von gut elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Bestand ist dieser Wert um knapp neun Prozent auf 9,17 Euro geklettert.
„Im deutschlandweiten Vergleich ist das immer noch moderat“, sagt Kerry Brauer. Die Professorin führt diese Steigerungen auf zwei Entwicklungen zurück. So ist Leipzig eine wachsende Stadt. Aber der fehlende Wohnungsneubau „hält mit der anhaltenden Nachfrage nicht Schritt“. Bauen, resümiert die Direktorin der Dualen Hochschule in Leipzig, sei einfach sehr teuer. Für eine Familie mit zwei Kindern „wird es eng“. Wer in dieser Situation niedrigere Miete fordere, „der hat hier im Osten ein kurzes Gedächtnis“. Bauen und Vermieten müsse sich auch für Investoren lohnen. Bei niedrigen Mieten könnten oftmals auch erforderliche Renovierungen kaum erfolgen. „Das hat die DDR eindrucksvoll gezeigt“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin, die an der Universität Leipzig promovierte und habilitierte.
Chipindustrie ist Dresdens Vorteil
Also müsse an einem anderen Hebel angesetzt werden, meint die Autorin des in zehn Auflagen erschienenen Standardwerks „Grundlagen der Immobilienwirtschaft“ . Die Region sollte versuchen, „die Kaufkraft zu erhöhen“, empfiehlt die Fachfrau, die seit zwei Jahren dem Fachkreis Gewerbeimmobilien Leipzig vorsteht. In diesem Verein haben sich 30 Unternehmen aus der Bau- und Immobilienbranche sowie Vertreter aus Forschung und Lehre zusammengeschlossen. Folglich sollte alles unternommen werden, um Firmen „mit hohem Qualitätsniveau und entsprechender Bezahlung“ anzusiedeln“, etwa in der Biotechnologie. Da stehe die Landeshauptstadt Dresden mit ihrem Schwerpunkt in der Halbleiterindustrie „deutlich besser da“.
Für Leipzig sei es wichtig, sich über die Autoindustrie mit BMW und Porsche sowie der Logistik mit dem europäischen Frachtdrehkreuz von DHL an der Spitze breiter aufzustellen, betont die Wirtschaftswissenschaftlerin. Das mache weniger anfällig für Konjunkturschwankungen oder Krisen in einer einzelnen Branche. Ansiedlungen aber erfordern Flächen, und die sind in Leipzig knapp. Folglich hat sich der Fachkreis, („wir wollen unseren Beitrag zur Standortentwicklung leisten“) kürzlich am Flughafen Leipzig/Halle umgeschaut.
Attraktiver 24-Stunden-Betrieb
„Die infrastrukturelle Anbindung und die Flächenpotenziale rund um die Airports Leipzig/Halle und Dresden bieten enorme Chancen für Investitionen“, sagt die gebürtige Leipzigerin. Der Flughafen in Schkeuditz sei mit mehr als 200 Hektar entwickelbarer Fläche, seinem 24-Stunden-Betrieb und der Anbindung per Straße und Schiene hochattraktiv. Auch Dresden werde verstärkt als Zukunftsstandort wahrgenommen. Mit dem geplanten Wachstum auf über 100 .000 Arbeitsplätze, der Nähe zur Chip-Industrie und kurzfristig verfügbaren Entwicklungsflächen „eröffnet sich hier in riesiges Potenzial“.
Brauer bedauert in diesem Zusammenhang, dass im vorigen Jahr per Bürgerentscheid die Erschließung einer 400 Hektar großen Industriefläche im nordsächsischen Wiedemar, in Flughafennähe, abgelehnt wurde. „Das hätte der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen gutgetan.“ Es sei ein „prädestiniertes Areal für eine Großansiedlung“. Es zeige sich immer wieder „eine fehlende Kompromissbereitschaft in der Gesellschaft“. Sie nennt ein weiteres Beispiel. So fehlten einerseits in Leipzig Wohnungen, andererseits gebe es bei geplanten Bebauungen Proteste, wollten Anwohner lieber eine Grünfläche.
Allerdings sei der Motor der beiden Airports im Freistaat ins Stottern geraten. „Das ist alarmierend“, kommentiert die Hochschullehrerin. So gebe es kaum noch Direktverbindungen in andere europäische Metropolen. „Dann siedelt sich ein spanisches Unternehmen eher im Großraum Berlin an als in Leipzig oder Dresden.“ Auch umgekehrt gelte das. „Die Unternehmer aus Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen zu ihren Kunden, und die sitzen in einer exportorientierten Wirtschaft nicht in Hurghada, sondern in Frankreich, England oder Spanien. Und „sie kommen einfach nicht mehr dorthin“, hatte kürzlich Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, in einem Interview mit der LVZ analysiert.
Regulierungen schwächen Airports
Strenge Regulierungen, steigende Kosten und eine schwächelnde Konjunktur bremsten die Airports, ergänzt Brauer. Zudem mache die Luftverkehrssteuer, die es nur in 9 von 27 EU-Ländern gebe, die Hälfte der von den Fluglinien an die Airports zu zahlenden Entgelte aus. „Wenn die Flughafengebühren in Leipzig Airlines abschrecken, dann verspielen wir eine Schlüsselchance im Standortwettbewerb.“ Dringend nötig sei ein „investitionsfreundliches Klima – nicht nur für die Immobilienbranche, sondern für den gesamten Wirtschaftsraum Sachsen“.
Ob tatsächlich bald verbesserte Rahmenbedingungen für die Flughäfen kommen – Brauer wird das nicht mehr vom Direktorensessel des 600 Studierende zählenden Leipziger Standorts der Dualen Hochschule Sachsen aus beobachten. Im September tritt die 65-Jährige, die zwischenzeitlich einige Jahre beruflich in der Immobilienwirtschaft tätig war, in den Ruhestand, was sie selbst lieber als Freelancer-Stand bezeichnet Aber sie wird weiter Vorlesungen über Immobilien halten, bei der Erarbeitung von Marktberichten und in Forschungsprojekten mitwirken sowie sich verstärkt ihrem Ehrenamt als Präsidentin des Fachkreises Gewerbeimmobilien widmen. Den versteht sie als Partner für die Stadt und die beiden Landkreise Leipzig und Nordsachsen., auch bei dicken Brocken wie der Ansiedlung und der Mieten. Deshalb soll die Arbeit des Gremiums auf das Wohnen ausgeweitet werden.