Von Michael Rothe & Sven Heitkamp
Der Vertrag zwischen der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) und der Posttochter DHL zum Weiterbetrieb des Leipziger Frachtkreuzes bis 2053 ist ein Fall für den Landesrechnungshof. Das erfuhr die SZ aus dem Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtags. Der Logistikriese und der landeseigene Flughafenkonzern, zu dem auch der Flughafen Dresden gehört, hatten ihre Kooperation in der vergangenen Woche vorzeitig verlängert. Die angefragte Landesbehörde – zuständig für Transparenz gegenüber dem Steuerzahler – wollte sich nicht dazu äußern.
Die Deutsche Verkehrszeitung hatte berichtet, dass die MFAG im Vertrag höhere Landeentgelte durchgesetzt habe. Demnach zahlt der Expressdienstleister künftig 73 Millionen Euro pro Jahr an den Flughafenbetreiber – zwölf Millionen Euro mehr als bisher. Hinzu kämen höhere Gebühren für die Enteisung von Flugzeugen und die Instandhaltung des Vorfeldes. Die Angaben wurden nicht dementiert. Lärmgestörte Anwohner und Teile der Landespolitik fordern seit Jahren eine Korrektur der bisherigen Billigverträge – Nachwehen massiver Konzessionen, um den Weltkonzern DHL 2008 in den deutschen Osten zu holen.
Landesregierung sollte Vertrag mit DHL offenlegen
Das langfristige DHL-Engagement ist eine wichtige Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Airports und seines Betreibers, der seit Jahrzehnten zweistellige Millionenverluste schreibt. Der MFAG fehlen laut einem Sanierungsgutachten bis 2026 rund 145 Millionen Euro. Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten eine Staatshilfe von 100 Millionen Euro zugesagt – Bedingung für neue Bankenkredite. 11,6 Millionen Euro soll das Unternehmen beitragen.
Kritiker monieren Intransparenz. „Selbst für uns Abgeordnete kam der Vertrag überraschend“, sagt Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen. Daher musste sich Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) am Mittwoch im Landtag zum DHL-Deal erklären. Die Linksfraktion hatte jene Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses beantragt. Der Freistaat, mit gut 77 Prozent Hauptanteilseigner am Flughafenkonzern, sollte dort u. a. die Vereinbarungen zu den Start- und Landegebühren, Lärmzuschlägen, umweltbezogenen Entgelten und weiteren Gebühren offenlegen.
CDU nennt Sitzung „Wahlkampfklamauk“
Das Ansinnen wurde enttäuscht. Die Ausführungen des Ministers seien nicht über bereits Bekanntes hinausgegangen, sagt Liebscher von den mitregierenden Bündnisgrünen. Dem Vernehmen nach blieb auch offen, ob der Freistaat gegenüber DHL eine Patronatserklärung abgibt, dass sich in der Vertragslaufzeit nichts ändert. „Die Staatsregierung kann nicht einfach am Parlament vorbei einen derart weitreichenden Vertrag besiegeln, der auch über viele Jahre Millionenbeträge aus dem Landeshaushalt binden wird.“
„Es ist richtig, dass der Vertrag überprüft wird“, erklärt Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linken. Der Vertrag liege im Wirtschaftsministerium, das die neuen Entgelte genehmigen müsse, ehe er in Kraft tritt. Korrekturen sind also möglich und auch erforderlich. Die Mitteldeutsche Flughafen AG ist schließlich ein Unternehmen in öffentlicher Hand. Unterm Strich gleiche die Vereinbarung nicht mal die Inflation aus, mutmaßt Böhme.
Für Jan Löffler, finanzpolitischer Sprecher der CDU, ist es „verständlich“, dass der Minister als Aufsichtsrat der MFAG „wenn überhaupt, nur eingeschränkt Auskunft zu Vertragsdetails geben kann“. Der Vorwurf, DHL würde auf Kosten der Steuerzahler Gewinne machen, sei absurd. Löfflers Parteikollege und Verkehrsexperte Andreas Nowak tat den Sitzungsantrag der Linken als „Wahlkampfklamauk“ ab.
Studie bescheinigt Leipziger Flughafen große Bedeutung
Derweil hat eine Studie erneut breiten Rückhalt in der Bevölkerung für den Flughafen Leipzig-Halle ergeben. Die Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa und der privaten Leipziger Management-Hochschule HHL bescheinigen dem Airport hohe Zustimmungswerte. So gaben jeweils 87 bis 89 Prozent der Befragten an, dass der Flughafen eine sehr große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Region, die Ansiedlung von Unternehmen, Arbeitsplätze und die Anbindung an den Welthandel habe, sagt Forsa-Chef Thorsten Thierhoff. Tatsächlich sind am Airport mehr als 13.000 Menschen beschäftigt. Zehn Prozent der Befragten halten jedoch gar nichts vom Flughafen, 2022 waren es nur sieben Prozent. Zugleich fühlen sich 17 Prozent der Menschen in der Region durch Fluglärm stark gestört.
Kritisch werden teils auch die Ausbaupläne des Flughafens gesehen: Mehr als jeder Vierte (27 Prozent) hält die Pläne etwa wegen Flächenversiegelungen, Umweltschäden und Fluglärm für bedenklich, gut die Hälfte der Befragten (57 Prozent) sehen die Erweiterungsabsichten aber als unbedenklich an. Am Airport sollen in den nächsten Jahren bis zu 500 Millionen Euro in den Fracht-Ausbau investiert werden. Posttochter DHL will das Vorfeld der Start- und Landebahn um 66 Hektar erweitern. Die Stellplätze für Frachtflieger sollen von 60 auf bis zu 90 wachsen. Zugleich könnte die Zahl der Starts und Landungen um mehr als 50 Prozent steigen. Bei der Landesdirektion liegen indes Tausende Einwendungen von Bürgern und Gemeinden vor, die derzeit abgearbeitet werden.
Forscher: Bedürfnisse der jungen Generation beachten
HHL-Studienleiter und Gemeinwohlforscher Timo Meynhardt betont, der Flughafen sei bei aller Kritik im Detail in der Region fest verankert. Er werde als verlässlicher Partner gesehen, der einen wichtigen Gemeinwohlbeitrag leistet. „In Zukunft wird es darauf ankommen, insbesondere die Bedürfnisse der jungen Generation zu beachten“, so Meynhardt. „Nur so wird es gelingen, dauerhaft und verantwortungsvoll als Tor in und für die Welt zu bestehen.“
MFAG-Vorstandschef Götz Ahmelmann sieht die Ergebnisse als eine Bestärkung, den Flughafen als Motor für wirtschaftliches Wachstum und Innovation weiterzuentwickeln. „Wir sehen uns in der Verantwortung, nachhaltige Lösungen zu fördern und die Lebensqualität in der Region zu verbessern.“
Befragt wurden im Juni und Juli 1059 Personen ab 18 Jahren in Leipzig, Halle und umliegenden Landkreisen. Zudem wurden 30 Interviews mit Personen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Medien und Wissenschaft geführt. 2022 war schon eine ähnliche Studie durchgeführt worden.