Von Tobias Winzer
Ob Optiker-Laden, Apotheke, Tanzschule oder Zahnarzt – wer in Leipzig mit der Straßenbahn unterwegs ist, wird ganz unmittelbar mit Werbung konfrontiert. Denn Unternehmer, die ihr Geschäft in der Nähe einer bestimmten Haltestelle haben, können sich eine Haltestellen-Ansage kaufen. Die Folge ist, dass nach dem gewöhnlichen Haltestellennamen in Leipzig oftmals noch mehrere Geschäfte in der Nähe genannt werden. Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), die die Haltestellen-Ansagen über einen Vermarkter verkaufen, erzielen damit pro Jahr sechsstellige Einnahmen. Ein Modell auch für andere sächsische Verkehrsbetriebe, wie in Dresden oder in Chemnitz?
„Der Anlass, die Haltestellenansagen zu vermarkten, war die Nachfrage von Händlern“, sagt LVB-Sprecher Marc Backhaus. Natürlich spiele auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. Wie die Leipziger Volkszeitung jüngst berichtete, zahlen die Kunden zwischen 5.000 und 7.000 Euro pro Jahr. Rund 300.000 Euro pro Jahr sollen die Verkehrsbetriebe dadurch insgesamt einnehmen. Vermarktet werden die Haltestellenansagen von der LE Medien GmbH, die mehrheitlich zur Sachsen-Fernsehen-Gruppe gehört.
Aktive Suche nach Werbepartnern
LVB-Sprecher Backhaus möchte sich nicht zu den Zahlen äußern, spricht allgemein von einem „Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV in Leipzig.“ Allerdings seien die Einnahmen im Vergleich zu den gesamten Kosten nur ein „minimaler Beitrag“. Die LVB vermarkten die Haltestellenansagen laut Backhaus seit etwa zehn Jahren – „mit stetig wachsendem Interesse von Werbekunden“. Man betreibe jedoch keine massive Kampagne, um die Zahl der Werbepartner zu vergrößern. Er betont zugleich, dass die betrieblichen Informationen – also die üblichen Haltestellenansagen – immer Vorrang haben. Nicht gewünscht ist außerdem sexistische Werbung. „Wir würden zum Beispiel keine Werbung für einen Sexshop oder Ähnliches machen“, sagt er.
Nach Informationen von Sächsische.de verlässt sich der Vermarkter der Haltestellenansagen, LE Medien, jedoch nicht nur auf die Mund-zu-Mund-Propaganda der Händler, sondern spricht auch aktiv mögliche Werbepartner an. In einer E-Mail an einen potenziellen Kunden, die Sächsische.de vorliegt, heißt es zum Beispiel: Es handele sich um die attraktivste Form der ortsbezogenen Werbung für Ihr Geschäft, da sie den höchsten Traffic aufweise. Und weiter: Ihr Name werde zeitnah mit der Haltestelle bei den Leipzigern verknüpft sein.
Wie viele Werbepartner zurzeit insgesamt dabei sind, können die Leipziger Verkehrsbetriebe nicht sagen. Die Leipziger Volkszeitung schreibt von insgesamt 74 Geschäften. Wie viele Werbepartner pro Haltestelle genannt werden, ist dabei nicht geregelt. „Das hängt von der jeweiligen Haltestelle ab“, sagt Backhaus. „Wichtig ist aber, dass die Ansage abgeschlossen ist, bevor die Türen wieder geschlossen werden.“ Die Reaktionen auf die Werbeform sind unterschiedlich. „Es gibt Fans und Kritiker“, sagt Backhaus. Es gebe durchaus LVB-Kunden, die genervt seien von der Werbung.
Dresdner Verkehrsbetriebe: „Das nervt die Fahrgäste“
Genau das macht andere Verkehrsunternehmen bei dieser Form der Werbung, die in ganz Sachsen wohl einzigartig ist, vorsichtig. „Das nervt die Fahrgäste“, sagt der Sprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), Falk Lösch. Man habe sich im Unternehmen mit dem Thema beschäftigt, sich aber bewusst dagegen entschieden – trotz der in Aussicht stehenden zusätzlichen Einnahmen.
Lösch nennt noch einen weiteren Grund dafür. „Wir wollen nicht die Büchse der Pandora öffnen.“ Was er damit meint, sind die ohnehin mitunter schon langen Haltestellenansagen bei den DVB. Manche Haltestellen wie der Hauptbahnhof werden auch auf Englisch angesagt, hinzu kommen Hinweise auf die sogenannten Mobipunkte der DVB – also Umstiegsmöglichkeiten auf andere Verkehrsmittel, wie Leihräder. Lösch verweist auch auf das Blindeninformationssystem der DVB, mit dessen Hilfe sich Menschen mit Sehbehinderung zum Beispiel im Fahrzeug die nächste Haltestelle individuell ansagen lassen können.
Trotzdem ist auch in Dresden nicht ausgeschlossen, dass Haltestellen nach kommerziellen Einrichtungen benannt werden, wie zum Beispiel am Elbepark. Die DVB bekommen dafür aber kein Geld von dem Einkaufszentrum, wie Lösch betont. Bei den Haltestellennamen gehe es ausschließlich um prägnante Straßennamen oder Orte. „Das legen wir fest.“
Ablehnung aus Chemnitz und Zwickau
Auch bei anderen sächsischen Verkehrsunternehmen ist die Vermarktung der Haltestellenansagen aktuell kein Thema. Derartige Maßnahmen seien nicht geplant, teilt eine Sprecherin der Städtischen Verkehrsbetriebe Zwickau mit.
Eine Sprecherin der Chemnitzer Verkehrsbetriebe sagt: „Um für unsere Fahrgäste ein ruhiges Fahren mit Bus und Bahn und eine zielgerichtete Orientierung zu ermöglichen, ist derzeit eine kommerzielle Vermarktung von Haltestellenansagen nicht vorgesehen.“
Die Verkehrsbetriebe in Görlitz und Plauen, die ebenfalls Straßenbahnen im Einsatz haben, haben auf eine entsprechende Anfrage nicht geantwortet.