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Mehr als der Lückenfüller vom Sund

Ein Bayer gründet an der Ostsee eine Airline mit Basis in Berlin und landet in Dresden - als Germania-Ersatz. Wirtschaft in Sachsen sprach mit Sundairchef Marcos Rossello.

Lesedauer: 4 Minuten

Es dauerte keine 72 Stunden, da hatte die Mitteldeutsche Flughafen AG, Dachkonzern der Airports in Dresden und Leipzig-Halle, Ersatz für den Pleiteflieger Germania aus dem Hut gezaubert. Die Stralsunder Sundair schließt einen Teil der Lücke und wird ab 1. Mai Kreta, Rhodos, Kos, Antalya ansteuern. Insgesamt sind 26 Starts und Landungen pro Woche geplant. Im Winter soll es auch auf die Kanaren und nach Ägypten gehen. Und die Airline stationiert in Dresden einen von vier Airbussen.

Laut der gerade veröffentlichten Jahresstatistik des Branchenverbands ADV zählte der Dresdner Flughafen im vergangenen Jahr 1,76 Millionen Passagiere. Das ist ein Plus von 3,1 Prozent gegenüber 2017, aber gemessen an den anderen 21 Verkehrsflughäfen in Deutschland ein unterdurchschnittliches Wachstum – sowie weniger Verkehr als vor 20 Jahren. Und nun die Insolvenz von Germania, das am Flughafen in Dresden-Klotzsche Ferienflieger Nummer 1 war. Die Landung von Sundair hält den Schaden für den Airport in Grenzen. Doch wer verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Heilsbringer? Im Gespräch verrät Marcos Rossello Hofner seine Pläne.

Herr Rossello, angeblich wird man am schnellsten Millionär, indem man als Milliardär eine Airline gründet. Was hat Sie 2016 zu dem Schritt bewogen?

Als Chef einer auf Luftfahrt spezialisierten IT-Firma kenne ich das Chartergeschäft seit über 20 Jahren. Warum es also nicht selbst probieren? Der Witz vom Milliardär ist nett, aber Sundair und ich taugen dafür nicht. Allerdings ist Sundair 2018 tatsächlich knapp an der schwarzen Null vorbeigeflogen, was im ersten Jahr für eine neue Airline sehr gut ist. Für das aktuelle Geschäftsjahr gehen wir von einem positiven Ergebnis aus. Wir haben mit Schauinsland-Reisen einen Veranstalter, der an uns glaubt und uns mit einer enormen Erfahrung aus der Touristik unterstützt.

Wie kam es zu der schnellen Lösung für Dresden, hatten Sie schon einen Plan für den Tagx in der Schublade?

Bereits Ende 2018 hatten wir uns mit einzelnen Strecken als Ergänzung zu den Germania-Flügen auseinandergesetzt und kannten den Bedarf der Veranstalter. Diese Analyse war hilfreich, um schnell die wichtigsten nicht bedienten Strecken mit in unser Programm aufnehmen zu können.

Kommen Ihnen der Freistaat Sachsen oder die Mitteldeutsche Flughafen AG mit dem Dresdner Flughafen bei Ihrem Engagement in irgendeiner Weise finanziell entgegen?

Der Freistaat Sachsen stellt hier keine Fördergelder in Aussicht. Die Flüge müssen sich durch die Nachfrage tragen. Der Flughafen wird uns operativ unterstützen wo es nur geht, um pünktliche und zuverlässige Abflüge gewährleisten zu können.

Müssen Sie nun von ihrem Geschäftsmodell abrücken und können weniger Charterflüge auf Zuruf durchführen?

Das Modell der Ad-hoc-Flüge wird darunter nicht leiden, da wir sie auch noch mit anderen Flugzeugen aus unserer Flotte durchführen werden. Diese Flexibilität wollen und werden wir beibehalten. Natürlich bindet uns die Stationierung, und das freut uns sehr. Wir möchten langfristig ab Dresden fliegen und hier etwas aufbauen. Dazu brauchen wir natürlich auch die Unterstützung der Reisebüros, Veranstalter und die von vielen zufriedenen Gästen.

Was ist das exotischste Ziel, das Sundair je angesteuert hat?

