München. In wenigen Wochen starten die Deutschen in die Hauptreisesaison, schon am 20. Juni beginnen etwa in Sachsen die Schulferien. Viele haben ihre Reise schon lange gebucht – die Vorfreude ist groß und nun das: Der Veranstalter gerät in Schwierigkeiten.
Aktuell trifft es Europas drittgrößten Reisekonzern FTI, der in die Pleite gerutscht ist und am Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellte.
Wie geht es mit meiner bei FTI gebuchten Reise weiter?
Noch nicht begonnene Reisen werden nach Unternehmensangaben voraussichtlich ab Dienstag (4. Juni) nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können. Für Kunden des Unternehmens wurde im Internet eine Informationsseite eingerichtet. Telefonisch ist eine kostenlose Hotline unter +49 89 710451498 erreichbar. Allerdings war die kurz nach Bekanntwerden der Insolvenz nicht zu erreichen, die Leitungen waren zusammengebrochen. „Wegen erhöhtem Anrufaufkommen können wir derzeit nicht alle Anrufe entgegennehmen. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Ausweitung unserer Kapazität. Wenn möglich, rufen Sie uns bitte zu einem späteren Zeitpunkt wieder an“, teilte FTI auf seiner Webseite mit.
Welche Buchungen und Unternehmen sind betroffen?
Nach Unternehmensangaben sind alle bei der FTI Touristik GmbH gebuchten Leistungen von der Insolvenz betroffen. Dies beinhaltet in Deutschland die Marken FTI, 5vorFlug, BigXtra GmbH und die Mietwagen-Marken DriveFTI und Cars and Camper. Deren Leistungen konnten in Reisebüros, auf Online-Buchungsplattformen wie Sonnenklar.tv, Check24, Ab-In-den-Urlaub, HolidayCheck oder auf fti.de gebucht werden.
Das Unternehmen teilt mit, dass gebuchte Reisen bei Drittanbietern wie etwa TUI, Alltours oder Dertour dann NICHT betroffen sind, wenn die FTI Touristik GmbH lediglich als Vermittler und nicht als Veranstalter aufgetreten ist.
Warum ist die FTI plötzlich insolvent?
Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Corona-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.
Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. „Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte“, teilte FTI mit. Dem „Handelsblatt“ zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben. Der Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt.
Was ist mit bereits bezahlten Reiseleistungen?
Die gute Nachricht für alle, die bereits Reisegelder bezahlt haben oder alle, die schon im Urlaub sind und sich um den weiteren Aufenthalt und die Rückbeförderung sorgen: „FTI ist wie jeder deutsche Reiseveranstalter verpflichtet, erst dann Zahlungen auf den Reisepreis anzunehmen, wenn dem Reisenden gleichzeitig ein Sicherungsschein übergeben wird“, sagt Reiserechtler Paul Degott. Der Sicherungsschein stellt im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters sicher, dass Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird.
Und zwar dann, wenn entweder Reiseleistungen ausfallen oder aber wenn man von Partnern des Reiseunternehmens Zahlungsaufforderungen erhält. Beispielsweise, wenn ein Hotel vor Ort selbst auch keine Zahlungen mehr vom Veranstalter bekommt. In der Regel umfasst der Vertrag der Pauschalreise auch die Beförderung der Reisenden. Dann hat der Veranstalter auch für die vereinbarte Rückbeförderung zu sorgen und die Unterkunft.
Habe ich den Sicherungsschein in meinen Unterlagen?
Paul Degott rät daher, als Erstes nachzuschauen, ob man mit seiner Reisebestätigung, wie regelmäßig einen Sicherungsschein bekommen hat. Dort müsse die jeweilige Reisepreisabsicherung für den Insolvenzfall beschrieben und das Versicherungsunternehmen mit Adresse und Kontaktdaten benannt sein. Regelmäßig ist dies der Deutsche Reisepreissicherungsfonds (DRSF). Unter bestimmten Umständen könne auch eine der Insolvenzversicherungen benannt sein.
Mit diesem Sicherungsschein in der Hand könne der Verbraucher sicher sein, die Zahlungen auf den Reisepreis zurückzubekommen, falls der Anbieter und gegebenenfalls dessen Reisetöchter kurzfristig Insolvenz anmelden oder Zahlungsunfähigkeit erklären und damit die gebuchte Reise nicht durchgeführt wird.
„Verbraucher, die sich schon auf einem FTI-Urlaub im Ausland befinden, haben – von der Insolvenz von FTI überrascht – möglicherweise das Problem, dass der Hotelier eine Nachzahlung auf die noch verbleibende Urlaubszeit verlangt, weil er eben von FTI kein Geld mehr bekommt“, so Degott. Auch könnte die Fluggesellschaft die Rückbeförderung ablehnen aus dem gleichen Grund.
Hier wäre der nächste Schritt, das Insolvenzabsicherungsunternehmen zu kontaktieren. „Dieses ist aufzufordern, die weitere Unterbringung und die Rückbeförderung sicherzustellen und die entsprechenden Kosten entweder vorzuschießen oder zu erklären, diese sofort dem Verbraucher zu erstatten“, erläutert der Rechtsanwalt.
Kommt Hilfe auch vom Staat?
Das Auswärtige Amt hat Urlaubern Unterstützung zugesagt, die von der FTI-Insolvenz betroffen sind. Ein Sprecher sagte am Montag in Berlin, das Auswärtige Amt stehe auch über seinen Krisenstab in einem engen Austausch mit dem Deutschen Reiseverband und dem Reiseversicherungsfonds, um sich ein genaues Bild über die Lage zu verschaffen. Die deutsche Reiseindustrie und der Reiseversicherungsfonds würden sich um die Rückholung und Unterstützung der betroffenen Touristinnen und Touristen kümmern.
Der Reiseversicherungsfonds habe zugesagt, keine Pauschalurlauber in Zielgebieten, die von der FTI-Insolvenz betroffen sind, im Regen stehenzulassen. Falls erforderlich, leisteten die Auslandsvertretungen selbstverständlich bei Bedarf konsularische Unterstützung, damit eine sichere Rückreise der Betroffenen möglich sei. Der Krisenstab komme am Nachmittag zusammen und erörtere, was die nächsten Schritte sein könnten. (SZ mit dpa)