Von Michael Rothe.
Im vorigen Sommer schien die Welt für die Blackstone Technology GmbH in Döbeln noch in Ordnung. Das Unternehmen wollte den Markt mit Batteriezellen aus dem 3-D-Drucker aufmischen: Kleinserien mit einer um 20 Prozent höheren Energiedichte als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien, wasserbasiert, nachhaltiger, effizienter produziert und mit 50 Prozent weniger Abfall. Die unerreichte Flexibilität von Bauformen sollte vor allem in der Autoindustrie auf Interesse stoßen. Landes- und Bundespolitik waren ebenso elektrisiert wie Aktionäre, Fördergeldgeber, Medien und Juroren von Innovationspreisen.
Immerhin hatte Ulrich Ernst, Chef der Schweizer Konzernmutter Blackstone Resources AG, beim Produktionsstart im Dezember 2021 verkündet: „Unsere zum patentieren angemeldete 3D-Drucktechnologie zur Herstellung klimafreundlicher, nachhaltiger und besonders leistungsfähiger Lithium-Batterie-Zellen ist serienreif!“ Vom „Meilenstein auf dem Weg zu einer flächendeckenden Elektrifizierung“ war die Rede – und vom „Game-Changer“, einem radikalen Spielveränderer.
Bundes- und Landespolitik gaben sich danach im Gewerbegebiet Am Fuchsloch die Klinke in die Hand. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) war „sehr beeindruckt, was Blackstone in den vergangenen wenigen Monaten und Jahren schon erreicht hat“. „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten und diese Energiewende zum Erfolg machen wollen, dann geht das nur mit Innovation und klugen Gedanken – so, wie wir das hier in Döbeln sehen“, so der Regierungschef. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schwärmte ähnlich, und mit Torsten Herbst war auch der parlamentarische Chef der FDP-Bundestagsfraktion zu Gast.
Euphorie und Fördermillionen
In der Bilanzvorlage der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) im vergangenen März wird das Projekt ausdrücklich als Erfolg gefeiert. „Investment: 30 Millionen Euro, 35 neue Arbeitsplätze“, heißt es in der Shortlist. Bis 2025 sollten 200 Jobs entstehen, in der Folge noch mal so viele. Im Herbst hatte die Firma in Zeitungsanzeigen um Mitarbeiter gebuhlt. „Sie werden bei uns mit ihrer Kompetenz die Möglichkeit haben, Geschichte zu schreiben“, hieß es.
Die Euphorie war so groß, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen Förderbescheid über 24,1 Millionen Euro erteilte. Das Ziel: Entwicklung 3-D-gedruckter Batterien auf Natrium-Basis, die weitgehend ohne Rohstoffimporte auskommen. Die Döbelner sollten ihre Erkenntnisse binnen drei Jahren mit einem deutschen Industrie- und Forschungskonsortium zur Serienreife weiterentwickeln – und dazu 32 Millionen Euro in eine Pilotanlage investieren.

Kein Jahr später ist es still geworden um den Vorzeigebetrieb. Die Schranke zum grau-blauen Hallenkomplex ist zu, der Parkplatz verwaist. Seit Monaten dreht sich kein Rad, nur manchmal brennt in Büros Licht. Presseanfragen beantwortet das Unternehmen nicht. Holger Gritzka, der als Firmenchef mit Promis vor Kameras posierte, war Ende Juli plötzlich weg. Gründe wurden nicht genannt. Seitdem ist Michael Hingst, Chef des operativen Geschäfts von Blackstone Resources, in Döbeln der Boss.
38 Menschen sollten dort vor gut einem Jahr arbeiten, noch immer sind es nur gut die Hälfte. In der Bilanz für 2021 steht ein Fehlbetrag von 1,7 Millionen Euro. Anlaufverluste sind nicht ungewöhnlich, die Erlöse der Döbelner aber von Fördermitteln geprägt. Nach Informationen von Sächsische.de hat das Unternehmen hohe Schulden. Auffällig auch: Rechts- und Beratungskosten von 285.000 Euro. Laut Bilanz teilten sich alle Beschäftigten 370.000 Euro an Lohn und Gehalt, der Ex- Chef allein kassierte 168.000 Euro.
