Von Anja Beutler
Der Schriftzug „Wiedemann“ schwingt sich rot über den Schaufenstern an der Fassade entlang. Die Fenster selbst sind dunkel und leer. Nur ein weißer A4-Zettel erklärt, dass einer der traditionsreichsten Läden in der Löbauer Innenstadt „umgezogen“ ist. Am 1. Oktober endete damit ziemlich geräuschlos die Geschichte des seit 1932 hier ansässigen Geschäftes „Wiedemann“, das sich auf „Berufsmode“ spezialisiert hat. Vom Arztkittel über den klassischen Zimmermannsanzug und Sicherheitsschuhen bis zur robusten Hose für Handwerker war hier alles zu haben. Das alles gibt es bei Wiedemann nach wie vor – allerdings nicht mehr in Löbau und mit anderer Philosophie als bislang.
Der „Ort“, an den „Wiedemann“ jetzt zu finden ist, ist das Internet. Hier hat sich Inhaber Marco Rudel, der vor 14 Jahren das Geschäft übernommen hat, von Anfang an ein zweites Standbein geschaffen – eine weitere Filiale gewissermaßen. Während im Löbauer Laden die Umsätze immer weiter rückläufig waren, wuchs sein Kundenstamm über den Online-Handel: „90 Prozent unserer Online-Kundschaft kommt dabei aus Westdeutschland“, skizziert er die neuen Möglichkeiten, die sich auf diese Weise über die Jahre entwickelt haben. Dieser Trend ist für Rudel zweischneidig: Denn nicht nur in den alten Bundesländern neigen Unternehmen und Mitarbeiter immer mehr dazu, ihre Berufsmode online zu ordern – auch hier ist das inzwischen üblich. Während die Kunden im Geschäft also ausblieben, öffneten sich im Internet gewissermaßen neue Türen.
Kommt der Gegentrend?
Dabei hat ein echter Laden mit Bekleidung zum Anfassen auch bei Berufsmode durchaus seine Vorteile: Der Kunde kann anprobieren, er kann die Qualität buchstäblich mit Händen greifen. „Ich höre inzwischen durchaus, dass einige Kunden das beim Onlinehandel nervt, weil sie dann ja alles wieder zurückschicken müssen, wenn es nicht passt“, erzählt Rudel. Gibt es dann also doch noch Hoffnung? Sollte das tatsächlich ein genereller Trend werden, der einen echten Laden wieder rentabel macht, kann sich Marco Rudel vorstellen, auch wieder einen solchen zu eröffnen. „Aber das werden die nächsten Jahre zeigen, wie sich die Dinge im Handel entwickeln“, meint er. Generell sei er ein großer Freund davon, dass die Gelder in der Region bleiben, wovon am Ende alle profitierten.
Seinen Kundenstamm zu erweitern, hat der Inhaber seit 2009 aber nicht nur online versucht. So eröffnete er gleich im ersten Jahr eine Filiale in Görlitz – ebenfalls fußläufig in der Innenstadt gelegen. Vier Jahre hatte das Geschäft Bestand, dann hat sich Wiedemann wieder zurückgezogen. „Wir hatten in Görlitz im Regionalfernsehen und auf Autos sogar Werbung geschaltet – aber es stellte sich kein Effekt ein“, sagt er und erinnert sich: „Erst, als wir weg waren, haben die Leute dann nach uns gefragt.“
Berufsmode mit Druck und Stickerei
Auch in Löbau hätte sich der Spezial-Händler schon längst zurückziehen müssen, wenn es rein nach dem Umsatzzahlen im Laden gegangen wäre. „Wenn wir die Online-Kunden nicht gehabt hätten, wären wir früher weg gewesen“, bestätigt der Inhaber. So aber kam der Schritt erst jetzt. Rudel hofft, dass ihm seine Stammkunden aus der Region trotzdem treu bleiben werden. „Wenn es spezielle Fragen und Wünsche gibt, sind wir telefonisch für Absprachen weiterhin zu erreichen“, betont er. Solche Sonderwünsche können beispielsweise das Aufdrucken oder Aufsticken von Firmenlogos sein, was Wiedemann ebenfalls den Kunden anbietet.
Zu den Kunden des Löbauer Geschäfts, die Wiedemann jetzt online aufsuchen müssen, zählten vor allem Handwerker, auch einige Arztpraxen. Von größeren Firmen, die in der Oberlausitz nur eine Niederlassung haben, profitierte „Wiedemann“ weniger, weil sie oft über die Firmenzentrale Berufsbekleidung bestellen. Mit früheren Zeiten sei die Lage jetzt ohnehin nicht zu vergleichen, bestätigt Rudel. Da kamen häufiger auch Heimwerker in den Laden, um sich einzukleiden. Diesen Bedarf decken inzwischen Baumärkte und auch Supermärkte und Discounter mit ihren Angeboten ab.