Torgau. Nach Saint-Gobain in Torgau hat nun ein weiterer Flachglas-Hersteller in Ostdeutschland, die Glasmanufaktur Brandenburg (GMB), Kurzarbeit angemeldet. Dies meldete die „Lausitzer Rundschau“. Die GMB in Tschernitz (Landkreis Spree-Neiße) ist Europas einziger Hersteller von Solarglas für Photovoltaikmodule.
Ab März soll die Produktion demnach komplett heruntergefahren werden. Betroffen von der Zwangspause, die vorerst bis Juni gelten soll, sind rund 300 Mitarbeiter. Als Gründe wurde mangelnde Aufträge und die hohen Energiekosten für den Betrieb der Glaswanne (Temperatur: 1600 bis 1700 Grad Celsius) genannt. Einer der Großkunden war Solarmodul-Hersteller Meyer Burger, der aber sein Werk in Freiberg aufgab. Die GMB-Geschäftsführung hoffe, die Produktion im Laufe des Jahres wieder hochfahren zu können.
Aus für Behälterglas-Produzenten
Weitere Hiobsbotschaft: Der Behälterglas-Hersteller Ardagh Glass Packaging Deutschland will sein Glaswerk in Drebkau (Landkreis Spree-Neiße) ganz schließen, wovon 163 Mitarbeiter betroffen sind. In einem Brandbrief wandte sich der Landrat des Spree-Neiße-Kreises, Harald Altekrüger, deshalb an die Politik auf Landes- und Bundesebene: Er sieht inzwischen die Glasindustrie in der Lausitz in Gefahr. Politische Bemühungen, den Standort Drebkau doch noch zu erhalten, laufen derzeit.
Eine ähnliche Situation wie bei der Glasmanufaktur Brandenburg gibt es bekanntlich in Torgau: Der Flachglas-Hersteller Saint-Gobain hatte im Oktober 2024 angekündigt, dass die Produktion Ende des Jahres heruntergefahren und für 60 Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet werde. Ziel sei es jedoch, die Produktion in diesem Jahr wieder hochzufahren – wann genau, steht noch nicht fest. Der Solarmodulhersteller Avancis hatte derweil seine Produktion in Torgau im November 2024 ganz eingestellt.
GlasLab soll Standort aufwerten
Für das Torgauer Großvorhaben GlasLab mit Lehr-, Versuchs- und Pilotanlagen, das ab diesem Jahr im Repitzer Weg gebaut werden soll, sind das keine guten Nachrichten. Mit dem ambitionierten, 35 Millionen Euro teuren Projekt soll auch eine Brücke nach Weißwasser geschlagen werden: Es wurde vereinbart, dass dort eine Außenstelle entstehen soll (Schwerpunkt dort: Fachkräfte-Fortbildung). Grund: Auch in der Lausitz zählt die Glasindustrie zu den traditionellen industriellen Standbeinen.

Quelle: Landratsamt Nordsachsen
Gerade das GlasLab könne dazu beitragen, sich für die Zukunft besser aufzustellen, sagt Sven Keyselt, Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung im Landratsamt Nordsachsen: „Es braucht gut ausgebildete Fachkräfte und anwendungsorientierte Forschung, um die Herausforderungen meistern zu können.“ So könne das GlasLab als Standort-Faktor fungieren.
Und wie steht es um die Aussichten für die Glasindustrie insgesamt? Der Bundesverband Glasindustrie (BV Glas) in Düsseldorf zeigt sich auf Nachfrage dieser Zeitung wenig optimistisch. „Der ifo Konjunkturindex für die Glasindustrie ergibt leider kein positives Bild“, sagt Pressesprecherin Dorothée Richardt. „Die Konjunktur verharrt seit Mai 2023 auf sehr niedrigem Niveau, und es ist auch jetzt im Januar 2025 keine Besserung in Sicht.“ Zuvor habe sich die Glasindustrie noch, trotz Corona- und Gaskrise, recht gut behauptet.
Sorgen im Bereich Flachglas
Der Geschäftsklimaindex für die gesamte Glasindustrie habe im Januar 2025 nur 76 Punkte betragen. Zum Vergleich: im Jahr 2021 lag der Index noch bei 100. Das bedeutet einen Rückgang von 24 Prozent.
Besonders der Bereich Flachglas bereite Sorgen: Hier habe sich die Produktion in den ersten drei Quartalen 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,5 Prozent verringert. Der Umsatz sei um knapp 16 Prozent gesunken.
„Die Nachfrage nach Basis-Flachglas ist sowohl im Inland als auch im Ausland merklich zurückgegangen“, erläutert Richardt. So gingen sowohl die Importe von Flachglas nach Deutschland zurück (minus 15 Prozent) als auch die Exporte (minus 5,2 Prozent).
Probleme: Bau, Autoindustrie, Energie
Gründe dafür sieht der Verband in der seit Jahren schwachen Baukonjunktur. So habe die Anzahl der Baugenehmigungen in Deutschland von Januar bis November um 17,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Hinzu kämen Unsicherheiten im Automobilsektor.
Auch im Januar ist keine Besserung der Konjunktur in Sicht. – Dorothée Richard, Sprecherin des Bundesverbandes Glasindustrie
„Die Glasindustrie muss zudem noch die Dekarbonisierung meistern, um bis zum Jahr 2045 klimaneutral produzieren zu können“, sagt die Verbandssprecherin. „Die Transformation erfordert die Umstellung auf alternative Energieträger. Diese liegen aber heute noch nicht in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen vor.“
Glasindustrie bei Protesten dabei
Deshalb beteilige sich der Verband der Glasindustrie an einer Allianz der energieintensiven Industrien, die jüngst eine Kampagne zur Bundestagswahl gestartet habe. Kernforderung des BV Glas: Es müssten politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, um weiterhin zu wettbewerbsfähigen Bedingungen am Standort Deutschland Glas produzieren zu können.
Am bundesweiten Wirtschaftswarntag am Mittwoch beteiligte sich übrigens neben über 100 weiteren Verbänden auch der Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar. Diesem gehören u.a. Avancis, Saint-Gobain Glass/ Flachglas Torgau GmbH und Ardagh Glass an.