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Sachsen kann mit zehn Milliarden rechnen

Sieben Leuchtturmprojekte für den Strukturwandel in der Lausitz sollen im Gesetz verankert werden.

Lesedauer: 3 Minuten

Noch bis in die Nacht vor der Sitzung des Bundeskabinetts wurden letzte Passagen im Eckpunktepapier für das sogenannte Strukturstärkungsgesetz diskutiert und abgestimmt. Mit diesem Gesetz will die Bundesregierung die Empfehlungen der Kohlekommission für den Strukturwandel in den Braunkohlerevieren umsetzen. Der eigentliche Kohleausstieg, also das Abschalten von Kohlekraftwerken und Stilllegen von Tagebauen, wird in einem eigenen Gesetz geregelt werden.

Der Bund hat zugesagt, den Strukturwandel infolge des Kohleausstiegs mit insgesamt 40 Milliarden Euro zu unterstützen. Eine Summe, die auch in anderen Bundesländern Begehrlichkeiten geweckt hat. So sehen Bayern und Baden-Württemberg die Versorgungssicherheit ihrer Unternehmen gefährdet. In quasi letzter Minute setzten sie durch, dass im Eckpunktepapier auch der Bau von Gaskraftwerken im Süden Deutschlands festgeschrieben wird und folglich später mit Bundesmitteln subventioniert werden darf. Hilfen soll es nun auch für das Helmstedter Revier in Niedersachsen geben sowie für strukturschwache Standorte mit Steinkohlekraftwerken, also für das Saarland. Die Einigung sieht 90 Millionen Euro für Helmstedt und bis zu einer Milliarde Euro für die Steinkohle-Kraftwerksstandorte vor.

Als das alles erreicht war, konnte das Bundeskabinett am Mittwoch dieser Woche das Papier verabschieden. Es wurde erwartungsgemäß von den Ministerpräsidenten der Kohleländer einhellig begrüßt. „Hinter uns liegt ein Prozess, der viel Kraft und Arbeit gekostet hat. Wir brauchen eine positive und freundliche Bereitschaft, einen Kompromiss zu schließen“, betonte Sachsens Landeschef Michael Kretschmer. 

Sein Staatskanzleichef Oliver Schenk stellte in der Pressekonferenz klar, dass die Infrastrukturprojekte und Maßnahme zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier keine „Wahlkampfgeschenke“ seien, wie er wiederholt zu hören bekommen habe. „Wir haben uns den Termin für das Gesetz nicht ausgesucht. Und die Summe von 40 Milliarden ist aus der Arbeit der Kohlekommission heraus entstanden“, sagte Schenk. Allerdings waren zwei der vier Kommissionsvorsitzenden Stanislaw Tillich und Matthias Plattzeck, die ehemaligen Ministerpräsidenten in Sachsen und Brandenburg, wo am 1. September Landtagswahlen anstehen. Sachsen kann mit rund zehn Milliarden Euro für den Strukturwandel in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier rechnen.

Aus Sicht des Freistaates war es wichtig, dass die Leuchtturmprojekte – jeweils sieben in jedem Revier – so im Gesetz verankert sind, dass Gewissheit besteht, dass sie umgesetzt werden. Das sieht Schenk erreicht, „wir können vor allem die Lausitz infrastrukturell erschließen“. Für die Lausitz sind als Leuchtturmprojekte festgehalten: 1. die Fernbahnverbindung von Berlin nach Görlitz über Weißwasser, 2. Ausbau der Eisenbahnstrecke Arnsdorf-Lausitzer Seenland, 3. Ausbau mehrerer Bundesfernstraßenverbindungen, 4. Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz, 5. der sechsspurige Ausbau der Autobahn A4 von Dresden nach Görlitz, 6. Breitband-Ausbau und 5G-Modellregion und 7. Casus – das Zentrum für digitale interdisziplinäre Systemforschung in Görlitz.

Damit die bessere Verkehrsanbindung der Lausitz an die Städte Berlin, Dresden und Leipzig bis zum endgültigen Kohleausstieg im Jahr 2038 gelingt, fordert Sachsen eine Vereinfachung des Planungsrechts. Im Eckpunktepapier ist eine Verkürzung des Instanzenweges für Kläger vorgesehen. die eine Zeitersparnis von zwei bis drei Jahren bringen wird. „Hier muss der Bund noch etwas mutiger werden“, fordert Schenk. Er denkt dabei an eine Verkürzung von Anhörungszeiten und Vorlagefristen.

Wichtig ist Sachsen auch, dass der Maßnahmenkatalog am besten in einem Staatsvertrag mit allen 16 Bundesländern festge halten wird, damit auch künftige Regierungen an die Beschlüsse gebunden sind. Aber selbst wenn es nur eine Bund-Länder-Vereinbarung mit den betroffenen Ländern werden sollte, muss das Gesetz durch den Bundesrat, wo alle Länder zustimmen müssen. Das Strukturstärkungsgesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Bis dahin will die Landesregierung die Zeit nutzen, bei zwei Punkten nachzubessern: Mehr Spielraum beim Einsatz der Finanzmittel, um Kommunen bei Ko-Finanzierungen und Personalaufbau unterstützen zu können, und mehr Anreize für die private Wirtschaft, damit diese in der Lausitz investiert. Diese Anreize wie etwa vereinfachte Genehmigungsverfahren oder erhöhte Investitionszulagen fehlen ganz.

Joachim Ragnitz, Vize-Chef der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, hält die meisten Infrastrukturprojekte und die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen für sinnvoll. Jedoch wäre es wünschenswert, „die Maßnahmen noch stärker auf die Braunkohlereviere im engeren Sinne zu konzentrieren – in weiten Teilen der ausgewählten Regionen wird es überhaupt keine negative Auswirkungen des Kohleausstiegs geben“, sagt Ragnitz. Gemeint ist damit, mehr Behördenarbeitsplätze und Projekte nach Weißwasser und Hoyerswerda bringen statt nach Görlitz.

 

Von Nora Miethke

Foto: © Patrick Pleul/dpa

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