Das Fahrrad muss nicht zweimal erfunden werden. Beschäftigte auf Arbeit zu bringen – und natürlich wieder nach Hause – wird nicht mehr nur dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) überlassen. Große Firmen sind dazu übergegangen, für den Transport ihrer Leute selbst zu sorgen – mit einem Werksverkehr. Jüngstes Beispiel ist der Wohnmobilhersteller Capron im sächsischen Neustadt. Damit übernimmt er ein Modell, das zu DDR-Zeiten gang und gäbe war. Auch im Landmaschinen-Kombinat „Fortschritt“, in dessen Hallen Capron Wohnmobile montiert.
In Kodersdorf wird darüber ebenso diskutiert, nur, dass man dabei nicht einen Betrieb vor Augen hat, sondern das gesamte Gewerbegebiet. Wer kein eigenes Fahrzeug hat, für den ist es schwierig, in das Gewerbegebiet an der Autobahn zu kommen. Bürgermeister René Schöne argumentiert, dass es inzwischen nicht nur über 1 300 Menschen sind, die im Gewerbegebiet ihre Arbeit haben. „Sie arbeiten auch in 18 unterschiedlichen Schichten. Diese lassen sich aber mit dem ÖPNV zeitlich nicht koordinieren“, sagt Schöne.
Hinzu kommt ein zweites Problem: Kodersdorf liegt zwar an der Bahnlinie Cottbus – Zittau, aber der Personenzug hält vier Kilometer entfernt vom Gewerbegebiet. Wie kommen also die Menschen von Kodersdorf-Bahnhof in den Ort und wieder zurück? Fragen, die die Gemeinde für die Zukunft lösen möchte.
In dem Zukunftskonzept „Nachhaltiges Gemeindeleben“ Kodersdorf heißt es: „Es bedarf einer Strategie zur Verbesserung der Mobilität innerhalb der Gemeinde.“ Das Konzept kommt zu dem Schluss, dass der öffentliche Personennahverkehr nur bedingt den aktuellen Bedarf decken kann. Es fehlt an einer belastbaren Direktanbindung an den Ortskern und an das Gewerbegebiet im Süden.
Die Gemeinde ist dazu bereits im Gespräch mit dem Landkreis und dem Verkehrsverbund Zvon. Konkrete Lösungen, die umgesetzt werden können, sind aber von dem Gremium noch nicht benannt. René Schöne sagt, dass im Vordergrund nicht nur die Anbindung des Bahnhofes an den Ort und die Ausgestaltung des überregionalen ÖPNV für den Pendlerverkehr stehen, sondern auch das Nutzen moderner und nachhaltiger Technologien. Dazu gehören Car-Sharing-Modelle, ehrenamtliche Fahrdienste, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrräder und -autos. „Das sind nur einige Beispiele, deren Umsetzungen für uns vorstellbar sind“, betont der Bürgermeister.
Das soll alles auf der Grundlage eines Mobilitätskonzeptes erfolgen, für das sich der Bürgermeister jetzt die Zustimmung vom Gemeinderat geholt hat. Dabei geht es um das bundesweite Verbundvorhaben mit automatisierten Fahrzeugen in drei Modellregionen Deutschlands. Diese sind neben dem Kreis Görlitz die Landkreise Elbe-Elster und Cuxhaven.
Kodersdorf wird dabei eine wichtige Rolle spielen, sagt Thomas Rublack von der Servicestelle Nachhaltigkeit der kreisgeführten Entwicklungsgesellschaft Eno. Nach seinen Worten geht es neben der stärkeren Einbindung des ÖPNV auch um automatisierte und autonome Verkehrsmittel. So könnte ein Werksverkehr autonom vom Linienverkehr stattfinden. So wie es Capron in Neustadt vormacht. Aber auch automatisierte Fahrten sind für die Zukunft denkbar. Und das nicht nur für den innerbetrieblichen Transport.
Um klare Bilder zu bekommen, soll das vom Bundeswirtschaftsministerium initiierte Programm dem Landkreis und Kodersdorf helfen. Sein Interesse daran hat Kodersdorf bereits bekundet. Neben zukunftsträchtigen Formen der Fortbewegung hat Kodersdorf auch alltägliche Verkehrsprobleme zu meistern, die sich beispielsweise bei jeder Sperrung des Autobahntunnels zeigen. Dem Ort selbst soll eine Teilumfahrung Entlastung bringen. Aber auch diese muss finanziert, geplant und gebaut werden. „Die Studie soll klären, was wirtschaftlich machbar ist“, sagte René Schöne im Gemeinderat. Die E-Mobilität und das Car-Sharing (Teilen eines Autos durch mehrere Nutzer) will Schöne als verbindendes Element zwischen den Bahnschienen und dem Gewerbegebiet. Er ist überzeugt, dass die Gemeinde bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen wird. „Wir müssen etwas bringen, damit andere darüber reden können“, sagte er zu den Räten.
Der Anfang ist gemacht, den komplexen Verkehr unter die Lupe nehmen zu können. Offen ist, mit welchem Anteil das Bundesministerium den drei Landkreisen finanziell unter die Arme greift. Zudem sind die beiden Technischen Universitäten Berlin und Brandenburg mit eingebunden.
Von Steffen Gerhardt
Foto: © André Schulze