Herr Buchholz, unser Ministerpräsident Michal Kretschmer verkündet immer wieder: Die Energiewende ist so gescheitert, wie sie aktuell gemacht wird. Stimmen Sie dem zu?
Die Energiewende wurde in Sachsen bisher verschlafen. Aber ich vermisse eine Botschaft völlig: wir sind ein Land der Ingenieure, und wir packen das und wir gestalten das. Mir fehlt die Aufbruchsstimmung. Ich habe manchmal das Gefühl: Unsere Regierung duckt sich vor der Botschaft weg, dass sich unsere Energielandschaft auch in Sachsen verändern wird. Weg von der Zentralität, hin zu dezentralen regernativen Erzeugungsanlagen. Dabei merken wir massiv die Anfragen aus der Wirtschaft, die grünen Strom einfordern.
Wer ist das?
Im Industriebogen rund um Riesa haben sich neun energieintensive Unternehmen aus der Stahl- und Chemieindustrie zusammengeschlossen. Sie haben zwei Zielstellungen: Einerseits das, was scheinbar bei der sächsischen Wasserstoffstrategie verpasst worden ist, diesen doch relativ energieintensiven Teilraum Sachsens ans Wasserstoffnetz anzuschließen. Und die zweite Botschaft ist: Wir brauchen erneuerbare Energien und möglichst standortnah. Dazu gehören etwa Feralpi oder Wacker Chemie in Nünchritz. Erneuerbare Energien sind ein Standortfaktor.
Also Sie meinen, große Unternehmen kommen und bleiben nur, wenn wir Grünstrom haben.
Ja, bei der Tesla-Ansiedlung oder Intel-Ansiedlung war ein Kriterium, die ausreichende Verfügbarkeit an erneuerbaren Energien. Auch für TSMC in Dresden spielte das eine Rolle. Doch woher soll die Grüne Energie in Sachsen kommen.
Im letzten Jahr wurden neun Windanlagen in Sachsen gebaut. Was braucht es, damit es mehr werden?
Für die Energiewende bedarf es ausreichend Flächen, die mittels Regionalplanung und kommunaler Bauleitplanung für eine Wind- oder PV-Nutzung bereitgestellt werden können. Soll es zügig gehen, sind derzeit die Kommunalpolitiker gefordert. In Gemeinderatssitzungen für entsprechende Projekte Mehrheiten zu finden, ist oft langwierig. Ja, das Landschaftsbild wird sich durch die Erneuerbaren Energien verändern, aber das hat es auch schon mit Windmühlen die Korn gemahlen haben im Mittelalter, oder mit der Kohle im 20. Jahrhundert gegeben. Wind- und PV-Parks in Sachsen machen uns unabhängig von Energieimporten, die aus unsicheren Drittstaaten kommen. Solche Botschaften braucht es aus der Politik. Und von den Medien.
Vielleicht sind Sie aber als Unternehmen selbst dran schuld, dass die Akzeptanz so gering ist. Ihr Unternehmen, die UKA gehört zu den drei führenden Entwicklern für Windkraft in Deutschland. Ist auch in Amerika aktiv. Das erinnert an Szenen aus Juli Zehs Buch Unter Leuten, wo große Investoren in den Ländlichen Raum gehen.
Da ist viel passiert. Die Unternehmen haben erst vor ein paar Jahren rechtlich die Möglichkeit bekommen, Gemeinden an den Gewinnen beteiligen zu dürfen. Das wurde erst mit dem Paragraf sechs im Erneuerbare-Energien-Gesetz möglich. Der regelt die finanzielle Beteiligung von Kommunen in Höhe von 0,2ct/kWh je erzeugter Kilowattstunde. Das entspricht bei modernen Windenergieanlagen 30.000 bis 40.000 Euro pro Windenergieanlage im Jahr. Auch Kooperationen mit lokalen Stadtwerken und Energiegenossenschaften sind möglich. Wenn die Politik die Grundlagen legt, steigen die Chancen zur Akzeptanz.
Machen wir nicht aber auch den Fehler, dass die Akzeptanz an Erneuerbaren Energien schwindet, weil wir sie jetzt in den Wald bauen?
PV im Wald halten wir momentan nicht für die sinnvolle Art, die Energiewende voranzutreiben. Großflächige Rodungen sind für den Klimaschutz eher kontraproduktiv.
Und Windräder im Wald?
Man sollte die Wälder differenziert betrachten. Bei Wald denken wir immer an besonders schöne Mischwälder. Wir haben aber auch viele forstwirtschaftliche und monokulturell genutzte Wälder. Die sind nicht mit dem Tharandter Wald oder dem Nationalpark Sächsische Schweiz vergleichbar.
Wir haben bereits Windräder in forstwirtschaftlich genutzten Wäldern realisiert, allerdings in Brandenburg. Und wir würden auch gerne solche Projekte in Sachsen realisieren, denn gerade jetzt können wir durch die Trockenheit und den Borkenkäferbefall die Errichtung von Windrädern und den Waldumbau zusammendenken.

Um nochmal auf das Anfangszitat zu kommen: Ist die Energiewende gescheitert?
Michael Kretschmer meint damit wohl, dass wir nicht aus allen Energieträgern gleichzeitig aussteigen können, sowohl aus der Atomkraft und aus der Kohle, wenn wir in einem Industrieland noch die adäquate Versorgung gewährleistet haben wollen. Die Schlussfolgerung daraus ist jedoch nicht, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen.
Aber stimmen Sie diesem Zitat zu oder nicht?
Nein, ich würde sagen, die Energiewende in Sachsen ist nicht gescheitert, sondern sie hat erst gerade begonnen. Ich widerspreche da Herrn Kretschmer ganz eindeutig. Wir brauchen Offenheit für die Technologien. Und wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, dann müssen wir über Speicher reden. Da gibt es auch technische Lösungen. Und deswegen finde ich die Botschaften, die gesandt werden von der Landespolitik teilweise nicht lösungsorientiert. Da würde ich mir deutlich mehr Aufklärung wünschen und sehe auch die Energieagentur (SAENA) in der Pflicht. Da kann sich Sachsen z.B. von Brandenburg, Hessen oder Thüringen was abschauen.
Frank Buchholz arbeitet als Energieplaner in Mitteldeutschland für die UKA Gruppe in Meißen.
Das Gespräch führte Luisa Zenker.