Eindeutig Kuusamo in Finnland. Da wir hauptsächlich Warmwasserdestinationen anfliegen, ist es schon etwas Besonderes, unsere Maschine auf einem schneebedeckten Vorfeld bei zweistelligen Minusgraden in Nordfinnland zu sehen.

Erklären Sie Ihren Firmennamen!

Unser Firmenname Sundair ist eine Zusammensetzung von "Sund" und "air" – Sund, da der Hauptsitz unseres Unternehmens in der schönen Hansestadt Stralsund liegt. Diesen Bestandteil haben wir mit unserer Passion – der Fliegerei – kombiniert. Das Ergebnis: Sundair.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage und den Konsolidierungsprozess in der Branche? Haben Sie von den Pleiten anderer profitieren können?

Das ist schwer zu sagen und auch nicht zu pauschalisieren. Wir hatten zwei Flieger an Germania verleast, entsprechend war Germania auch ein wichtiger Partner für uns. Eine solche Insolvenz bringt für alle Beteiligten viel Unruhe, aber gleichzeitig natürlich auch entsprechende Chancen mit sich. Wir wären aber auch sehr gerne für Germania weitergeflogen.

Hat Sundair von Germania Slots bekommen oder interessiert sich dafür?

Wir prüfen konstant die neu entstandene Marktsituation und passen unseren Flugplan im Rahmen des Vergabeverfahrens der Slotkoordination der Nachfrage an.

2018 klagten viele Passagiere über Verspätungen und Flugausfälle. Wie steht es um die Pünktlichkeit von Sundair?

Wir haben im vergangenen Kalenderjahr mehr als 2 600 Flüge absolviert, von denen nur drei im gesamten Jahr mehr als drei Stunden verspätet waren. Wir sind mit unserer Performance sehr zufrieden.

Viele Airlines flogen von Dresden nur eine Saison lang – wenn ein Flieger übrig war und zu ungünstigen Abflugzeiten, die sich nicht rechnen konnten. Wie viel Zeit geben Sie dem Standort?

Wir kommen, um zu bleiben! Mit der Stationierung ist ein langfristiges Engagement geplant. Wir möchten in Dresden Arbeitsplätze schaffen, indem wir Crews einstellen. Hier tragen wir alle dann auch eine große Verantwortung. Wir hoffen auch, dass ehemalige Germania-Mitarbeiter bei uns einen neuen Start finden. Nur mit einer Stationierung können wir attraktive Flugzeiten darstellen, die unsere Flüge auch zeitnah erfolgreich machen.

Ab welcher Auslastung sprechen Sie bei dem Engagement von einem Erfolg?

Von Erfolg können wir sprechen, wenn wir mit den Flügen Geld verdienen. Pauschal kann keine Grenze festgelegt werden, da dies von mehreren Faktoren abhängig ist. Die Preise im Flugmarkt sind in den letzten Jahren deutlich gefallen, wir möchten hier mit einem fairen Angebot ein stabiles Flugprogramm aufbauen und erhalten.

Füllen Sie die Maschinen nur über den Veranstalter Schauinsland-Reisen?

Wir bieten die Flüge allen Veranstaltern an. Schauinsland-Reisen kauft in der Regel 30 bis 40 Prozent der Flüge. Es gibt einen gesunden Veranstaltermix, damit auch ein breites Hotelangebot existiert.

Welche Vision haben Sie mit Sundair? Spielt dort auch Dresden eine Rolle?

Wir beschäftigen knapp 200 Mitarbeiter. Mittelfristig können wir uns vorstellen, auf acht bis neun Flugzeuge zu wachsen. Dresden ist ein ernst gemeintes Engagement. Vielleicht kommen dort im Sommer 2020 noch ein paar attraktive Flüge hinzu.

Wie gehen Sie mit dem Thema Hauptstadtflughafen Berlin um?

Wir freuen uns, wenn der BER öffnet, würden es aber begrüßen, wenn es weiterhin noch ein Angebot ab Tegel geben kann.

Haben beide sächsische Flughäfen Leipzig-Halle und Dresden aus Ihrer Sicht auf Dauer eine Existenzberechtigung?

Ja, sonst würden wir hier nicht investieren und ein Angebot schaffen.

 

Das Gespräch führte Michael Rothe

Foto: Götz Schleser/ Wirtschaftswoche

 

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