Von Lucy Krille
Moritzburg/OT Auer. Wenn Steffen Görtzen sich die Siedlungen in seiner Umgebung anschaut, dann sieht er „viel Einerlei“. Dabei weiß der Dresdner aus seiner Zeit in Baden-Württemberg, dass es auch anders geht. Dort hat er Menschen gesehen, die etwa auf Campingplätzen leben oder in kleinen Häuschen, auf Englisch Tiny-Houses. „Das fand ich gut“, sagt Görtzen. Als er wieder nach Dresden kam, dachte er sich, dass es doch auch hier eine Wohnform geben müsste, die mit wenig Fläche auskommt, aber trotzdem die Vorzüge des Dorflebens bereithält.
Schon länger beschäftigte sich der 52-Jährige mit Tiny-Houses. „Ihren Ursprung haben sie in Amerika“, weiß Görtzen, und erzählt, wie die Häuser früher an Lkw-Anhängern hingen. Auch heute gilt der Grundgedanke, dass man mit einem Tiny House jederzeit wegkann. Im Moritzburger Ortsteil Auer soll nun aber eine Siedlung entstehen, aus der man im besten Fall gar nicht mehr wegwill.
Der Dresdner Verein „Freitraum“ hat dafür ein idyllisches Stück Grün im Auer im Blick. Das Grundstück liegt am Siedlerweg, fernab der Durchfahrtsstraße und von viel Wald umgeben. Derzeit stehen noch einzelne alte Bungalows auf der verwahrlosten Fläche. In Zukunft soll aus dieser ein ansehnlicher Lebensraum werden. Der Verein hat auch schon erste Pläne.
Moritzburg stellt Fläche in Aussicht
Die Mitglieder von Freitraum stellen sich circa zehn Wohneinheiten vor. „Wir sind momentan für alle Bebauungsformen offen“, sagt Görtzen. Möglicherweise fände der Verein ja einen Investor, der Häuser in Modulbauweise unterstützt. Oder es erschafft sich jeder sein ganz persönliches Tiny-House. „Da gibt es Wahnsinns-Lösungen“, sagt Görtzen. Wie in einem kleinen Ferienhaus gebe es in einem Tiny-House alles, was man braucht: Eine Küchenzeile, ein Bad und ein Bett, welches manchmal auf einer Zwischenetage oder hinter einer Trennwand aufgebaut ist.
Er erzählt von Zirkuswagen mit herausziehbarem Erker und Gartenbungalows mit 35 Quadratmetern Fläche. Manche kommen mit noch weniger Wohnraum aus und leben in Seecontainern oder in 13 Quadratmeter großen Modulhäusern. Alle Häuschen eint, dass sie den Boden nicht dauerhaft versiegeln, sondern wenn überhaupt mit mobilen Fundamenten ausgestattet sind. Das dürfte gerade im Auer auf Wohlwollen stoßen, da der Ort immer wieder Probleme mit Wasser hat.
Görtzen berichtet von vielen Gesprächen, die der Verein mit dem Ortschaftsrat und der Gemeinde geführt habe. Zwar schloss der Gemeinderat den favorisierten Erbpachtvertrag aus, stellte die Fläche aber vergangenen Herbst zum Verkauf in Aussicht, wenn der Verein einen Bebauungsplan vorlegt.
Tiny-House-Siedlung ist ein „Leuchtturmprojekt“
Gerade lässt Freitraum aber erst einmal den Wert des Grundstücks ermitteln, da der jetzige Bodenpreis nicht realistisch sei. Allein das Gutachten kostet bis zu dreitausend Euro, für den Bebauungsplan dürfte eine weitere fünfstellige Summe fällig werden. Den will der Verein in enger Abstimmung mit der Gemeinde aufstellen. Geht alles gut, wäre die Tiny-House-Siedlung im Auer ein „Leuchtturmprojekt“, wie Görtzen sagt. Er ist froh, dass man so aufgeschlossen gegenüber den Ideen von Freitraum sei.
Das sei keine Selbstverständlichkeit, denn viele hätten noch immer die Vorstellung von einer Kommune mit lauter Hippies im Kopf. Bei Infoveranstaltungen machen die Mitglieder klar, dass das nicht so ist. Derzeit besteht der Verein aus etwa zehn Mitgliedern, darunter Lehrer, Kaufleute und Sozialarbeiter. Görtzen ist Mikrotechnologe und arbeitet im Dresdner Norden, wo die Nachfrage nach Wohnraum durch die Ansiedlung von TSMC weiter steigen dürfte.
„Manche sind aber auch wieder abgesprungen, weil sich ihre Planung inzwischen verändert hat oder sie ihre Traumwohnung gefunden haben“, weiß Görtzen. Die Mitglieder haben sich über Internetforen kennengelernt und während der Corona-Pandemie den Verein gegründet. Dieser sei immer auf der Suche nach weiteren Mitstreitern, egal ob mit oder ohne Wohnabsicht. Auch Steffen Görtzen ist sich noch nicht sicher, ob er einmal in so einem Haus leben wird. „Wenn es sich gut und schnell entwickelt, vielleicht“, sagt er.
Eine Nachbarschaft, die teilt
Doch die Zeit spielt gegen ihn. Denn wenig Fläche bedeutet nicht automatisch immer wenig Geld. „In meinem Alter muss ich dann schon überlegen, ob sich das noch lohnt“, sagt der 52-Jährige. Ein großes Tiny-House mit 50 Quadratmetern Fläche könne schlüsselfertig um die 125.000 Euro kosten, so seine Schätzung. Der Quadratmeterpreis sei ähnlich wie bei einem normalen Einfamilienhaus. Auch die Anforderungen an die Energieeffizienz, den Brandschutz oder die Statik sind ähnlich hoch.
Dennoch könne man mit einem Tiny-House sparen, ist sich Görtzen sicher. Denn auf wenig Fläche passt auch wenig Schnick-Schnack. Bei Freitraum träumt man vielmehr von einer Nachbarschaft, die ihre eigenen vier Wände hat, und sich dennoch gegenseitig hilft und miteinander teilt. So etwa den Feierraum, Waschmaschinen oder Werkzeuge. Eine Solaranlage könnte Energie zuliefern und auch im Ort will sich der Verein einbringen, etwa bei Festen. „Der Fokus liegt auf der Nachbarschaft“, sagt Görtzen.