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Sachsen: Ausfälle im Job 2024 weiterhin auf Höchststand

Auch im Freistaat nimmt die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage stetig zu. Die Krankenkassen halten jedoch wenig von einem Karenztag bei der Lohnfortzahlung. Denn die Gründe für den hohen Krankenstand liegen anderswo.

Lesedauer: 3 Minuten

Auch im Freistaat nimmt die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage stetig zu. Die Krankenkassen halten jedoch wenig von einem Karenztag bei der Lohnfortzahlung. Denn die Gründe für den hohen Krankenstand liegen anderswo.

Im Vorjahr war der Krankenstand mit 206 Fällen ebenso hoch. Im Vergleich zu 2021 bedeute dies einen Anstieg um fast zwei Drittel. Damals waren es noch 124 Fälle pro 100 Erwerbstätige. Im Bundesländervergleich liegt Sachsen 2024 im Durchschnitt. Das bundesweite Mittel liegt bei 206 Fällen. Den niedrigsten Krankenstand verzeichnet die KKH in Baden-Württemberg (184 Fälle pro 100 Mitglieder), den höchsten in Mecklenburg-Vorpommern mit 230 Fällen.

AOK Plus in Sachsen: Leichter Anstieg bei den Fehltagen

Auch Sachsens größte Krankenkasse, die AOK Plus, verzeichnet einen geringen Anstieg bei den Fehltagen. Nach den aktuell vorliegenden Zahlen liege der Krankenstand für die AOK-Plus-Versicherten im Freistaat von Januar bis einschließlich November 2024 bei 6,9 Prozent, teilte ein Sprecher mit. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 0,1 Prozent. Der größte Anteil mit 40 Prozent aller Krankheitstage geht zurück auf Fälle mit Langzeit-Arbeitsunfähigkeit wie psychische Erkrankungen sowie Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, heißt es. In Sachsen ist jeder zweite Krankenversicherte bei der AOK Plus.

Die Arbeitgeber müssen sich stärker mit psychischen Erkrankungen ihrer Mitarbeitenden auseinandersetzen. – Antje Judick, KKH-Arbeitspsychologin

Aber die Beschäftigten in Sachsen sind seltener oder kürzer krank als etwa in Thüringen. Während der Krankenstand der AOK-Mitglieder in Betrieben in Sachsen im ersten Halbjahr 2024 rund 6,9 Prozent betrug, lag er in Thüringen mit 7,6 Prozent deutlich höher.

Psychische Leiden Hauptgrund für hohen Krankenstand

Als Hauptursache für den erneuten Krankenstandanstieg im Jahr 2024 sehen die Krankenkassen vor allem die zunehmenden Anforderungen an die psychische Gesundheit, etwa durch die rasanten Veränderungen der heutigen Welt. „Studien zeigen, dass die Menschen darauf sensibler reagieren als früher“, sagt Pascal Ziehm, Sprecher bei der AOK Plus.

Auch bei der KKH sind psychische Leiden mit der Hauptgrund für den hohen Krankenstand in Sachsen wie in ganz Deutschland. Die Fehlzeiten wegen Diagnosen wie etwa Anpassungsstörungen, Depressionen und chronischer Erschöpfung sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gestiegen: von deutschlandweit 387 Tagen pro 100 Mitglieder auf 392 Tage. Das ist der höchste Stand seit Beginn der KKH-Erhebung im Jahr 2017. Damals waren es 298 Tage. „Die Arbeitgeber müssen sich stärker mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen und transparent kommunizieren, wie sie betroffene Mitarbeitende unterstützen“, rät KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick.

Mehr Prävention statt Karenztag

Sie hält wenig von dem derzeit diskutierten Vorschlag, die Lohnfortzahlung gleich zu Beginn eines Krankheitsfalls abzusenken oder den Karenztag wieder einzuführen. „Wer krank arbeitet, gefährdet nicht nur Kollegen und Kolleginnen, sondern auch die eigene Gesundheit, indem er andere ansteckt, Erkrankungen verschleppt und am Ende viel länger im Job ausfällt“, sagt Judick.

Auch die zunehmende Misstrauenskultur in Unternehmen, etwa mit Blick auf die immer wieder diskutierte mögliche Ausnutzung der telefonischen Krankschreibung, kann sich auf die Gesundheit auswirken: Sie löse bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein Gefühl mangelnden Vertrauens aus, was wiederum Motivation und Psyche negativ beeinflussen könne, erläutert die Psychologin. Dabei sei eine vertrauensbasierte, wertschätzende Unternehmenskultur der Schlüssel zu zufriedenen und gesunden Mitarbeitern.

Die Expertin empfiehlt Unternehmen, noch stärker auf Prävention zu setzen, um hohe Krankenstände einzudämmen. Beschäftigte müssten auch am Arbeitsplatz besser gegen Infektionskrankheiten geschützt werden, etwa durch Hygieneregeln und Schutzimpfungen. Mit Ende der Corona-Pandemie seien Vorgaben wie etwa zum gründlichen Händewaschen häufig in Vergessenheit geraten. Auch mit Blick auf die Impfquote beim Grippeschutz gibt es noch Nachholbedarf. Laut KKH-Daten lag diese in der vergangenen Saison 2023/2024 bei nur 16,7 Prozent.

Bei der AOK Plus ist die Reaktion ähnlich „Aus unserer Sicht sollten Erkrankte nicht durch Lohneinbußen abgestraft werden, da dies das Risiko von Krankheitsverschleppung und längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten erhöhen kann“, sagt Pascal Ziehm. Stattdessen seien gesunde Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten und vertrauensvolle Karenztage der bessere Weg, um die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern.

DGB Sachsen lehnt Karenztag kategorisch ab

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen lehnt den Vorstoß des Allianz-Chefs Oliver Bäte zur Wiedereinführung des Karenztages „kategorisch ab“. Sie könne nachvollziehen, dass die Arbeitgeber versuchten, Krankheitskosten auf ihre Beschäftigten abzuwälzen, sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Daniela Kolbe. „Aber wer krank ist, ist krank, bleibt zu Hause, steckt niemanden an und wird hoffentlich zügig wieder gesund.“ Hier zusätzlich Druck gerade auf Menschen mit niedrigem Einkommen auszuüben, sei „unanständig“, argumentiert sie.

Die Gewerkschafterin bestreitet die Statistiken nicht. Die Krankenstände seien hoch, bestätigt sie. „Aber hier müssen die Arbeitgeber auch mal prüfen, welchen Anteil sie selbst haben“, sagt Kolbe mit Blick auf hohe Arbeitsbelastungen. Speziell langwierige psychische Erkrankungen trieben die Zahlen nach oben. Dort müsse viel stärker hingeschaut werden, wünscht sich auch Sachsens DGB-Vizechefin.

SZ

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