Miese Bonität, hohes Ausfallrisiko
Viele Mitarbeitende waren seit November nicht mehr im Werk. „Wir bekommen Geld, aber meist drei Wochen später“, heißt es aus der Belegschaft. Für Januar habe es bislang nur die Hälfte gegeben, die Krankenkasse werde nicht voll bezahlt – „aber so, dass wir versichert sind“. Eine Durchhalteparole „die dunkle Zeit sei Ende Februar vorbei“, gehe um. Dann werde sich auch die leere zweite Halle füllen.
Vage Hoffnung in einer 2014 gebauten Fabrik, die schon dem Vorgänger kein Glück brachte. Die Stemke Kunststofftechnik GmbH hatte dort nach einer Pleite 2016 ihren Betrieb eingestellt. Längst wollte Blackstone gleich gegenüber für einen zweistelligen Millionenbetrag ein neues Produktionsgebäude bauen. Ein frommer Wunsch, wenn das Geld fehlt. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform bescheinigt dem 2018 gegründeten Unternehmen per Index von 394 schwache Bonität und Liquidität sowie ein sehr hohes Ausfallrisiko.
Auch andere Ankündigungen des selbst ernannten Batterie-Revolutionärs waren Schall und Rauch. Bis Ende 2022 sollte die Produktionskapazität auf 500 Megawattstunden – etwa der Jahresstromverbrauch von 240 Haushalten – verzehnfacht werden, sollten erste Batterien Schiffe, Gabelstapler, Elektrobusse elektrisieren. Noch vor einem halben Jahr suggerierte Blackstone Planmäßigkeit in seiner „Roadmap“. Mit Volkswagen habe es „erste erfolgreiche Gespräche“ gegeben, hieß es in einer Ad-hoc-Mitteilung vom 23. August weiter.

Dabei könnte die Technologie durchaus funktionieren, sagen Experten, die nicht genannt werden wollen. Immerhin hatten sowohl der Schweizer Konzernboss Ulrich Ernst als auch Holger Gritzka, der Ex-Chef in Döbeln, zeitlich versetzt und unabhängig von einander Patente angemeldet. Nach Prüfung sieht ein Patentanwalt aber nur geringe Schutzwirkung, da sich die Technologie auf das bereits bekannte Siebdruckverfahren beziehe und viele Merkmale leicht zu umgehen seien. „Nur ein anderes Detail und der Nachnutzer ist aus dem Schneider“, sagt er. Die Urkunde für kleine fünfstellige Kosten seien für zwei Dinge gut: die Werbung und beim Antrag auf Fördergelder.
Land und Bund zahlen bislang 840.000 Euro
Das Unternehmen hatte damit offensichtlich Erfolg. „Blackstone Technology GmbH beantragte für die Errichtung einer Produktionsstätte im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ den maximal zulässigen Fördersatz“, heißt es von Sachsens Wirtschaftsministerium. Von der gewährten 5,4 Millionen Euro seien rund 840.000 Euro, je hälftig Bund und Land, ausgezahlt worden.
Die Zuwendung soll Investitionen in eine Betriebsstätte für Batterieelektroden unterstützen. Ferner habe die WFS Blackstone bei der Ansiedlung unterstützt – und „selbstverständlich“ werde der Einsatz der Staatshilfen kontrolliert, heißt es. Geförderte Wirtschaftsgüter und Jobs unterlägen einer Bindefrist von fünf Jahren. Für den Abruf der ersten Zuschusstranche müsse der Empfänger nachweisen, dass mindestens zehn Prozent der Investitionskosten angefallen sind und bezahlt wurden.
Das Bundeswirtschaftsministerium nimmt „zu Details der Förderung einzelner Unternehmen grundsätzlich keine Stellung“. Generell gelte: „Jedes Projekt wird genau geprüft und muss auch den Projektfortschritt immer darlegen“, erklärt das Ministerium. Bei Unregelmäßigkeiten seien Rückforderungen möglich. Nur angefallene Kosten würden nachträglich und anteilig erstattet, Prüfungen erfolgten mindestens jährlich.
Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien in Berlin gibt sich ebenso wortkarg. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine Einschätzungen oder andere Informationen zu den Aktivitäten unserer Mitglieder weitergeben“, sagt Geschäftsführer Michael Krausa. Beim dreitägigen Batterieforum Deutschland im Januar ging es zwar genau um das Metier des hochgelobten Vereinsmitglieds, doch in der Referentenliste suchte man seine Vertreter vergebens.
