Von Catharina Karlshaus
Großenhain/Dresden. Er könnte der Mann sein, welcher endlich Licht ins Dunkel bringt. Dirk Diedrichs, bisheriger Amtschef im sächsischen Finanzministerium und seit vergangenen Donnerstag Beauftragter für Großansiedlungen im Freistaat.
Ein Mann, von dem sich die bisher gefühlt aufs informelle Abstellgleis geschobenen Großenhainer einiges erhoffen dürften. Erst recht, nachdem Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Mittwochabend bei einem Bürgerdialog in Limbach-Oberfrohna betont hatte, solche Ansiedlungen wie möglicherweise die des Rüstungskonzerns Rheinmetall auf dem Areal des ehemaligen Militärflugplatzes könne man nur gemeinsam mit den Menschen vor Ort realisieren. Wie konkret derlei Umsetzungspläne überhaupt schon sein können, besprach Sächsische. deexklusiv mit dem neuen Amtsinhaber.
Herr Diedrichs, seit 27. April sind Sie als Beauftragter für Großansiedlungen im Freistaat verantwortlich. Auf wie vielen Flächen kann Sachsen denn überhaupt noch groß denken?
Zunächst einmal ist zu sagen, dass der Freistaat Sachsen als Standort für Ansiedlungsvorhaben aus unterschiedlichen Branchen und in verschiedenen Größenordnungen attraktiv ist. Die Ausweisung und Bereitstellung von neuen Industrie- und Gewerbeflächen ist dabei eine kommunale Aufgabe. In der gesamtsächsischen Online-Gewerbeflächendatenbank, welche die Wirtschaftsförderung Sachsen bereitstellt, sind gegenwärtig über 320 verfügbare Gewerbeflächen und rund 140 Gewerbeimmobilien enthalten.
Und in welchen Größenordnungen?
Nach unserer Kenntnis stehen im gesamten Freistaat derzeit noch zehn bis 15 Flächen ab zehn Hektar zur Verfügung – mit einem unterschiedlichen Grad der tatsächlichen Vermarktbarkeit. In den Einzugsgebieten der Ballungsräume Chemnitz, Dresden, Leipzig und in Südwestsachsen bestehen nur noch vereinzelt entsprechende Möglichkeiten. Die Größe des Industriegebietes von Großenhain gibt es so in Sachsen aber kein zweites Mal. Darum ist es auch im Interesse des Freistaates, Industrievorsorgegebiete unterschiedlicher Größen strategisch und nachhaltig zu entwickeln, zu erschließen und einer hochwertigen Nutzung zuzuführen. Als Sächsische Staatskanzlei koordinieren wir diesen Prozess innerhalb der Landesverwaltung und unterstützen die Landkreise und Kommunen bei der Umsetzung solcher Vorhaben.
Geschichte eines Standorts als Chance für Veränderung
Wie Sie bereits erwähnten, befindet sich das größte zusammenhängende Areal mit gut 150 Hektar in Großenhain – und sorgt seit Wochen bundesweit für Schlagzeilen. Was ist dran an den Verlautbarungen, der Rüstungskonzern Rheinmetall möchte dort eine Pulverfabrik errichten?
Nach meiner Kenntnis führt die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Unternehmen regelmäßig Gespräche, darunter auch mit Rheinmetall. Bezüglich der Errichtung einer Pulverfabrik ist mir bislang jedoch keine Festlegung oder Vorentscheidung zu einem möglichen Standort bekannt.
Können Sie angesichts der geschichtlichen Vorbelastung nachvollziehen, dass die Vorbehalte gegenüber Rheinmetall vor Ort groß sind?
Aus der Vergangenheit wissen wir, das Ansiedlungsvorhaben immer aus verschiedensten Gründen bei einem Teil der Bevölkerung auf Vorbehalte stoßen. Diese können reinweg praktischer, aber auch emotionaler Natur sein oder auf Erfahrungswerte wie möglicherweise in Großenhain begründet sein. Wir nehmen diese Bedenken natürlich ernst und setzen uns in derlei Fällen für einen Dialog mit den Menschen ein. Unser Ziel ist es, das solide wirtschaftliche Fundament des Freistaats weiter zu stärken, Arbeitsplätze und Wohlstand auch in der Zukunft zu sichern. Meine Erfahrung lehrt mich, dass die Geschichte eines Standortes gleichzeitig auch eine Chance für Veränderung in sich birgt. Der ehemalige Flugplatz Großenhain könnte hierfür ein richtungsweisendes Projekt sein.
Branchen mit großem Zukunftspotential
Abgesehen von derlei Ansiedlungen, die als Projekte der nationalen Sicherheit ein anderes Prozedere erfordern: Wie viel „Wünsch-dir-was“ kann eigentlich hinsichtlich eventueller Unternehmen generell möglich sein? Welche Industriesparte würde der Freistaat gern im Land begrüßen?
Der Freistaat wirbt grundsätzlich um Investoren aus allen Branchen und steht diesen für Gespräche zur Verfügung. Attraktiv ist Sachsen vor allem für all jene Branchen, die in Sachsen bereits technologisch stark sind und die ein großes Zukunftspotenzial haben. Unser Fokus liegt deshalb vor allem auf den sächsischen Kernbranchen und deren nachhaltiger Weiterentwicklung. Das heißt also etwa der Automobil- und Zulieferindustrie, der Mikroelektronik, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energie- und Umwelttechnik sowie dem Life-Sciences-Sektor. In diesem Zusammenhang spielt auch die Weiterentwicklung von zukunftsrelevanten Hoch- und Querschnittstechnologien wie Leichtbau, Sensorik, Robotik, Künstlicher Intelligenz, Wasserstofftechnologie sowie die branchenübergreifende Zusammenarbeit eine große Rolle für die sächsische Wirtschaft und den Standort.
Besuch bei Stadtspitze am Donnerstag
Eine Pulverfabrik scheint offenbar nicht im sächsischen Portfolio zu stehen. Angesichts dessen, dass die Europäische Kommission die Munitionsproduktion jedoch mit einer Milliarde Euro ankurbeln will, könnte es jetzt schnell gehen müssen. Gibt es eine Zeitschiene für das Großenhainer Areal?
An diesen Spekulationen möchten wir uns in keiner Weise beteiligen! Ein Fakt dagegen ist, dass das Industriegebiet Großenhain gegenwärtig weiter erschlossen wird. Im Fokus stehen dabei die vorbereitenden Arbeiten zum weiteren Ausbau der Energieversorgung sowie zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Zur zeitlichen Umsetzung befinden wir uns mit der Stadt Großenhain und den beteiligten Akteuren im Austausch.
Herr Diedrichs, Sie sind seit gut einer Woche mit der Thematik befasst. Gespräche mit Großenhain sollten dabei ganz oben im Kalender stehen, oder?
Da haben Sie absolut recht! Ein Besuch in Großenhain stand auf meiner Prioritätenliste tatsächlich weit oben! Deshalb war ich auch bereits zu einem ersten Kennenlernen am Donnerstag bei Oberbürgermeister Sven Mißbach. Wir haben uns über die wesentlichen Kernfragen ausgetauscht und ich habe der Verwaltung versichert, dass der Freistaat nach wie vor hinter der zügigen Standortentwicklung des Industrievorsorgegebietes des Flugplatzes steht. Eine Entwicklung, die wir selbstverständlich im Rahmen unseres Verantwortungsbereichs mit der Stadt Großenhain zusammen voranbringen werden.