Dresden. In vielen Bundesländern wird mehr Personal im öffentlichen Dienst beschäftigt als es die Aufgabenlast eigentlich erfordern würde. Das belegt eine neue Studie des Ifo-Instituts in Dresden. Dessen Vize-Chef Joachim Ragnitz nennt im Interview die Gründe dafür.
Herr Ragnitz, aus welchem Anlass haben Sie sich den Personalbedarf im öffentlichen Dienst der Bundesländer näher angesehen?
Wir haben schon vor einigen Jahren davor gewarnt, dass der öffentliche Dienst bei demografisch bedingt rückläufigem Arbeitskräfteangebot der Wirtschaft die notwendigen Fachkräfte wegschnappen könnte – was sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken würde. Deswegen wollten wir jetzt einmal prüfen, ob sich der damalige Befund hoher Personalbestände in den Verwaltungen von Ländern und Kommunen auch heute noch gilt. Die Antwort ist leider: Ja, in vielen Ländern wird mehr Personal im öffentlichen Dienst beschäftigt als es die Aufgabenlast eigentlich erfordern würde.
Zu welchem Ergebnis sind Sie konkret gekommen?
Über alle Länder gerechnet könnten rechnerisch bis zu 230.000 Stellen gestrichen werden, wenn man sich am Land mit der effizientesten Aufgabenerfüllung – das ist Niedersachsen bei den Flächenländern – orientiert. Hingegen stechen Berlin und Sachsen-Anhalt mit hohen Personalbeständen hervor.
Lassen sich die Verwaltungen der Länder einfach so vergleichen, mitunter sind die Strukturen doch recht unterschiedlich?
Ja, das ist ein gewichtiger Einwand. Deswegen haben wir auch weitgehend darauf verzichtet, nach verschiedenen staatlichen Aufgabenbereichen zu unterscheiden, obwohl das eine interessante Frage wäre. Fakt ist allerdings, dass die Mechanismen des Finanzausgleichs zu einer weitgehenden Nivellierung der öffentlichen Einnahmen führen, aus denen das Personal zu zahlen ist. Länder, die sich viel Personal leisten, müssen deswegen an anderer Stelle sparen, was sich negativ auf die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen auswirken kann – also auf das Angebot an Kultur und Bildung oder auch auf infrastrukturelle Leistungen, also alles, was zu den „freiwilligen“ Aufgaben gehört.
Zur Person
Joachim Ragnitz (63) stammt aus Nordhorn in Niedersachsen und war von 1994 bis 2007 als Abteilungsleiter am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) tätig. Seit 2007 ist der Wirtschaftswissenschaftler Vize-Geschäftsführer der Niederlassung Dresden des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und Lehrbeauftragter an der TU Dresden, wo er 2011 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Er ist Mitglied in verschiedenen Beratungskommissionen auf Bundes- und Landesebene. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland.
In der Studie heißt es, dass der Kommunalisierungsgrad in den ostdeutschen Flächenländern geringer ist als in den westdeutschen Flächenländern – was kann man daraus schlussfolgern?
Hier geht es um die interne Aufgabenverteilung innerhalb eines Landes. In Ostdeutschland sind tendenziell mehr Aufgaben von den Landesverwaltungen zu erledigen. Das passt eigentlich nicht so wirklich zu der Vorstellung, dass die Bereitstellung öffentlicher Leistungen möglichst nah an den Bürgern erfolgen sollte, weil man sich dort besser auf regional unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse einstellen kann. Der niedrige Kommunalisierungsgrad spiegelt aber auch die Gebietsreformen der Vergangenheit wider – es gibt einfach weniger Gemeinden beziehungsweise Landkreise, und damit fallen auch kommunale Kosten weg, die man sonst hätte.
Haben die höheren Personalkosten im Osten auch etwas mit dem Grad der Verbeamtung zu tun, der ist bekanntlich in den neuen Bundesländern geringer?
Ja, Tarifangestellte sind für den Staat kurzfristig gesehen teurer, weil ja Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind, die bei Beamten nicht anfallen. Allerdings gleicht sich das sehr langfristig auch wieder aus, weil Beamte ja auch nach ihrer Pensionierung noch vom Staat zu finanzieren sind. Die Pensionslasten haben wir in unsere Rechnung nicht einbezogen. Diese fallen aber naturgemäß in Westdeutschland, wo es ja viele bereits pensionierte Beamte gibt, deutlich höher aus als im Osten.
Woran liegt es nun, dass in Sachsen die Personalausgaben je Einwohner rund zehn Prozent höher liegen als im Schnitt?
Na ja, auf der einen Seite sind im öffentlichen Dienst Sachsens mehr Personen beschäftigt als anderswo. Das erklärt diese Diskrepanz aber nur zum Teil. Meine Vermutung ist, dass vor allem der geringere Grad an Verbeamtungen hier zu den höheren Personalausgaben beiträgt. Man muss aber auch berücksichtigen, dass Sachsen im öffentlichen Dienst viel drittmittelfinanziertes Personal beschäftigt, insbesondere bei den Hochschulen. Die belasten aber nicht direkt die Kassen des Freistaats.
Sie sagen, dass sich Sachsen in einigen Bereichen besonders viel Personal leistet – welche Bereiche sind das, und gibt es dafür eine Erklärung?
Vergleichsweise viel Personal gibt es in der Verwaltung im engeren Sinne, bei der Polizei sowie allgemein bei den Hochschulen, wobei letzteres wegen der teilweisen Drittmittelfinanzierung aber nicht überbewertet werden sollte. Ob dies durch Mehraufgaben gerechtfertigt ist, lässt sich von außen nicht feststellen. Aber wenn man, wie es die neue Staatsregierung bereits angekündigt hat, auch beim Personal sparen will, sollte man die genannten Bereiche als Erstes in den Blick nehmen.
Muss das einhergehen mit einem Abbau der Bürokratie? Und zu welcher Kosteneinsparung könnte das führen?
Bürokratieabbau ist natürlich immer ein sinnvolles Konzept. Aber da geht es dann ja im Wesentlichen darum, die bestehenden Aufgaben effizienter zu erfüllen. Ich glaube eher, dass wir inzwischen an einem Punkt angelangt sind, wo man sehr grundsätzlich fragen muss, welche öffentliche Aufgaben tatsächlich sinnvoll sind beziehungsweise welche Aufgaben man sich als Staat überhaupt leisten sollte. Der Staat muss zum Beispiel keine eigenen Unternehmen betreiben, auch nicht alle Förderprogramme sind wirklich erforderlich, denn sie binden Personal, das man anderswo besser einsetzen könnte. So eine „Aufgabenkritik“ wird auch bereits seit Jahren angemahnt, aber greifbare Erfolge sehe ich da bislang nicht.