Rauswurf von der Schweizer Börse
Blackstone wird zur Blackbox. Auch Thomas Hanns, vertretungsweise Oberbürgermeister von Döbeln, findet es „eigenartig, dass sich die Firma, die zuvor so offensiv in den Medien war, derart zurückgezogen hat“. Blackstone und seine zukunftsweisende Technologie seien wichtig für die mit 24.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Mittelsachsens. „Wir haben keine Informationen, was dort passiert“, sagt der technische Dezernent.
Jene, die es wissen, sitzen in Baar, im Schweizer Kanton Zug. Die Blackstone Resources AG hat sich auf den Markt für Batterietechnologie und Batteriemetalle konzentriert. Der Konzern entwickelt, forscht und handelt mit Lithium, Kobalt, Mangan, Graphit, Nickel und Kupfer. 2019 hatte er sich erstmals ins Gespräch gebracht. Die Schweizer wollten zunächst 100 Millionen Batteriezellen pro Jahr fertigen – genug für 25.000 bis 100.000 Akkus von E-Autos.
Bei den Eidgenossen ist man längst aufgeschreckt. Am 13. Oktober 2022 sei „der Handel mit Wertschriften von Blackstone Resources AG“ an der Schweizer Börse eingestellt worden, antwortet ihr Eigentümer SIX Group Säechsische.de. Vorausgegangen waren Sanktionen der Börsenaufsicht wegen mutmaßlicher Verletzungen der Vorschriften zur Rechnungslegung. Zudem hatte die Finanzmarktaufsicht FINMA Marktmanipulationen und Verstöße gegen Offenlegungspflichten festgestellt und ein Verfahren eingeleitet. Blackstone bestreitet die Vorwürfe und behauptet, sich selbst von der SIX zurückgezogen zu haben, um künftig im Ausland notiert zu werden.
Laut der Luzerner Zeitung „treibt die Aktionäre die Frage um, ob die Firma, in die sie investiert hatten, wirklich Substanz hat“. Zweifel lägen in der Vorgeschichte des Mehrheitseigners. Ulrich Ernst habe schon „mit einigen windigen Investments“ die Aufsichtsbehörden beschäftigt“, heißt es. Aktionäre mit teils sechsstelligen Investments hätten juristische Schritte eingeleitet.
Wirtschaftsministerium macht sich Sorgen
Die Züricher Fachzeitschrift „Finanz und Wirtschaft“ titelte im vorigen Sommer: „Das lange Ende von Blackstone Resources“. Die 2018 an der Börse gestartete Aktie habe zwei Jahre später 90 Prozent ihres Werts eingebüßt, aber mit Ankündigung des Döbelner Projekts sei der Kurs nach oben geschossen. Laut dem Blatt ist die Werthaltigkeit der Rohstoffminen unter anderem in Kolumbien, Peru, Bolivien und Indonesien nicht belegt. Anleger sprächen von „gezieltem Betrug und Kursmanipulation“. Und vom „Potemkinschen Dorf“ ist die Rede.

Sachsens Staatsregierung kennt die Vorwürfe gegen den von ihr hofierten Investor und ist kleinlaut geworden. „Zum aktuellen Zeitpunkt wird sich Minister Dulig nicht äußern“, heißt es aus dem Wirtschaftsressort. Und auf die Frage, wie es um die Investition steht, antwortet das Ressort: „Das SMWA darf keine Auskünfte zum Stand von Industrieprojekten oder zu sensiblen Unternehmensdaten geben. Diese kann nur das Unternehmen selbst beantworten.“ Doch genau das tut es nicht.
Die Nachrichten aus der Schweiz „haben uns natürlich besorgt und entsprechend aktiv werden lassen“, räumt das Ministerium ein. Es habe Sachsens Aufbaubank gebeten, „vor einer weiteren Auszahlung von Fördermitteln zu prüfen, wie der aktuelle Sach- und Arbeitsstand bei Blackstone in Döbeln ist und ob die Voraussetzungen, welche zur Genehmigung der Förderung führten, noch bestehen“. Man habe auch mit der Firmenleitung Kontakt aufgenommen, um Informationen einzuholen. Das Rätselraten um Blackstone geht weiter. „Game-Changer“ oder „Game over“?