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Ostdeutsche Fabrikanten schreiben an den Kanzler, Gewerkschaftsbund antwortet

Die Präsidenten der ostdeutschen Industrie- und Handelskammern werfen Kanzler Scholz vor, zu wenig für die Wirtschaft zu tun. Warum ostdeutsche Gewerkschafter den Brief "kontraproduktiv" finden.

Lesedauer: 2 Minuten

Man sieht Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach, der findet, dass manche Wirtschaftsforderungen gingen "an der Realität vorbei". Er weist auf Ost-West-Lohnunterschiede hin. © Archivfoto: Rene Meinig
Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach findet, manche Wirtschaftsforderungen gingen "an der Realität vorbei". Er weist auf Ost-West-Lohnunterschiede hin. © Archivfoto: Rene Meinig

Von Georg Moeritz

Dresden. Streit um die Beurteilung der Wirtschaftslage in Ostdeutschland: Die fünf Bezirksvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für die neuen Länder ärgern sich über Forderungen und Behauptungen von führenden ostdeutschen Unternehmensvertretern. Vor drei Wochen hatten die Präsidenten der ostdeutschen Industrie- und Handelskammern (IHK) gemeinsam als „Heringsdorfer Kreis“ einen offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben. An diesem Mittwoch reagierten die Gewerkschafter mit einem gemeinsamen Brief, in dem sie die Vorschläge aus Industrie und Handel „kontraproduktiv“ nennen.

Zum Heringsdorfer Kreis gehören unter anderem die drei sächsischen IHK-Präsidenten: Max Jankowsky, Chef der Gießerei Lößnitz im Erzgebirge, Andreas Sperl, ehemaliger Chef der Elbe-Flugzeugwerke in Dresden, und Kristian Kirpal, Chef des Anlagenbauunternehmens KET Kirpal Energietechnik in Wermsdorf. In ihrem offenen Brief an den Kanzler schrieben sie, die regionale Wirtschaft stecke in einem „Dauerkrisenmodus“, der sich zuspitze. Jankowsky bekräftigte bei einem Pressegespräch in Dresden vorige Woche die schlechte Stimmung in den Unternehmen mit neuen Umfragedaten.

Die insgesamt 14 ostdeutschen Industrie- und Handelsvertreter beklagten im Brief an den Kanzler ähnlich wie die Landwirte „fehlende Wertschätzung“. Anders als früher würden sie nicht mehr ausreichend in den politischen Prozess eingebunden. Die Bürokratie werde immer schlimmer. Auf Forderungen nach Bürokratieabbau werde in Berlin zwar stets mit Aufgeschlossenheit reagiert, aber „nie mit konkreten Umsetzungen und Initiativen“, schrieben die Präsidenten mit ungewöhnlicher Schärfe.

Unternehmer: Staat setzt Anreize für Nicht-Arbeit

In ihrem Brief zeigten sich die Unternehmer vor allem mit der Energie- und der Arbeitsmarktpolitik unzufrieden. Sie beklagten die hohen Energiepreise, Engpässe und Planungsunsicherheit bei der Versorgung. Deutschland verabschiede sich von jederzeit nutzbaren Energiequellen, schaffe aber nicht den schnellen und unkomplizierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Bei Arbeitskosten und Steuern gebe es keine Entlastungen, vielmehr blähe der Staat Sozialleistungen auf und setze „Anreize für Nicht-Arbeit“.

Gerade die neuen Länder mit den bevorstehenden Landtagswahlen könnten nach Ansicht der IHK-Präsidenten „zu einem Sehnsuchtsort für Rechtsextremisten“ werden, wenn sich am Handeln und Auftreten der Bundesregierung nichts ändere. Dann wären sie auch nicht mehr attraktiv für „qualifizierte Zuwanderung“. Als bestes Mittel gegen Rechtspopulismus empfahlen die Kammerchefs dem Kanzler „sachorientierte und abgestimmte Arbeit“.

Der Bundeskanzler habe auf diesen offenen Brief vom 24. Januar bisher nicht geantwortet, sagte Lars Fiehler, Sprecher der IHK Dresden, am Mittwoch auf Nachfrage. Dafür reagierten nun die fünf DGB-Vorsitzenden und warnten die IHK-Präsidenten, mit überzogenen Behauptungen und Formulierungen „die Spaltung der Gesellschaft“ voranzutreiben. Die Gewerkschafter teilten zwar die Sorge der Unternehmer um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur. Aber sie forderten zum Beispiel mehr soziale Sicherheit statt weniger.

Gewerkschafter: Das Problem sind niedrige Löhne im Osten

Die Arbeitnehmervertreter schrieben, der Ruf der Unternehmer nach Entbürokratisierung laufe darauf hinaus, Schutzstandards abzubauen. Die Sozialleistungen seien nicht zu hoch, sondern zu niedrig. Im DGB-Schreiben heißt es, der Lohnunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland betrage rund 20 Prozent. „Das Problem sind die niedrigen Löhne, nicht die Höhe der Sozialleistungen.“

Nach Ansicht des DGB sollten sich die Industrie- und Handelskammern „nicht in die Belange der Sozialpartnerinnen einmischen“. Das Schreiben des Heringsdorfer Kreises der IHK-Chefs enthalte Formulierungen wie „Flächenbrand“ und „Dauerkrisenmodus“ und erinnere damit an die Rhetorik der Rechtsextremisten, vor denen der Brief doch warne.

Die Gewerkschafter bestritten auch, dass Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sei. Vielmehr habe Deutschland voriges Jahr rund 210 Milliarden Euro mehr für Exporte eingenommen als für Importe ausgegeben. Dieser Außenhandelsüberschuss von gut fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts spreche gerade nicht für mangelnde Wettbewerbsfähigkeit.

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