Dirk Westphal
Roßwein. Es wird keine neue Generation von Verbrennermotoren mehr geben. Mario Nitsch, Niederlassungsleiter bei Hitachi Astemo in Roßwein ist sich da recht sicher und blickt dennoch optimistisch in die Zukunft, denn das Unternehmen in Mittelsachsen ist nach Millioneninvestitionen technisch auf neuestem Stand.
„Und irgendwo in der Welt werden weiter ‚Benziner‘ fahren, selbst wenn hier die Elektromobilität oder auch Wasserstofftechnologie voranschreiten sollte. Das Geschäft behalten wir“, sagt er und meint damit, dass global – mit Ausnahme von China – jeder Verbrennermotor von Volkswagen, seit Mitte 2023 eine Benzinpumpe aus Roßwein implantiert hat. Zudem seien die Auftragsbücher des Unternehmens bis 2030 bereits prall gefüllt.
Volkswagen als Hauptabnehmer
Zu 90 Prozent ist der Drei-Schicht-Betrieb des 2004 eröffneten Werkes im Gewerbegebiet „Goldene Höhe“ in Roßwein derzeit auf die Produktion für Volkswagen ausgelegt. Zehn Prozent wird für Toyota produziert und künftig auch für General Motors.
Rund 160 Mitarbeiter fertigen die Einspritzpumpen in zwei Produktionsbereichen, bevor diese unter anderem in die Motorenwerke Chemnitz, Salzgitter, Győr und Mlada Boleslav oder in den Ersatzteilbereich geliefert werden. Weitere 65 Mitarbeiter sorgen im indirekten Bereich für einen reibungslosen Betriebsablauf, so Mario Nitsch.
Während in den Fertigungslinien für das Bestands- und Ersatzteilgeschäft noch Handarbeit benötigt wird, werden die modernsten Benzinpumpen, die im Roßweiner Haus mitentwickelt wurden, vollautomatisch hergestellt. Höchste Qualitätsstandards sind in beiden Bereichen obligatorisch.
In Schutzkleidung und mit Haarnetzen, was eine Kontamination der Produkte mit Staubpartikeln verhindern soll, überwachen die Mitarbeiter die etwa 50 Industrieroboter, welche die Benzinpumpen schweißen und komplettieren. „Dabei wird ein Laserschweißverfahren ohne Zusatz angewandt“, erklärt Qualitätsmanager Sebastian Thümmler. Je nach Modell müssen die aus etwa 45 Einzelteilen bestehenden Benzinpumpen 300 bis 500 Bar an Druck aushalten. Dies werde an einer Heliumteststation geprüft.
Höchste Qualitätsstandards
Der Schwund, der durch Produktionsmängel entsteht, liegt unter einem Prozent, erklärt der Qualitätsmanager. Jede Pumpe ist zudem mit einer Datenmatrix versehen, sodass Produktionsschritte und Testergebnisse dokumentiert werden und 20 Jahre zurückverfolgt werden können.
Insgesamt werden im Roßweiner Hitachi-Werk pro Woche 50.000 Benzinpumpen produziert. 15.000 davon entfallen auf das Alt- und 35.000 auf das Neugeschäft. Das bedeutet, dass im voll automatisierten Bereich alle 14 Sekunden eine Benzinpumpe ‚vom Band läuft‘. Die Gesamtfertigung dauere 20 Minuten, so Sebastian Thümmler.
Zwei Millionen Pumpen jährlich
In Summe kommen so jährlich etwa zwei Millionen weltweit benötigte Benzinpumpen jährlich aus Roßwein, zweieinhalb Millionen seien ins Auge gefasst, vielleicht auch irgendwann drei Millionen, blickt Werkleiter Mario Nitsch in die Zukunft.
Das sei nicht immer so gewesen. Als das Werk vor 20 Jahren eröffnet wurde, habe es damals nur einen Kunden gegeben. In den Jahren bis 2020 folgte ein wirtschaftsabhängiges Auf und Ab, bis die Firma vor der Frage stand: Schließen oder Angreifen, sagt Mario Nitsch.
Das mittlerweile aus regionalen Mitarbeitern bestehende Management entschied sich für Letzteres. Über 20 Millionen Euro wurden in die bis zu 90 Prozent von der hauseigenen Ingenieur- und Designabteilung selbst entwickelten Produktionslinien investiert.
Mittlerweile arbeiten die Pumpen bei halbiertem Gewicht mit doppeltem Druck, erklärt der Standortchef den Technologiefortschritt beim Roßweiner Produkt, verschweigt aber auch nicht einen anderen Aspekt. Der Preis für eine Pumpe hat 20 Prozent nachgegeben.
Entsprechend wichtig sei die Qualitätssicherung, die sich ebenso auf modernstem Niveau befindet wie die Lagerlogistik. Neun autonom durch die Produktion rollende Transportwagen zeugen davon ebenso wie ein Laborbereich, in dem etwa 2,8 Millionen Euro teures Prüfequipment vorhanden ist, wodurch die hohe Qualität „Made in Roßwein“ abgesichert wird.
100 Millionen Umsatz angepeilt
94,5 Millionen habe Hitachi Astemo Europe in Roßwein im vergangenen Jahr umgesetzt, in diesem Jahr werden 100 Millionen angepeilt, wobei das Ziel perspektivisch 130 Millionen seien.
Das gelingt allerdings nur mit einer starken Mannschaft und so legt Mario Nitsch großen Wert auf Mitarbeiterrekrutierung und -bindung. „Wir hoffen, offene Stellen schnell zu besetzen“, sagt der Geschäftsführer, der sich deshalb nicht zuletzt auch für gute Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmer einsetzt.
So zum Beispiel beim Unternehmerstammtisch der Region Döbeln-Roßwein-Nossen, der sich unter anderem eine Verbesserung im Öffentlichen Personennahverkehr für Schichtarbeiter auf die Fahnen geschrieben hat (diese Zeitung berichtete). Um die Arbeit im Roßweiner Werk noch attraktiver zu gestalten und damit das Unternehmen weiter zu stärken.