Von Anja Beutler
Eigentlich achten Bäckereien strikt darauf, dass ihre Filialen sich nicht in einer Stadt ballen und sich am Ende gegenseitig die Kunden abjagen. Die Bäckerei Drechsel fährt in Löbau hingegen genau das gegenteilige Konzept: Gleich drei Standorte hat die Bäckerei hier – und das in einem Radius von etwa 200 Metern – von der mittelsten der drei Standorte aus gesehen. „Ja, das ist schon ungewöhnlich und mutig, drei Filialen auf so engem Raum“, meint Bäckerei-Inhaber Jörg Schütze und muss lachen. Dann schiebt er gleich nach: „Es war eigentlich eher Zufall – aber es funktioniert.“
Drechsel-Backwaren gibt es in Löbau schon lange zu kaufen: In der Sachsenstraße, im Vorraum des Diska-Marktes, eröffnete die Bäckerei ihr erstes Löbauer Geschäft. Das liefe seit jeher sehr gut, sagt Schütze. So gut, dass sich zu Stoßzeiten lange Schlangen vom Backstand bis in den Diska-Markt hinein gebildet haben. Gern hätte Schütze hier im Sinne der Kunden etwas verbessert, aber das ging nicht: „Wir können dort leider nur eine Kasse einrichten, das war das Problem“, erklärt er.
Rasantes Filial-Wachstum
Überraschenderweise kam die Chance, mehr Kunden ohne langes Warten zufriedenzustellen, auf ganz andere Weise: Als sich 2022 die Möglichkeit geboten hat, die Eibauer Bäckerei Berndt zu übernehmen – und damit auch 270 Meter weiter oder vier Gehminuten entfernt die Filiale gegenüber vom Lidl – hat Schütze zugegriffen. Die Kombination mit der Fleischerei Richter – gewissermaßen in einem Doppelgeschäft – ist für die Bäckerei ohnehin eine gute Kombination: Nicht nur, weil man den Aufschnitt für die belegten Brötchen gleich nebenan holen kann, sondern auch, weil Bäcker und Fleischer gemeinsam mehr Kunden anziehen. Und eine zweite Filiale in Löbaus stark frequentiertem Einkaufs-Stadtviertel passte erst recht.
Dass es dann im neuen Edeka – kurze 190 Meter oder eben drei Gehminuten vom Lidl Ecke Poststraße entfernt – seit Ende vergangenen Jahres noch eine Drechsel-Filiale gibt, hat ebenfalls einen guten Grund: „Wir hatten uns dafür beworben, weil wir nicht wussten, ob und wie es beim Diska weitergeht“, sagt Jörg Schütze. Edeka und Diska gehören zum gleichen Konzern, bedienen dabei unterschiedliche Einkaufsansprüche. Immer wieder machten rund um den Edeka-Bau Gerüchte die Runde, dass der Diska möglicherweise keinen Bestand haben werde. Die Bäckerei Drechsel wollte deshalb auf Nummer Sicher gehen und bewarb sich bei Edeka. Dass sie in der Zwischenzeit die Filiale beim Lidl übernehmen konnte, war damals nicht klar absehbar.
Diese Filiale gleich beim Lidl ist 2022 mit der Übernahme der Bäckerei Berndt zum Drechsel-Bäcker gekommen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Die neueste Filiale: Beim neuen Edeka verkauft ebenfalls Drechsel, Brot, Brötchen und Kuchen. Hier kann man auch verweilen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Gute Lage zu vielen Kunden
Heute sieht Jörg Schütze diese Entscheidungen als Glück: „Die drei Filialen laufen alle gut, es gibt keinen Grund, eine von ihnen aufzugeben“, sagt er. Eher im Gegenteil: Die beiden neuen Standorte entlasteten den ersten in der Sachsenstraße. Der mache aber nach wie vor den meisten Umsatz. Warum auch die anderen Löbauer Filialen funktionieren, lässt sich leicht erklären: Gleich zwei große Schulen mit zusammen knapp 2.000 Schülern sind hier in der Nähe: das Geschwister-Scholl-Gymnasium und die Pestalozzi-Oberschule. In den Pausen ist bei Drechsel deshalb immer gut Betrieb. „Die Schüler kaufen vor allem belegte Brötchen und Gebäckstücke, also beispielsweise Pfannkuchen oder Plundergebäck“, weiß Schütze aus den Erzählungen seiner Verkäuferinnen. Abgesehen davon hatte die frühere Berndt-Filiale ja schon einen Kundenstamm, der dem „neuen“ Bäcker die Treue gehalten hat.
Für Schütze ist die Konstellation in Löbau auf alle Fälle eine besondere, die sich so leicht nicht auf andere Orte übertragen lässt. Denn in der Stadt gibt es generell viele Bäcker: angefangen bei der großen Bäckerei Schwerdtner, die hier zwei Cafés und eine Filiale betreibt, über Heidorn, Sternenbäck, Kolbe bis zu Geißler, Füssel und Haupt. „Ich bin froh, dass die Menschen hier das Handwerk so schätzen“, sagt Jörg Schütze. Nur so könne eine solche Vielfalt – und manchmal eben auch drei Filialen überleben.