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Mit dem Ufo aufs Testgelände in der Lausitz

Baufreigabe für das modernste Experimentierfeld zum autonomen Fahren und Fliegen. Für 100 Millionen Euro entsteht in Hoyerswerda ein Mega-Labor.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht einen Fahrsimulator für die Entwicklung künftiger autonomer Fahrzeuge
Ein Fahrsimulator für die Entwicklung künftiger autonomer Fahrzeuge. Auf einem provisorischen Testfeld in Freital lassen die Forscher diese Murmel schon mal rollen. 2027 wird dann ins neue Mega-Labor in Hoyerswerda umgezogen. © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Stephan Schön

Es bewegt sich ziemlich komisch. Rüttelt sich, dreht sich und bleibt abrupt stehen. Und rollt davon. Nein, dieses Ufo fliegt nicht. Es ist ganz bodenständig. Auf Rädern und einem Gestell darauf, das die Murmel darüber ordentlich durchschüttelt. Samt Insassen. Es sind die ersten Fahrten des Dresdner Fahrsimulators. In der Murmel steckt schließlich ein Pkw-Cockpit. Und eine große Videowand vor der Frontscheibe. Damit werden reale Straßenszenen geprobt fürs autonome Fahren. Die Software wird trainiert fürs reale Leben in der Stadt. Ampel, Fußgängerüberweg, Fahrrad, Stau und Notbremsung, weil ein Unfall voraus.

Was Günther Prokop gestern in Freital auf dem Testgelände vorstellt, gehört eigentlich in die Lausitz. Nach Hoyerswerda. Prokop ist Professor für Kraftfahrzeugtechnik an der TU Dresden. Sein neuer Job dazu: Er leitet den Aufbau eines Mega-Labors in der Lausitz, das Smart Mobility Lab (SML). Es ist einzigartig für Deutschland und soll hier das autonome Fahren und das autonome Fliegen von Drohnen zur Realität werden lassen. Gestern war in Freital Kick-off, die Baufreigabe für das Bauunternehmen Goldbeck GmbH mit einem Firmenstandort in Bautzen.

So soll das Smart Mobility Lab 2027 dann in Hoyerswerda aussehen. Baubeginn ist Anfang 2025
© Goldbeck GmbH/TUD

Warum aber dann Freital? Für Günther Prokop und die anderen Teams ist das der ideale Platz, um schon mal mit der Forschung loszulegen: Die Fläche hier am Rande der Stadt ist groß und frei, asphaltiert und hat eine Halle davor. Bis 2027 fliegen hier erst einmal die Drohnen. Hier lernt der Schwarm, eine Gruppe autonomer Landwirtschaftsfahrzeuge, das Ackern. Max und Moritz sollen hier das Arbeiten lernen. Zupacken, ganz vorsichtig, Teile aufheben, präzise zuliefern und dabei sich selbst beim zügigen Sprint durch die Werkhalle nicht über den Haufen rennen. Es ist Schwarmintelligenz, die die Informatiker der TU Dresden ihrem neuen Team von autonomen Robotern geben.

Roboter sollen als Avatare für die Menschen agieren, über Telerobotik schwierige, schwere und gefährliche Tätigkeiten ausführen. Für Uwe Aßmann, den Informatikprofessor und Softwaretechnologen, sind Roboter-Typen wie Max und Moritz eine von vielen Ideen, die in Hoyerswerda dann das selbstständige Laufen lernen sollen. Firmen-Ausgründungen inklusive, die dieses Know-how nicht nur vervielfältigen, sondern Jobs in der Region schaffen.

Darum geht es vor allem, wenn der Freistaat hier an die 90 Millionen Euro aus seinen Strukturgeldern für die Kohleregion ausgibt. „Wir müssen in dieser Region Neues aufbauen, bevor das Alte weg ist“, begründet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) diese Investition ins Smart Mobility Lab Hoyerswerda. Es ist Forschung, aus der Firmen werden. „Wir müssen dafür sorgen, das Alternativen entstehen, für die Kinder und Enkel hier“, sagt Kretschmer. Das sei Strukturwandel, wie Sachsen ihn verstehe und dabei wie kein zweites Bundesland auf Wissenschaft und Forschung setze.

Eine Halle 40 Meter hoch und 100 mal 100 Meter groß entsteht dafür in Hoyerswerda. Drohnen, Fahrsimulatoren und Roboter teilen sich dann diesen Platz. Sie müssen lernen, sich dabei nicht gegenseitig zu stören, beim Fliegen, Fahren und Funken. Und so wie draußen nicht immer Supersommer ist, wird’s für die Technik auch in der Versuchshalle immer wieder mal unangenehm. Ein riesiges Gebläse, das Megawatt an Strom zieht, sorgt für den Sturm im Labor. Die Berieselungsanlage bringt dazu passend den Starkregen. Es ist der Stresstest für die selbstständigen Fahrzeuge und Fluggeräte der Uni.

Moritz heißt dieser Service-Roboter. Mit viel Sensorik und der Möglichkeit, sich mit anderen Robotern seiner Bauart zu verständigen, um gemeinsam zu arbeiten. © Foto: SZ/Veit Hengst

Im neuen Smart Mobility Lab sollen dann Drohnen ihr autonomes Fliegen trainieren. Und das, auch bei Sturm und Regen. TU-Professor Hartmut Fricke will Drohnen als Zulieferer entwickeln. © Foto: SZ/Veit Hengst

Eigentlich sind es viele, hier ist nur einer vom Swarm, dem Landmaschinen-Schwarm, zu sehen. Von der Analyse des Boden- und Pflanzenzustands bis zur Feldbearbeitung soll er weitgehend autonom kooperierend mit den anderen vom Schwarm arbeiten. © Foto: SZ/Veit Hengst

Bis hin zur Zulassung autonomer Fluggeräte und Fahrzeuge soll die Technik in diesem Lab verfeinert werden. Im Januar 2025 ist Baubeginn, ab 2027 zieht die Wissenschaft dort ein. Mit einer Aussichtsplattform für die Bürger obendrauf. Und einer großen Freifläche für die Technik davor. Ein Versuchsgelände, auf dem die Straßen eines ganzen Stadtviertels nachgebaut werden können. Auf dem auch ein autonomer Flugplatz entsteht, mit international standardisierten Leuchten und Beschriftungen, wie auf jedem normalen Flugfeld auch.

Europas größte Flugzone für autonomes Fliegen entsteht hier. Sie reicht von Hoyerswerda, über den Flugplatz Kamenz, nach Görlitz bis nach Weißwasser. Das ist dann ein reservierter Luftraum für die Drohnen der Forscher. Bis die aber dort starten, nutzt die TU in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt den Flugplatz in Magdeburg-Cochstedt, kündigt Hartmut Fricke an, Sachsens Koordinator für Luft- und Raumfahrt. Fricke ist ebenso an der TU Dresden als Professor tätig und betreut die fliegenden autonomen Geräte vom Smart Mobility Lab in Hoyerswerda.

Und wenn’s gut läuft, dann dürfen die neuen Geräte auch raus ins reale Leben. Zuerst in und um Hoyerswerda, das sie bis dahin ja schon digital kennengelernt haben.

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